Schauspielhaus eröffnet die Probegrube im Schlossgarten

Am Donnerstagabend wurde die Probegrube eröffnet, eine begehbare Installation des Künstlers Tobias Rehberger. Bis zum 4. Juli kann man sich die aufgeständerte Baugrube vor dem Schauspielhaus anschauen, Eintritt frei. Unser Gastautor Dirk Baranek war bei der Eröffnung und hat sich das Stuttgarter Kunstprojekt des Jahres angeschaut. Btw: Astreine Insta-Location!

Vier Meter über der Grasnarbe des Schlossgartens steht Tobias Rehberger in seiner Skulptur, lässig an das Geländer gelehnt und erklärt sich: „Eigentlich wollten wir hier ein Loch graben, aber das ging nicht. Also haben wir die Grube auf den Sockel gehoben, damit sie im Weg steht.“

Die Zigarette in der Hand, grüne Nike-Sneaker, metallisch glänzender, abgewetzter Blouson – souveräner Typ, der in Esslingen geborene Rehberger, inzwischen bildender Künstler von Weltformat. Kunstprofessor, Konzeptioner, Bildhauer, Installationsentwerfer. Der Ex-Direktor der Staatsgalerie nennt ihn „Dombaumeister“.

Hingestellt hat Rehberger vor das Schauspielhaus eine Art 3D-Architekturmodell, eine freie Interpretation dessen, was mal auf dem freigeräumten Gleisgelände von S21 stehen soll. Rosenstein. Drei Meter tief, auf etwa 300 qm Fläche sind Stadtklüfte zu sehen, Häuser, Plätze, aufgemalte Infrastruktur.

Stufen führen hinab, alles mit Geländern vor dem Absturz geschützt. Funktional ist das nicht, die Unmengen Geländer sichern teils Ecken und Flächen, die gar nicht zugänglich sind. Tote Winkel mit Sicherheitsstrukturen. Natürlich komplett vom TÜV geprüft und abgenommen, alle Vorschriften eingehalten, Verbotsschild am Eingang inklusicve.

OB Kuhn wird es in seinem Grußwort später „Genehmigungskunstwerk“ nennen. Es sei „sehrsehr“ kompliziert gewesen, aber alle hätten sich „sehr sehr“ angestrengt.

Verwirrend bunt ist dieser Ort, die Sinne tanzen durch den Raum. „Es erinnert an das Labyrinth einer Favela“, meint Rehberger. „Ich bin gespannt, was hier alles passieren wird. Gitarrenkonzert, Heiratsantrag, ich weiß es nicht. Vielleicht steigen die Leute über die Geländer oder sie lassen es. So wie man über eine rote Ampel geht oder es lässt. Mir ist die Möglichkeit der Andersartigkeit wichtig. Illegale Clubs sind ja auch interessanter als legale.“ Übrigens: Das Überqueren der Geländer ist natürlich verboten.

Rehberger bohrt Löcher in die Stadt. Räume schaffen, die nicht durchgeplant sind, wo ungekanntes entstehen kann. „All die durchgeplanten Stadtviertel aus den 70ern, die inzwischen heruntergekommen sind, mit dem folgenden Leerstand, da passiert dann das Unterwartbare.“

So einen Raum hat er jetzt auf einem Baugerüst in die Stadt geständert und sozusagen den Bürgern zur Nutzung übergeben. Es lohnt sich allemal, die 22 Stufen zu erklimmen und in dieses Wirrwar zu schauen, einmal drumherum zu laufen, hineinzusteigen, wo es geht und wo es nicht geht. Das Denken schweift ab, lässt sich inspirieren, kommt auf dumme Gedanken.

Ein astreines Stück Skupltur hat Rehberger da in zwei Jahren Arbeit, Planung und Behördenstress hingezaubert. Natürlich dreht sich alles um den städtebaulichen Katzenjammer, den diese Stadt so heftig umtreibt. S21, Oper, Kunstmeile – all die Baugruben, in die man Häuser packt, Räume schafft, in denen Menschen noch in 100 Jahren leben sollen.

Diese Projekte haben die Stadt zerstritten, gespalten, emotional belastet. Rehberger bietet keine Lösung, aber einen Freiraum, wenn auch ein schwieriger: „Meine Arbeit soll die Diskussion verkomplizieren.“ Er zweifelt, ob man alles funktional ordnen kann in einer Stadt. So funktioniert das nicht mit den Menschen, da muss Platz sein für Dynamik. 

Davon hat diese Stadt zu wenig. Hier könnte es stattfinden. Stuttgart in ganz lässig, bunt und mit uneindeutiger, verwirrender Zukunft. Ungewohnt, aber notwendig. Macht was draus.

Offen ist die Grube, in der Stadt ausprobiert werden soll, bis zum 4. Juli, 10 bis 20 Uhr. Entritt frei.

Leave a comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert