Über Turnen

(Kasten II mit Sigourney Weaver coming soon in your Lichtspielhaus) 

Großer Turner-Tag gestern (und heute). Erst der Turner mit seiner Brezel, dann die Turner mit zweimal Silber, eine davon mit freundlicher Unterstützung vom Olympiastützpunkt Stuttgart. Schuster hat schon gratuliert. Ah nee, das war schon neulich, bei der ersten Silber für Marcel Nguyen. Gestern nomal eine. Und eine für Fabian. Der will jetzt das Turnen reduzieren und studieren gehen. Eine liebe Freundin hat er auch, stand alles im ZEITmagazin.

Geile Typen diese Turner. Steht völlig außer Frage. Super Leistung. Steht ebenfalls völlig außer Frage. Turnen ist toll. Aus persönlichen Gründen beeindrucken mich zwar 2:05h im Marathon wesentlich mehr, aber was ein Turner alles unter eine Strumpfhose bringen muss, abartig, Wahnsinn, Kraft, Körperbeherrschung, Timing.

Manchmal bleibste an der Glotze hängen und begreifst es nicht einfach wie da die Körper fliegen. Wenn es den jetzt legt, denkste dir, am Barren, aufm Bock, am Reck, dann auweia und gut Nacht um Sechse. Turnen ist ehrlich total super. Solange ich nicht selber turnen muss(te).

Die Tage, eigentlich immer bei Olympia, erinnere ich mich an das Grauen schlechthin: Turnen im Schulsport. Spätestens im November kam der Lehrer: So Kinder, jetzt wird wieder geturnt. Unsere Stimmungskurve war so schnell unten wie heutzutage bei den ersten Gästen im noch leeren Club und zu ihrer völligen Überraschung kommt JETZT nicht „Niggas in Paris“ oder auch nicht „Gold Ficker“ (erst neulich akustisch falsch verstanden, was willste, Gold Ficker? Gnhiihihi).

Da standen wir also, in einer dieser Mehrzweck-Hallen, mit den vielen bunten Linien auf dem Boden, eine fürs Fußball, eine für Volleyball, die andere für Basketball und da noch eine für Handball, zogen Fresse und leider auch die Matten und Foltergeräte aus den Garagen. Das waren bittere Momente. Du wusstest genau: Aus deiner Zwei wird jetzt doch wieder eine Drei.

Schulsport an sich war ansonsten immer voll okay. War wirklich engagiert und sehr verschwitzt bei der Sache, egal ob Leichtathletik oder Ballspiele. Hat alles gepasst. Ich musste selten ins Tor und in Basketball war ich in der Oberstufe sogar ziemlich gut, was mir leider heutzutage keiner glaub. Nur ich weiß das. Die anderen denken halt, ich lüg sie an. Jaja, der Martin und sein Mythos vom Basketball.

Nur Turnen, Turnen war die Katastrophe. Ein persönliches Dilemma. Ich konnte es einfach nicht. Lag einzig allein daran, dass ich Schiss hatte. Unendlich Schiss. Vor den Geräten. Vor Überschlägen. Ganz schwierig war es, wenn der Kopf runter sollte und die Beine hoch und dann einmal rum. Wenn sich nicht die Welt dreht, sondern du dich drehen musst. An den Ringen oder am Reck.

Ich konnte ehrlich gesagt nicht mal eine gescheite Rolle rückwärts auf dem Boden. Ich kann auch heute noch keine gescheite Rolle Rückwärts am Boden, hab es aber ehrlich gesagt nach der 10. nie wieder ausprobiert. Warum sollte ich das auch tun? In den letzten drei Jahren gab es zum Glück kein Turnen mehr. War zumindest bei mir so.

Nur eines konnte ich ganz gut, eigentlich sogar ziemlich perfekt und vollendet: Eine Grätsche über einen Kasten wie oben im Bild. Also darauf zu rennen, die Absprungfeder (wie hieß das Ding noch gleich?) richtig treffen, Arme nach vorne, aufs Leder stützen, gleichzeitig Beine auseinander und drüber fliegen, sicher im Stand, Note 10. Das war Fun pur und auch Spass.

Dumm nur, dass ich eines Tages mit voller Geschwindigkeit den Absprung verpasst habe und meine Eier schwungvoll das Holz küssten. Seitdem hatte sich das nicht nur mit meinen Eiern erledigt, sondern auch mit dem Premiummove am Kasten.

Wie auch das allgemein mit dem Turnen. Irgendwann in der 9. oder 10. hab ich zum Lehrer gesagt, nee du, ich hock mich hier hin. Schreibste ne Sechs rein bei der Übung. Ich mach das nicht mehr. Ach komm. Nee, schreib ne Sechs rein. Ich warte bis Frühjahr. Fußball, Hockey, Handball, Volleyball, dann kannste mich wieder einsetzen.

Gestern dachte ich eigentlich, ich kann Thorsten noch hier mit einbauen, so als Feature-Gast, wie Mary J. bei Jay-Z oder Nas bei Bumpy Knuckles, dann darf ich vielleicht auch mal bei ihm. Bekommt einen Absatz und erzählt von denselben Qualen. Bin davon ausgegangen, dass er genauso eine Doppelturnnull war wie ich. So kann man sich täuschen: „Alter, in Geräteturnen hätt ich mal fast ne Ehrenurkunde geschafft! Aber leider nur fast :-).“

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9 Comments

  1. Lieblings-Disziplin: Den Medizinball (das beknacktste aller Sportgeräte! Wozu war der gut? Außer schwer???), den jedenfalls von den Knaben zu den Mädchen rüberkegeln. Und es dann nicht gewesen sein.

    Ich kann bis heute ein astreines Rad. Mach ich bei der Lesung 2013, oder gleich aufm Rotebühlplatzdach, mal sehen.

  2. says: Martin Sp.

    Zwei? Drei? Ich habe Turnen (bzw. Sport wie das Fach nach der Grundschule hieß) gehasst. Aber voll. Ich war derjenige, der beim Mannschaft wählen als vorletzter gewählt wurde (der letzte war kleiner). Volleyball hat mir immer die Vier gerettet (da kann man wenigstens stehen bleiben, und mein Aufschlag war gut). Das Bewegung aka Rad fahren auch Spaß machen kann habe ich erst Jahre nach der Schulzeit erfahren.

    Was ich damit eigentlich sagen will (muss ja die Kurve kriegen): danke daß du mir den Alptraum meiner Jugend wieder in Erinnerung gebracht hast. Nicht! *grmpf*

  3. says: Kumfi

    Bei uns haben das in der Oberstufe immer gut 60% (echt jetzt) komplett verweigert und blieben auf der Bank hocken. Und das war, bevor’s Smartphones gab.

  4. says: Thorsten W.

    Bei mir war’s umgekehrt, ich hatte noch nie ein Talent für Ballsportarten, auch nicht für Basketball, auch wenn mir das noch am meisten Spaß gemacht hat. Und Leichtathletik im Sommer fand ich auch immer Scheiße. Aber Geräteturnen war wie gesagt mein Ding, vielleicht auch weil ich das mit dem keinen Schiss haben ganz gut drauf hatte – als Kind. Ich bin auch in der letzten Stunde vom Schwimmkurs vom 5-Meter-Turm gehopst, das hab ich mich später dann auch nicht mehr getraut.

  5. says: Jochen

    Turnen fand ich eig. auch immer ganz cool. Schlimmer fand ich (später dann in der Oberstufe) diesen jährlichen Cooper-Test. 😀

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