Wie ein Tag Urlaub: Ausflug nach Bietigheim

Über unserem Ausflug nach Bietigheim schwebt, in Anlehnung an Schillers Marbach, die Mission, Hartmut Englers Geburtshaus, SĂ€nger der Bietigheimer Kapelle Pur, zu finden – Schiller und Engler, zwei große Dichter und Denker ihrer Zeit. WĂ€re eigentlich ein gutes Thema fĂŒr den Deutschunterricht, ein Textvergleich von „RĂ€uber“ und „Abenteuerland“. Vorneweg, die Mission scheitert, weil man sich wĂ€hrend Suche in Bietigheim verliebt hat – wenigstens so ein bisschen. Einmal Fremdgehen ist auf jeden Fall locker drin. Ohne schlechtes Gewissen.

Den Bahnhof lĂ€sst man, wie eigentlich jeden Bahnhof im VVS-Netz, besser schnell hinter sich und folgt schnurstracks dem Schild „Historische Altstadt“. Die 1,6 Kilometer dorthin, links die Enz, rechts mĂ€chtige FelswĂ€nde, unter dem Bietigheimer Wahrzeichen, dem Viadukt, hindurch und vorbei an einem idyllischen Biergarten, fĂ€llt auch notorischen Laufmuffel leicht.

Die Bietigheimer Leichtigkeit setzt sich in der Hauptstraße, der FußgĂ€ngerzone, fort, auf die man nach dem Spaziergang durch die Natur geradewegs zulĂ€uft. Die historische Altstadt prĂ€sentiert fein rausgeputzt. Die GebĂ€ude aus mehreren Jahrhunderten fĂŒgen sich perfekt aneinander. In der Einkaufsmeile reihen sich in polierten FachwerkhĂ€usern CafĂ©s und Einzelhandel von TextilfachgeschĂ€ften ĂŒber BuchhĂ€ndler bis SchmucklĂ€den.

SpĂ€testens wenn man das SpielzeugfachgeschĂ€ft an der Ecke entdeckt, denkt man sehnsĂŒchtig an die Reisen mit den Eltern in den 80er Jahren zurĂŒck („Und hier darfst du dir jetzt was aussuchen.“). Die hohe Dichte an Brunnen, besser gesagt Wasserspielen, und der starke Hang zur Flora und Fauna, wie z.B. vor dem prĂ€chtigen Rathaus, machen das Urlaubsfeeling komplett. Bietigheim scheint ein Eldorado fĂŒr Stadtplaner und LandschaftsgĂ€rtner zu sein.

Das wird nicht zuletzt von den Bietigheimer honoriert. Die CafĂ©s sind voll besetzt, auf der Hauptstraße wird flaniert und konsumiert und die Kids stĂŒrmen mit ihren Instrumenten die Volkshochschule, die ĂŒbrigens ein perfektes Beispiel dafĂŒr ist, wie man elegant einen Neubau in ein bestehendes Fachwerkhaus integriert.

Die architektonische Meisterleistung schlechthin ist aber das Restaurant Visconti am Ende der Hauptstraße. Auf der Front des BacksteingebĂ€udes in Form einer halbierten, vertikal gestellten Ellipse wurden die Köpfe wichtiger Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Kunst und Kultur angebracht. Einen leicht verwirrenden Eindruck hingegen hinterlĂ€sst die Skulptur davor (Kategorie Moderne Kunst) namens „Turm der grauen Pferde“, das Bietigheimer Pendant zu den Bremer Stadtmusikanten. Da wollte wohl jemand zu viel auf einmal.

Zum Abschluss des Rundgangs pflanzt man sich am „Plaza“ der unteren Hauptstraße in einen schicken Korbsessel und genehmigt sich ein Tasse Kaffee und einen Toast. SpĂ€testens jetzt wird’s stark mediterran. 

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