Review: Madonna Konzert in Zürich

Tanzschule trifft Tetris: MDNA in Zürich.

Wenn irgendwo ein Royal dahinscheidet, ist Elton (John, nicht Raab) der erste, der eine Meinung dazu haben muss. So geschehen beim Tod von Prinzessin Di („Candle in the wind“). Und jetzt wieder geschehen beim angeblichen Atemstillstand der Queen of Pop.

Irgendwo blubberte der Mann nämlich neulich in den Ploppschutz eines Mikrofons, Madonna wäre „durch“. Er muss es ja wissen – schließlich ist Elton John the Durchness himself.

Aber er lag falsch: am Samstagabend kurz nach 23.00 Uhr im Züricher Fußi-Stadion Letzigrund, da hatte ich eine 2-stündige Show und eine 54-jährige Frau gesehen, die vieles war. Nur nicht durch.

Dabei bin ich null Fan. Weder in meiner iTunes-Bibliothek noch in meinem Plattenschrank gibt es ein Madonna-Album oder -Stück. Entsprechend ist auch mein Lieblingslied von ihr gar nicht vor ihr, sondern von Justin Bieberlake und geht ungefähr so: „i got 4 minutes to save the world……Mädonnah!“ – könnt ich stundenlang hören, die Stelle. Mädonnah!

Und trotzdem – oder gerade deshalb? – habe ich sie schon zweimal live gesehen. 1986 im Frankfurter Waldstadion („Who’s that girl“) und jetzt wieder. Beides mal nicht wegen der Madonna-Musik, sondern wegen der Madonna-Revue:

Beginnend mit einem verstörenden Konzertauftakt inklusive Riesen-Shisha, die ihre Bühne in Weihrauch hüllte, bevor Madonna mit einem Maschinengewehr bewaffnet aus einem Beichtstuhl kletterte, um einen Tänzer nach dem anderen zu erschießen. Klingt krass? War krass! Der kleine Quentin möchte bitte aus dem Europapark abgeholt werden.

Dann folgte die große Mini-Playback-Show. Die ersten drei Songs dachte ich: will die mich verarschen? Und dann ist mir wieder eingefallen, dass ein Madonna-Konzert ja gar kein normales Live-Konzert ist.

Es hatte sich im Vorprogramm schon angedeutet, dass dies kein Abend mit Musikern werden soll: mit einem Typen namens Martin Solveig – und gehen wir mal davon aus, dass den wieder jeder kennt, nur ich nicht. Martin jedenfalls, extra mit Vollhorst-Frottee-Stirnband aus Paris eingejettet, benahm sich wie ein Diskjockey (und ich meine bewusst nicht DJ) auf einer Abifete, bei dem sich Pubertierende Britney Spears, Gotye und eben auch Madonna-Lieder wünschen dürfen.

Ich persönlich hätte es mir ja verbeten, dass jemand vor meinem Konzert meine Songs von der Festplatte spielt – aber da der Hauptact Madonna später das gleiche tat, war’s wahrscheinlich ok.

Geboten wurde ein buntes Programm mit vielen MDNA Songs – hier übrigens geht’s lang zur Setliste, proudli präsentiert von einem der besten Online-Services für Musikmöger: setlist.fm. Ist zwar aus Norwegen, war aber jetzt in der Schweiz nicht anders. Glaube kaum, dass die Dame jeden Abend ein neues Programm spielt und/oder jammt.

Whatever happened to Stadionwurst & Konzertbier & cigarette lighters bei Balladen?

120 Minuten lang war das Ganze dann eine Showtechnik-Expo

+ der Name der Rose

+ die große DJ Bobo Show

+ das ZDF Fernsehballett, bei dem jeder Schritt einstudiert und durchchoreographiert war

+ eine stolze amerikanische Parade

+ eine verdammt gute Slackline-Promotion

+ die größte Homosexuellen-Convention seit dem CSD

+ eine Fachmesse für Hydraulik

+ eine Pro Pussy Riot Kundgebung

+ Las Vegas in Zürich

+ Pulp Fiction als Theaterstück in einem Naturtheater unter freiem Himmel

+ die beste Video-Einspieltechnik, die ich gesehen habe

+ der Beweis, dass sie doch schauspielern kann: immerhin hat Madonna bei 50% der Songs so getan als würde sie live singen (und zusätzlich bei drei Stücken Luftgitarre mit einer schönen schwarzen Les Paul gespielt)

+ eine Sternstunde im Gehen (wenn Madonna auch nur 2 Schritte macht, dann so bewusst und sexy, dass man mit ihr überall mit hin gehen würde),

+ eine SM- und Stripshow (bei der sie irgendwann ihren blanken Po gezeigt hat. Das habe ich zuletzt bei AC/DC gesehen. Blitztabelle: Madonna hat den trainierteren Arsch, Angus Young das versiertere Gitarrenspiel).

Kurzum: es war das ganz große Madonna Musical.

Schlechter als 1987 war das alles ganz bestimmt nicht. Im Gegenteil. Vor allem nicht konditionell oder visuell. Viele, die immer mit dem Finger auf ihre Falten deuten, tun ja gerade so, als seien sie seit La Isla Bonita Dauerfünfzehn geblieben. Wir hatten alle schon mal straffere Haut und eine größere Libido, Leute. Wir waren alle schon mal geiler.

The day after in Zürich: der publikumsnahe Star aus den USA fährt Tram.

Fazit: Madonna ist der letzte noch verbleibende Popstar. Punkt. Der Elvis einer neuen Generation. Alles, was dann kommt, wird nie wieder so Pop sein. Weder Rihanna noch Beyoncée noch Gaga oder Cro & Co.

Madonna ist ein Gesamtkunstwerk und will eines sein. Deshalb kann man sie auch nicht auf ein schlecht verkauftes Album, einen gefloppten Film oder ein ausgebuhtes Konzert reduzieren, meine ich.

Denn es ist doch so: irgendwann wird Madonna von der Slackline fallen und sich den faltigen Hals brechen oder sich einen Goldenen Schuss Botox setzen. Und dann werden wieder alle weinen – wie schon bei Michael – und sie werden trauern und Elton Jon wird sich an ein Piano setzen und uns dazu einen spielen. Und jeder wird sich dann die MDNA-Tour und all ihre vorangegangenen Gastspielreisen auf Video anschauen (und manche vielleicht sogar ihre Schmuddelfilmchen). Und dann werden sich alle einig sein: was für eine große Künstlerin!

Und wenn das so ist, dann kann man sie sich ja auch gleich im Heute live anschauen. Live im Sinne von: solange sie noch lebt.

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3 Comments

  1. says: martin

    „mit einem Typen namens Martin Solveig – und gehen wir mal davon aus, dass den wieder jeder kennt, nur ich nicht. “

    hehe 🙂

    hat ne zeitlang sogar mal ganz gute musik gemacht, fand ich zumindest. aber das ist länger her.

  2. says: vanDamme

    »Sie fühlt sich im Bett wie ein Knorpel an!«
    (Guy Ritchie, in etwa)

    Still Beste Liebeserklärung eines Ehegatten an seine Ex-Frau ever!

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