Unnötig, aber nunmal da: Happy Birthday, Gerber!

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(Symbolbild Stuttgart: ein Loch, aus dem gerade noch ein Fernsehturm oben rausschaut. Mit Ach und Krach und auch nur weil das Ding so hoch ist. Foto: Shop Dylan, AP/Heslach)

In Sachen Powermarketing macht dem Gerber niemand was vor, remember Küken, Hase, Gerber. Sehr schön sind auch die neuen schwarz/weiß gestreiften Reklameflächen an der Paulinenstraße. Sie vermitteln fast das Gefühl, man sei tatsächlich irgendwo angekommen. Trotzdem – und mit ganz viel Zucker obendrauf: Happy Birthday, Einkaufszentrum!

Nach nun einem Jahr Gerber können wir allerdings ganz selbstlos festhalten: „Mensch, das wäre doch nicht nötig gewesen“.

Jeder, der zuvor erzählte, Stuttgart würde dieses Einkaufszentrum zur Urbanitätsoptimierung oder überhaupt benötigen, fehlte es entweder an Expertise oder man hatte uns im Interesse von Investoren ein bisschen dreckig angeschwindelt.

Andererseits: Hinterher ist man ja meistens etwas schlauer. Es sei denn, man hat sich in der Zwischenzeit auf 2,3 Promille hochgetrunken. In diesem Fall ist man später meist ein bisschen blöder – aber halt wenigstens ziemlich besoffen.

Aber es konnte einem aber auch schwindelig werden bei all den Optimierungsversuchen des Einkaufszentrums im vergangenen Jahr. Irgendjemand war immer neu im Boot, um die Shopping-Bude mit visionäreren Strategien wie „freies Parken“ gescheit nach vorne zu ficken.

Hab neulich gehört, dass man „nach vorne ficken“ heute so sagt. Also, ich weiß jetzt auch nicht. Ich glaube, man bumst bei derartigen Tätigkeiten zwangsweise irgendwann mit dem Kopf gegen eine Wand. Im schlimmsten Fall mehrmals und dann wird man doof oder bewusstlos.

Und so entblödet sich eben doch keiner, solchen Quatsch in den Stuttgarter Nachrichten von sich zu geben: „Nils Blömke, der neue Centermanager von der IHP, träumt von einem neuen City-Laufweg der Kunden, bei dem das Gerber Ausgangs- und Endpunkt ist. Doch dazu müsse die Stadt für ein besseres Wegleitsystem sorgen und das gesamte Gerberviertel bekannter werden.“

Denn auch wenn alle Wege nach Rom führen: Wer nach Stockholm oder Kaltental will, dem ist das egal.

Das Gerber ließ eigens eine Stadtbahnhaltestelle nach sich selbst benennen, verfügt über mehrere Stockwerke, ordentlich Fläche und steht oft genug einfach im Weg rum, wie gute Abwehrspieler in der Bundesliga – der Verdacht liegt also nahe, dass es von der Zielgruppe absichtlich nicht gesehen wird. So wie die anderen kollabierten Junkies am benachbarten Rotebühlplatz.

Nun soll Hannes Steim (Fluxus) Teile des Obergeschosses ein bisschen nach vorne …., nee, „hipper“ machen. Am Wochenende geht’s los. Es klingt ein bisschen als würde man im Edeka ein Buch von Sibylle Berg, „Unknown Pleasures“ von Joy Division, coole Turnschuhe, das „Diktatoren Quartett“ und „Brüste Memory“ ins Chips-Regal legen und dann laut „Premiumshopping!“ rufen.

Aber auch da: viel Glück mit dem neuen „Gerber Upstairs“. Runter kommen sie eh alle, da riecht’s dann nach Premium-Glutamat. Wie überall, wo Leute im Vorbeigehen bespaßt oder abkassiert werden sollen.

Der Edeka im Gerber hat mich in den letzten Wochen wiederum ziemlich enttäuscht. Einige Male bin ich da sogar absichtlich hingegangen. Experten wissen nämlich: es ist eine der wenigen Kassen der Stadt, an der man nie Schlange stehen muss. Doch selbst dieser Spaß ist mittlerweile vorbei:

Neulich ging eine Dame nochmals haarklein jede einzelne Position auf dem ungefähr 27 cm langen Kassenzettel durch. Sie wollte sicherstellen, dass 54,39 Euro ein angemessener Gegenwert für ihren Einkaufswagen darstellen. Die Oma vor mir rechnete vor lauter Langweile bereits ihren Einkauf im Kopf zusammen und der Kerl vor ihr informierte jemanden am Smartphone, dass er gerade zwar Zeit, aber echt total schlechten Empfang habe.

