Spontanes Straßenfest und Nachbarschaftspflege: Stromausfall in Stuttgart-West

Balkon-Girls-Talk: Nachbarin Coco mit anderer Nachbarin.

Großstadtanonymität empfinde ich prinzipiell als einen Segen. Man hat seine Ruhe. Wohne jetzt bald seit 10 Jahren im gleichen Haus und kenne immer noch nicht alle Nachbarn, geschweige denn die Menschen aus den umliegenden Häusern. Bis natürlich auf den Getränkehändler Residovic (Er: „Nachbar wie gehts?“ „Du, gestern wieder bissle bsoffen gewesen.“ „Isch normal.“) und den Griechen Nikki unten an der Ecke. Und Coco gegenüber.

Das Wichtigste ist aber natürlich, dass es meinem Nachbar gut geht. War gestern Abend ein kleiner Running Gag: „Stell dir mal vor, jetzt wäre Fußball-Basketball-Biathlon-Poker gekommen, der Emil wäre durchgedreht.“

Denn gestern Abend haben wir in unserem Block der Großstadtanonymität eine halbe Stunde lang den Mittelfinger gezeigt und uns spontan auf der Straße versammelt. Lag nicht daran, dass wir zwingend Bock auf Straßenfest hatten, sondern weil um Punkt 21:30 Uhr der Strom ausgefallen ist, also Stinkefinger von der EnBW. Hats die große Sicherung zerrissen. Schätze mal, das Zadu hat mit überhöhter Spannung Wurstsalat gebacken, zumindest hat der Andi ziemlich oft telefoniert in der halben Stunde. Vielleicht hatte er auch nur Schiss um seine Kühlware.

In meinem Kühlschrank war Gott sei Dank wenig drin, hab da nämlich gerade reingeschaut als es dunkel wurde. So ganz leise. Ohne diesen Sicherungsraushauwusch. Also was macht man in dem Fall? Raus auf die Straße, gucken was los ist, kennt man von den großen Blackouts, randalieren, außerdem strahlte der Mond so schön. Im Hausflur kam mir schon Nachbar Claudio vom Keller hoch entgegen: „Ist bei dir auch alles aus?! Ich wusste, doch dass ich meine Rechnung bezahlt habe!“

Draußen auf der Straße, fünf Minuten nach dem Ausfall, folgte prompt der Anruf von Ex-Wohni John Disco, der an der anderen Ecke des Blocks wohnt. War schon leicht nervös, kam wahrscheinlich gerade C.S.I. oder sowas.

„Wo müssen wir da jetzt anrufen? Bei der EnBW?“

„Du Johny, wir leben in Deutschland, die kommen glaub gleich von alleine. Außerdem rufen da bestimmt schon gerade ziemlich viele Menschen an, die C.S.I. weitergucken möchten.“

„Okay, die auf der anderen Seite von der Augustenstraße haben Licht.“ Von dem Ausfall waren nur zwei, drei Blocks zwischen Schwab- und Hasenbergsteige betroffen.

(Haben wir im Winter gelernt: Straßenbeleuchtung und Hausstrom sind voneinander getrennt.)

Kurz darauf stand Coco aufm Balkon, Martina Jung mit Freunden stand vor ihrem Kleiderladen, immer mehr Leute guckten aus ihren Fenstern, und wir rissen kalte Witze wie: „Hat die Merkel den Atomausstieg vorverlegt?“ oder „Lass ma die Scheibe von dem Reisebüro eintreten.“ Irgendwie muss auch ein O2-Mast betroffen gewesen sein, mein Handy funktionierte nur beschränkt. „Willsch bloggen? Ich werf dir mein iPhone runter,“ rief Coco vom Balkon. „Du, ich muss nicht immer bloggen!“

Aber einen trinken könnte ich jetzt schon wieder, was will man auch sonst machen. Also meinte ich zu Claudio, dass ich kurz ins Zadu gehe einen Jägermeister kippen, so lange der noch kühl ist. „Wir können auch meine Vodka Flasche holen!“ „Da sag ich garantiert nicht nein!“ „Vodka Bull?“ „Junge, ich geh in einer Stunde ins Bett, pur reicht völlig.“

Kurz darauf standen wir mit einer dritten Hausbewohnerin, die dummerweise gerade am Laptop gearbeitet hat und das Dokument nicht gespeichert war, mit unseren Gläsern auf der Straße herum. „So, jetzt lernen wir uns alle mal kennen!“, prostete ich den anderen zu, die in bester Waldorf & Statler-Manier aus ihren Fenster glotzten. Frau Jung machte das uns nach und schenkte Ramazotti aus.

Unser spontanes und sehr temporäres Straßenfest bekam eine nette Gruppendynamik, und wir genossen seelenruhig das Nachbarschaftstreffen, nicht ohne an unsere lieben Mitmenschen zu denken, die in diesem Moment nicht so einen schönen Abend hatten wie wir.

„Die Adi hätte jetzt schon längst was eingeschlagen“, meinte ich.

„Die wäre durchgedreht!“

Kurz vor 10 kam dann der EnBW-Notarzt…

….schraubte kurz an einem Kasten beim Zadu rum und es wurde wieder Licht, mit „aaaaaaaaaaaahhhhhhh“-Geraune natürlich. Wir beschlossen, dass wir endlich mal das Nachbarschaftsgrillen entweder bei Coco auf der Garage und bei uns im Hof in Angriff nehmen müssen. Schön wars mit euch, liebe Mitbewohner, gute Nacht: „Also, das machen wir jetzt jeden Abend, sehen uns morgen wieder um halb zehn!“

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15 Comments

  1. says: martin

    klar, bloss vielleicht war ihrer alt und gerade am strom oder whatever. oder ich hab nicht richtig zu gehört und sie meinte pc 😉 auf jeden fall war die arme ganz schön traurig.

  2. says: LuisL

    Bei mir im „Gerber“ (Yeah ich bin schon voll S21), ist nur kurz alles weggefatzt und nach einer Sekunde gabs wieder Strom.

    Wahrscheinlich hat das älteren Schaltkästen nicht gut getan.

  3. Ach, ihr hattet richtig Stromausfall!? Bei mir war der Strom nur 2 Sekunden weg. Hat aber auch den Rechner zum Neustarten bewegt.

    So lernst Du also Deine Nachbar kennen!?;) Ich lerne meine Nachbarinnen bei Studi, aufm Nachhauseweg nach ner Partynacht, weil sie Kippen schnorren oder mit nem Einbahnstraßen-Schild unter dem Arm rumlaufen oder beim Einkaufen kennen…

  4. says: franzi

    aso… ich bleib immer im dunkeln auf dem sofa sitzen, wenn der strom ausfällt, oder such irgendwo nach nem teelicht… aber das nächste mal nicht mehr, da lern ich dann auch mal meine nachbarn kennen 😀

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