Locker 33: Claudia Roth im Club Rocker 33 in Stuttgart

kessel_roth

So zerbröselt der Keks, ein echter Punkeralbtraum am Dienstagabend. Ich hatte die Wahl: Punkrock von Good Riddance oder Wahlkampf von Die Grünen. Hab’s vermasselt.

„Und die wie war’s bei Good Riddance im Keller Klub?“,
„Öh, ich war bei Claudia Roth und Cem Özdemir im 33?“
„Bist du besoffen?!“
„Nee, leider nicht.“

Aber das Plakat klang einfach zu verlockend: „DJ Claudia Roth“ stand da drauf. Warum auch nicht? Es gibt  schließlich viele Leute, die eigentlich etwas anderes tun sollten, aber dennoch Platten in Clubs auflegen. Da kommt’s auf eine mehr auch nicht mehr an. Ein bisschen enttäuscht war ich, dass sie mit dem Laptop auflegte. Ich hatte auch gehofft, dass sie wenigstens ein DJ-Shirt tragen würde „A DJ is not a Jukebox“, „Stax Records“, „Fetten, Bass…?!“ oder wenigstens „Sumsen ist Buper“ oder etwas in der Art. Fehlanzeige. Aber zumindest kam die Bundesvorsitzende von Bündnis 90/ Die Grünen wie ein echter Headliner erst gegen 23 Uhr und auch noch durch die Hintertür.

Ihr Sozius Cem Özdemir swaggte locker durch den Vordereingang, der Türsteher hatte nix zu beanstanden und ein paar Minuten später saß der Ceminator auch schon auf der Bühne, trank Bier aus der Flasche und diskutierte mit Bundestagsabgeordnete Biggi Bender, Vertretern der jungen Grünen und zwei eigens angereisten Spaniern über Europa – eigentlich wurde nicht diskutiert, sondern geredet. Wenn alle einer Meinung sind, ist reden immer leichter als diskutieren.

Die Choreografie war allerdings super: Der Moment in dem Politiker gerne einen Satz beenden, dann innehalten und auf lautes Klatschen aus dem Auditorium hoffen – es passierte nix. Ob’s daran lag, dass 26% Arbeitslosigkeit in Spanien noch immer kein Grund für Applaus sind – keine Ahnung. Eventuell lag’s auch daran, dass sich die vorwiegend sehr jungen Gäste seit Stunden die Füße in den Bauch standen, sich die Headliner aber halt erst zur Primetime zu ihnen gesellten.

Ich sag‘ ja immer, wer den Support nicht ehrt, ist die Primetime nicht wert. Hits batschen kann ja jeder Einzeller, die Crowd aber in the mood schaukeln, das ist eine Aufgabe für echte Kenner. Der Özdemir macht mir trotzdem etwas Angst, auch weil er sich in Rekordzeit an jeden Raum anpasst, kaum mehr auffällt und den Anschein erweckt, er wäre schon immer da gewesen. Ich befürchte, er könnte ein Ninja sein.

Ab und an zerplatzen im Raum lautstark grüne Werbe-Luftballons und irgendjemand ruft „Ohgott, Attentat!“ und lacht dann, wie man nach solchen Sprüchen eben lacht. Die Warterei kann einen aber auch mürbe machen, beziehungsweise auf doofe Ideen bringen: Ich habe mir zum Beispiel überlegt, wieviele Päckchen ich von der grünen Werbe-Ahoi-Brause in meinen Mund schütten könnte, bevor ich lachen müsste oder mir der Schaum aus den Ohren kommt. Oder wie witzig es wäre, wenn DJ Claudia menschenverachtenden Black Metal aus Norwegen auflegen würde … oder hihilorofl was von end of green.

DJ Claudia holte die Kastanien aber fachmännisch aus dem Feuer. Es ginge schließlich auch um Europa bei der Wahl, sagte sie. Und deswegen beginne sie ihr Set mit einer Band aus dem Ausland: „Bayern! La Brass Banda!“. Und alle so: hihi, Arme hoch, „yeah!“ und ab dafür. Ich auch. Nur halt in die andere Richtung. Nach Hause.

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Und dann noch das: 11. September, Jahrestag der Katastrophe, das globale Trauma, die Katastrophe, der Tag, der alles veränderte … und Sahra Wagenknecht steht um 16 Uhr auf dem Schlossplatz. Ich denke, das kann man locker als „Konzeptkunst“ durchwinken. Ich habe ihr sogar eine Weile zugehört und ein Brillenputz- beziehungsweise Handydisplayputztuch (rot) abgestaubt. Auf der Bühne redete Sahra Wagenknecht wie ein echter Kumpel, der Özdemir wäre wahrscheinlich neidisch gewesen.

Ich frage mich trotzdem immer wieder, was zum Teufel mit dem „h“ in ihrem Vornamen schief lief. Neulich habe ich mich auch gefragt, wie sie wohl in roter Unterwäsche aussieht. Kann passieren, wenn man nach 22.30 Uhr von, äh, Arte zur ARD rüberzappt. Mein Psychoanalytiker meinte, es wäre ein Zeichen dafür, dass ich dem Wahlkampf nicht mit dem nötigen Ernst begegnen würde. „Ich schon, sagen Sie das mal bitte der Roth und dem Özdemir!“, baffte ich zurück.

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