Einen Moment lang dachte ich: „Lieber nochmal zurück in die Gemüseabteilung, Zeit überbrücken“. Es fuhr leider kein Bus mehr. Ohne geht’s aber kaum, denn diese Edeka-Filiale ist ungefähr so groß wie die Schweiz – zu Fuß ist das allerhand, selbst mit guten Schuhen.

Auf der anderen Seite der Stadt – und das muss man auch erst mal schaffen – avancierte das Milaneo in weniger als einem Jahr zum innerstädtischen Top-Ärgernis – noch vor Stuttgart 21, zumindest wenn man einer Umfrage der Stadtverwaltung glauben schenken darf. Den Kunden scheint’s zu gefallen.

Keine Ahnung, ich war da noch nie drin. Nicht aufgrund meiner Bockigkeit, sondern weil ich von dort schlichtweg nix brauche und sich auch meine Neugierde in Grenzen hält. Einkaufszentren wickle ich ab wie Systemgastronomie, Linkin Park, Craft Beer oder Krieg. Wenn ich das will, mach‘ ich mit. Wenn nicht: dann nicht. Ganz einfach.

Kürzlich erzählte mir eine Frau, sie hätte mit ihrem Mann über dem Milaneo eine Wohnung bezogen. Sie meinte, das sei zwar unverhältnismäßig teuer, aber schon okay – außer, dass da mittlerweile auch vermehrt Ratten rumrennen würden. Als ich sie fragend und auch etwas vorwurfsvoll anschaute, sagte sie: „Nee, ich mein’ die Tiere“.

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(Voll urban in Cannstatt) 

Exklusiv im Bezahlbereich: Zum Jubi ein kleines KTV-Gerber Best-of, die meisten natürlich von unserem großartigen Gerber-Korrespondent Das Geiger.

Ooooh Beddo (Grundsteinlegung) 

Die große Kessel.TV Gerber Baustellenbesichtigung 

Sex mit einem Einkaufszentrum (inklusive dem legendärem Zweieurofuffzig-Büro Comment)

Gerber Preopening Twitter Recap 

Küken, Hase, Gerber 

Kerstin, wohin? 

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9 Comments

  1. says: Ken™

    Hab ich mich gestern schon gefragt! Hat sich aber keiner umgedreht, als ich „Ronny“ gerufen habe. Aber ich muss gestehen, dass (zumindest gefühlt) der kleine Laden im Verhältnis wohl am besten im Gerber gefüllt war. Und die Bedienung war wirklich auch sehr nett und freundlich!

  2. says: Herr Cut

    Entwickelt sich total schlecht der Fleck… gerade weil der Neukauf jetzt auch voll ist!
    Zumindest können die Jungs von „unter der Paulinenbrücke1“ jetzt ihren Sprit billiger kaufen als damals an der Tankstelle da unten. Und wenn`s gut läuft macht release noch nen Spritzenautomat irgendwo hin. Oder Frogge macht einen Sneakerstore aus dem Haus

  3. says: Bastei

    Der erste Stock ist ja jetzt richtig hip! Der Design-Supermarkt sieht chic aus, nur stellt sich mir die Frage, ob (viel mehr: wie stark!!!) dieses Projekt vom Gerber ’subventioniert‘ wird? Mein Bauchgefühl sagt mir, dass hier kaum die üblichen Gerber-Mieten aufgerufen werden können…

    Als wir bei unserem Edeka-Einkauf zufällig in die Festivitäten geraten sind, haben wir uns das Ereignis natürlich näher angeschaut. Besonders hat mich der Preis erheitert, den das Gerber erhalten hat. Und kaum waren meine Worte „Die haben die doch sicherlich einen neuen Preis erfunden, den jetzt ans Gerber vergeben können.“ verhallt, bestätigte Stefan Kaufmann meine ironischen Gedankengänge, indem er vom „erstmalig vergebenen Preis“ sprach.

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