RIP, VIP und Eichhörnchen

Der klassische „Mimimi, wir wollen auch Metropole sein“-Einstieg für diesen Text wäre: Paris hat den Père Lachaise, Wien den Zentralfriedhof und was hat Stuttgart? Wir müssen dringend einen neuen Friedhof bauen!

Müssen wir aber nicht. Denn auch in Stuttgart sterben schon lange und regelmäßig Menschen, man muss nur wissen, wo man nach ihrer letzten Ruhe schauen muss. Gerade jetzt im Herbst, wegen bunten Blättern, Halloween und so (womit der zweite angemessene Text-Opener auch touchiert wäre).

Falls euch mal nicht nur nach Spazierengehen im Park ist, hier ein paar Vorschläge, wo ihr hin gehen könnt.

Waldfriedhof und Dornhaldenfriedhof
Zu diesen beiden Friedhöfen geht’s ab Talstation in Kaltental mit der Seilbahn hoch. Fahrschein für den „Erbschleicher-Express“ gibt es zum regulären Zone1-VVS-Tarif. Schön langsam zottelt der kleine Holzwagen den Berg hoch. Das bietet ausreichend Zeit, den Fahrer zu grüßen (immer den Fahrer grüßen!) und wenn tatsächlich Witwen oder Witwer anwesend sind, ein kleines Schwätzchen zu machen. Und natürlich very instagrammable Fotos!

Von der Bergstation sind es dann nur noch ein paar Meter bis zur Feierhalle des Waldfriedhofs und dem tatsächlich sehr waldigen Friedhofsgelände. Der VIP-Anteil auf dem Waldfriedhof ist hoch: Robert Bosch, der erste Deutsche Bundespräsident Theodor Heuss und auch der wunderbare Punk „Schmutz“, der im Sommer  2019 überraschend verstorben ist, liegen hier begraben.

Der Dornhaldenfriedhof liegt oberhalb dem Waldfriedhof und ist von dort aus gut ausgeschildert. Von der Fahrbahnbreite hätte der Dornhaldenfriedhof das Zeug ein richtiger Autofriedhof zu sein. Wie der Forrest Lawn Memorial Park in L.A. wo Michael Jackson und Lemmy Kilmister ihre letzte Ruhe haben (oder auch nicht). Natürlich darf man in Stuttgart NICHT mit dem Auto ans Grab, aber sollte es je sehr eng mit den Stadtfinanzen werden, hier ginge es. Vorne ein Kässle hinstellen und dann ein paar Mal ums Karré wie auf der Theo, nur trauriger.

Der Dornhaldenfriedhof ist wahrscheinlich der mit der aufgewühltesten neuen Geschichte unter den Stuttgarter Friedhöfen. Am 27. Oktober 1977 wurden die Mitglieder der RAF Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe hier beigesetzt, weil Oberbürgermeister Rommel es so wollte. Die Mehrheit der Bundesrepublik, der Stuttgarter und seiner eigenen Parteifreunde von C of D U eher (gar) nicht. Eines der berühmtesten Rommel-Zitate dazu: „Mit dem Tod muss alle Feindschaft enden.“ Die drei sind bis heute im Gräberfeld 92 beerdigt und es bringt immer mal wieder jemand Blumen oder Kerzen.

In Sichtweite: Das Garnissonsschützenhaus, zu dem auch die Wälle der Schießbahn gehörten, die auf Gelände zu erkennen sind.

Der Pragfriedhof
Auf dem Pragfriedhof in Stuttgart-Nord zwischen Friedhofstraße und Wagenhallenareal gelegen, ist vor allem das massive Jugendstil-Krematorium beeindruckend. Unter den Arkaden befindet sich auch ein großes Kolumbarium, in dem Urnen aufbewahrt werden – jedes Fach mit einer kleinen Tafel verschlossen, oft mit Blumen oder kleinen Andenken dekoriert. Das Gegenstück dazu sind die opulenten Mausoleen in den Gräberfeldern in der Nähe der russisch-orthodoxen Kirche.

Promis, deren Gräber auf dem Pragfriedhof auch ausgeschildert sind: Eduard Mörike und Ferdinand von Zeppelin und noch viele anderen Namensgebern von Straßen und Plätzen in der ganzen Stadt.

Der Hoppenlaufriedhof
In Stuttgart-Mitte, zwischen Liederhalle und Max-Kade-Hochhaus eingeklemmt, ist der Hoppenlaufriedhof der mystischste unter den Stuttgarter Friedhöfen. Wacklige Steine, kaum zu entziffernde Inschriften. Es lässt sich aber noch deutlich erkennen, was so Grab-Mode war vor und nach 1800. Der Friedhof wurde für die Bundesgartenschau in den 60ern umgestaltet und ein offizieller Park, auf dem niemand mehr bestattet wird.

Der Fangelsbachfriedhof
Unweit vom Marienplatz liegt in Stuttgart-Süd im Heusteigviertel der Fangelsbachfriedhof. Er ist das kleinste Areal auf dieser unvollständigen Liste, hat dafür aber die maximale Eichhörnchendichte. Die Tierchen sind hier extrem zutraulich. Füttern aber vermutlich verboten? Auf dem Weg ins Herbert’z an ein paar Engelstatuen vorbei schlendern, hier geht das.

Friedhöfe sind Orte, an denen Menschen traurig sind. Show some respect und im Zweifelsfall eben ein andermal wiederkommen, wenn man nur zum Gucken da ist.

Die Stuttgarter Friedhöfe sind im Oktober abends bis 19:00 Uhr, im November bis 17:00 Uhr geöffnet.

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