Thema DJ-Wünsche: Spiel doch mal was von den Atzen!

Wir hatten hier ja länger keine DJ-Anekdoten mehr. Also, bitte. Vergangenen Donnerstag hab ich bei „Roomservice“ in der Suite-Lounge aufgelegt. Ich mag es da, gute Atmosphäre, angenehmes Publikum, hoher Werberanteil, aber da fühl ich mich ja wohl, und ich kenn da immer paar Leute.

Allerdings stellte sich relativ schnell raus, dass an dem Abend mindestens drei Geburtstage gefeiert werden. Und entsprechend hoch war der Andrang an meinem DJ-Pult – Musikwünsche in allen Farben und Formen. Wobei ich da im Gegensatz zu meinem Kollegen Ram meistens relativ gelassen bin.

Ram reagiert auf Leute, die beim Auflegen ein Anliegen an ihn herantragen wollen, meistens ziemlich abweisend, ignoriert sie erst ziemlich lange, hört ihnen dann mit halbem Ohr zu, wimmelt sie irgendwie ab und kann auch mal unfreundlich werden, wenn sie es mehrmals versuchen.

Ich bin eigentlich immer freundlich, je nach Laune. Am Donnerstag hatte ich gute Laune, deshalb habe ich mir alle Wünsche geduldig angehört, von „Upside Down von den Supremes“ über „Hot Chip“ – „hab ich gespielt“ – „ja, aber das falsche Lied“ bis „Madonna oder Kylie Minogue oder so“.

Auch viele andere Klassiker waren dabei, „spiel mal was Bekanntes“, „spiel mal was Schnelleres“, „spiel mal was zum Tanzen“, „spiel mal HipHop“, „spiel mal House“.

Und auch sonst gab man sich redlich Mühe – von drei Damen, die sich gleichzeitig vor mir aufgebaut und im Kanon ihr Anliegen vorgetragen haben, über eine Dame, die gemeint hat „Du bist doch jetzt aus Paris zurück, da hast Du bestimmt Bock Michael Jackson aufzulegen“ bis zu einer Dame, die gemeint hat, sie ist Geschäftsführerin eines Ladens, wo es coole Brillen zu kaufen gäbe, ich solle doch mal vorbeikommen.

Das absolute Highlight des Abends kam aber gegen Ende, so in der Phase, als ich schon zwischen „jetzt noch mal paar Hits damit’s noch mal abgeht“ und „jetzt tanzt eh keiner mehr, jetzt kann ich spielen was ich will“ geschwankt habe.

Eine blonde Dame, die schon den ganzen Abend in der Nähe der Bar rumgestanden war, kam und meinte (ungefähr): „Du bist doch einer von den Kessellanern, oder?“ – „Äh, ja.“ – „Achso. Was macht Ihr denn da so?“ – „Ha, wir sind ’n Blog.“ – „Ah! Und da macht Ihr Musik, oder wie?“ – „Äh, nö, wir schreiben so über Sachen in Stuttgart.“ – „Achso! Und kann man das irgendwo angucken?“ – „Jo, unter www.kessel.tv.“ – „Ah, okay!“.

Nach dieser nur partiell sinnhaftigen Unterhaltung holte sie dann zum Paukenschlag aus: „Spielst Du mal Atzen?“

Puh. Diese – oder eine ähnliche – Frage kommt schon ab und zu, wenn auch selten. Und ich bin da immer bissle perplex. Weil ich mir immer so schwer vorstellen kann, dass jemand, der in der gleichen Location wie ich unterwegs ist, ernsthaft Interesse daran hat, solcherlei Musik zu hören. Auf jeden Fall antwortete ich pflichtbewusst mit „Nö.“

Doch es kam noch besser, bzw. kam nach dem Paukenschlag die Panzerfaust. „Aber Du siehst aus wie die Atzen!“ – Bämm, großes Kaliber mitten in die Fresse. Darauf war ich nicht vorbereitet. Ich muss ziemlich verdutzt aus der Wäsche geschaut haben, und während sie irgendwas von „Ja, die Brille, und überhaupt, fehlt nur noch das Stirnband“ (What?) faselte, sortierte ich meine Gedanken.

Dann versuchte ich ihr zu erklären (wie gesagt, ich hatte an dem Abend gute Laune), dass sie mich gerade beleidigt hatte wie selten ein Mensch in meinem Leben zuvor, dass sie mir den ganzen Abend wenn nicht die ganze Woche verdorben hätte, dass ich es nicht glauben könnte, dass sie die Musik ernsthaft gut findet und dass ich mir eher den rechten Zeh abhacken würde, als „Atzenmusik“ zu spielen.

Ich glaube, verstanden hat sie mich nicht, aber zumindest schien ihr die Aussichtslosigkeit ihres Unterfangens klar geworden zu sein, denn sie schwenkte um und meinte: „Kannst Du dann Gus spielen?“ – „Äh, what?“ – „Gus, das hab ich neulich auf meinem iPod gefunden!“ – „Äh, Gus Gus?“ – „Jaaaa, genau, kannst Du das spielen?“

Um den Abend noch bei einigermaßen klarem Verstand zum Ende zu bringen, verabschiedete ich sie mit meiner abgedroschensten Musikwunsch-Antwort („Hmjaa, ich guck mal“), und sie trollte sich tatsächlich. Mann Mann, ich möchte nicht wissen, was der Ram in der Situation gemacht hätte.

