Still not dead yet Tour: Phil Collins im Neckarstadion

Anfang Mai meinte Kumpel Hilmatic, wir hatten es über Altrockpopstars (2. Juli, Mark Knopfler in der Schleyerhalle, absolute Ehrensache!!!!!1!!1!), sinngemäß: „Weisch, irgendwann sind die alle weg. Dann ist keiner mehr da!“

Mit „die alle“ waren all diejenigen noch Lebenden gemeint, die ab den 1970er, 80er bis hinein die 90er Jahre einen SWR1-Tune nach dem anderen komponiert, geschrieben und gepumpt haben, dieses Melodien-für-Millionen-Ding, dieses gehasst-wie-geliebt-Ding, und jedes neue Album hat sich mindestens zweistellig millionenfach verkauft hat. Also „die alle“ halt. Die mit dem Hit-Ohr. Die mit dem berühmten fünften Ton im Blut. Ein paar von denen sind ja schon (längst) tot. Gott habe sie selig.

Wenn dann also um circa 20:40 Uhr unter einem breitwandigen Jubelrausch Phil Collins mit Gehstock auf die Bühne humpelt (Nachwirkungen einer Rücken-OP, sein rechter Fuß ist gelähmt), einer aus dieser „die alle“-Familie, ist das tatsächlich der erste wundervoll emotionale, tiefergreifende Moment des Konzerts. Guten Abend Stuttgart, vielen Dank, er müsse leider sitzen, sorry, but let’s have some fun tonight. Fun ist ja eh schon der selbstironische Tourname: „Still not dead yet“.

So bist du wahrscheinlich, wenn du 250 Millionen Platten verkauft hast, jahrzehntelang prähistorische Shitstorms auf prähistorischen Kanälen (Rezensionen, Konzertverrisse, Mouth-to-Mouth etc.) ertragen musstest (privat war sowieso auch immer viel los, lesenswertes ZEIT-Interview von 2015), sich zwischenzeitlich die Stürme gelegt haben und alle (oder viele) ihren Frieden mit dir gemacht haben. Sind ja auch schon 25 bis 40 Jahre her, diese Kulturkämpfe. (HipHopVinyl hatte vor nicht allzu langer Zeit alle Alben neu remastered angeboten, sündhaft cool und sündhaft teuer natürlich.)

Ein aktuelles Album gibt es nicht, das letzte datiert von 2010 („Going Back“), man geht einfach so auf Tour (wie erst 2017 die „Not dead yet“ Tour). Wenn du mit „Against all Odds“ und dem Harmonie-Arrangement-Killer „Another Day in Paradise“ (nächste Emotions, Mamas absoluter Lieblingssong damals bei Release) starten kannst – brauchste keine neue Platte.

Es folgt eine komprimierte, zweistündige Show, in der die berühmte 12-Minuten-Maxi-Version von „In the Air Tonight“ auf Radio-Format gekürzt wurde (was höchstwahrscheinlich eine äußerst sinnvolle Idee ist). Selbst bei seinem Key-Track, mit dem vielleicht weltbekanntesten Schlagzeugsolo der Welt, greift er nicht mehr zu den Sticks, sein 18jähriger Sohn Nicholas sitzt die ganze Nacht auf seinem ehemaligen Arbeitsplatz, die Nerven (nicht die Stuttgarter Band), seit Jahren schon.

Am Ende der Drum-Einlage in der Mitte der Show trommelt er dann doch kurz händisch mit. Brutal. Also die Drum-Show. Er sowieso. Also einfach alles. Stadionpoprock-Konzert for love.

„It’s a good baaaaaand, ey?“ Großer Jubel. Natürlich ist das eine gute Band, die spielen ja auch schon zwei bis 28 Jahrzehnte lang zusammen, wie er in der ausführlichen Einzelvorstellung erklärt, sein Sohn kommt in der Runde ganz am Schluss an die Reihe, größter Jubel freilich.

Auch immer wieder geil bei solchen Konzerten: Die Bläser-Sektion, die genau die Tanz-Bewegungen macht, die Bläser-Sektionen immer machen, also Oberkörper rauf, runter, ein Schritt vor, ein Schritt zurück, Instrumente bitte in Formation synchron nach links und rechts schwenken, großartig.

GÄNSEHAUT nonstop beim leisen Duett nur mit seinem Sohn und danach, eingeläutet von „In The Air Tonight“, das große Finale: „Can’t hurry love“, „Dance into the light“, „Invisible Touch“ mit einen alten Genesis-Kumpels, (Mike & The Mechanics bestritten das (schon gut gefeierte) Vorprogramm), „Easy Lover“ und „Sussido“, also all die Songs, für die heute noch immer die Money in seinen Sparstrumpf klickert, weil alle SWR1-Sender dieser Erde die täglich schmettern. Was geht bei Phil Collins eigentlich so Spotify-mässig? Ah ja, geht.

Eine Zugabe, „Take Me Home“, er sitzt und dirigiert, alle singen mit, sein Sohn nimmt ihn in den Arm, das ist schon eine Feelings-Schelle nach der andern, ersma sitzen bleiben und eine rauchen, wow. Danke Arnulf und hi U11.

Die Hinfahrt war schon extrem gut. Kleiner Auszug:
„Warsch du bei Simply Red dabei?“
„Des isch so subbr wie viele Züge hier stehet nachm Konzert, des machet se echt guat, muss ma saga“
„Bei de Stones simmer bissle früher ganga und ratz fatz waret mr raus aus der Schdatt und hinter uns isch der Verkehr zammabrocha“

Echte Pros. Wer aber bei Phil Collins früher gegangen ist, den soll der heilige Drumstick treffen. Der Verkehr aufm Parkplatz ist trotzdem zusammengebrochen. U11 war entspannt. Glaub waren alle ziemlich geflasht. Danke Phil, gerne wieder. Solange du noch da bist. Weil irgendwann sind ja die alle weg.

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4 Comments

  1. says: Dee Kay

    War auch da. Aus dem selben Grund wie ihr: Weil irgendwann sind ja die alle weg.
    Fand’s auch echt cool und hat sich auf jeden Fall gelohnt.

  2. says: martin

    Eric Clapton kommt 2020

    „Nach zwei phänomenalen, umjubelten Deutschland-Konzerten dieses Jahr, kündigt ERIC CLAPTON drei neue Shows hierzulande an. Am 02 Juni ist der Künstler in der Schleyer-Halle in Stuttgart live zu sehen.“

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