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39 Comments

  1. says: Gusteau

    Haben die die Suite-Lounge vergrößert, oder war da wirklich beinahe jeder Gast mal bei Dir? Hättest ja einmal Atzen gegen ne neue Brille eintauschen können….

  2. says: No 2da RA

    Ich schmeiß mich weg – komm schon Thorsten, das ist doch nicht WIRKLICH passiert….Ich kanns nicht glauben, dass es neben Leuten, die diese Hirnfurzmukke hören auch noch Leute gibt die in aller Öffentlichkeit jemanden als „Atzen“-Typ bezeichnen…harter Tobak!

  3. says: Heslach Buddah

    mich wundert es immer wieder, dass es leute nicht fassen können, dass wir kleine musikhuren hinter den plattentellern solche fragen gestellt bekommen.

    eigentlich ist das bei jedem auflegen so 😉 und zeigt eben nur dass mehr oder weniger 90% die in den club gehen, sich ansonsten mit musik abseits des radios nicht mehr beschäftigen.

    sehr lustig war auch der zettel den jens zimmermann (spielt so overall minimaltechno bis tech-house) um 5 uhr am samstag im romy s. nach 3h techno-set bekommen hat. „Kannst Du auch mal Techno spielen?“.

    ich bin mir ziemlich sicher, dass dieselbe person sich über die atzen gefreut hätte, denn die machen ja richtig guten party-techno, oder?

  4. says: Fidi

    Ich find Atzen zu gar keinem Anlass gut. Kann den Begriff „gut“ mit Atzen gar nicht in Verbindung bringen.
    Hoffe das war nur Ironie und ich war zu behämmert um es zu verstehen.

  5. says: tobi2

    ..aber wirklich wundern braucht man sich auch nicht wenn solche fragen kommen ..ist immerhin mitten auf der theo die suite und da laufen schon so vögel rum..war da glaub schon seit jahren nicht mehr auf stuttgarter ballermann….und die beste antwort ist doch ganz einfach *hab ich net uffm rechner* bzw in der plattenkiste was aber denk ich bei den meisten(net älle) djs von der theo weniger zutrifft die müssen z.t glaub jeden müll spielen da würd ne plattenkiste gar net ausreichen…oder einfach das t-shirt kaufen http://www.vinylandmore.de/Cutcannibalz/T-Shirt-A-DJ-Is-Not-A-Jukebox-schwarz-%28black%29-p1362.htm

  6. says: Thorsten W.

    Naja, es war ja in der Suite oben, und da ist das Publikum wirklich okay… darum war ich ja auch besonders überrascht. Und das T-Shirt hab ich – bringt beim Auflegen leider auch nix.

  7. says: Katjuscha

    Erstmal Respekt, dass du diesen Mist überhaupt kennst!
    Und meine Theorie zu solchen Gesprächen: Das sind Mutproben. Anders kann das doch gar nicht sein – oder?
    So nach dem Motto „Wenn du hingehst und den DJ 10 Minuten zumüllst geb ich dir einen aus.“ Spricht zwar ebenfalls nicht für den IQ der Damen, aber immerhin für ein gewisses Maß an Kreativität. Auf so ne dummen Fragen muss man erstmal kommen!

  8. says: Moe

    Ich verstehe nicht was daran so schlimm sein sollte, sich beim DJ ein Lied zu wünschen. Immerhin bezahlen die Leute (in der Regel) Eintritt dafür.
    Mache ich auch manchmal. Ich wünsch mir immer was von Falco!

  9. says: Heslach Buddah

    @ken: bei dir würde auch eher die frage kommen: „du das ist doch heute ne detroit party, könntest du mal bitte fedde le grand „put your hands …“ spielen?“ und dann will ich dein gesicht sehen und zwar in ner slowmo‘, hehehehe

  10. says: Toni D.

    Also ich finde diese Atzen total lustig (na ja, vielleicht so bisschen).
    Hab auch während der WM nach nem Deutschlandspiel die Fußi Version von“Hey was geht ab“ im Kap gespielt. Der dümmliche Pöbel war äußerst belustigt und hats ultra gefeiert. Ich finde manchmal sollte man sich auch nicht so100% ernst nehmen und auch mal über seinen Schatten springen.
    Aber grundsätzlich sind Liedwünsche total nervig. Vorallem wenn man grade am arbeiten ist.

  11. says: anne

    Und ich habe mich gefragt, was das für eine grässliche Musik ist, als es letzten Samstag in Dresden lief. Daumen hoch dafür, dass du NEIN gesagt hast!

  12. Ich wünsch mir öfters etwas & das wird dann auch fast immer direkt gespielt. Aber ich mache mir vorher Gedanken, was ich an der Stelle des DJs in genau dem Moment spielen würde. Ich spinne quasi den Gedanken/das Programm des DJs weiter. Dieses Interagieren scheint gut anzukommen.

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