Reiner Weltfußballer: Alles Gute, Lothar Matthäus

Mein Lieblingslothar war Busfahrer. Tourbusfahrer. Das sind harte Hunde. Denn wer die ganze Zeit bescheuerte Bands im Nightliner durch die Republik fährt, muss ein abgebrühter Motherfucker sein. Lothar war das: Mitte 50, aus Thüringen, und wenn er einen anschaute, wusste man nie, ob er einen überhaupt anschaute. Seinen Hund haben wir leider nie kennengelernt. Aber Lothar erzählte oft von seinem Jack Russell-Terrier, der Rambo hieß.

Manchmal klemmte Lothar einen Schraubenzieher ans Gaspedal, um die Funktionalität anderer Teile des Busses zu gewährleisten. Das steht ganz oben auf der Liste der Dinge, die man als Band im Normalfall lieber nicht wissen will – besonders, wenn man eben in diesem Bus zwei Wochen lang in einer Schlafkoje nächtigen soll.

In schöner Regelmäßigkeit sind wir Nachts aufgewacht, weil Lothar gerade die Autobahn anbrüllte: „Verdammischdoohh!“, ab und an hörten wir auch „Woohhaaaa!“, „Leggmischamarschdudommesau!“, „Kommdochherduarschloch!“ oder „Huch!“. Kurz: Riesenspaß zuzüglich Lebensgefahr rund um die Uhr.

Vielleicht ist das auch einer der Gründe, weshalb Bands auf Tour unverhältnismäßig viel saufen. Mit regelmäßigem Sekundenschlaf, Wutausbrüchen und den restlichen Launen eines Lothars geht man ab 2,5 Promille einfach souveräner um.

Manchmal überraschte er auch durch waghalsige Bremsmannöver. Einmal schüttete ich deshalb einen Becher Buttermilch über mich. Es war ein großer Wendepunkt in unserer Freundschaft. Er nannte mich von da nicht mehr „Könnisch Drosselbart“, sondern „der Vollgewichste“. Das war sehr nett.

Mein Zweitlieblingslothar heißt Lothar Matthäus. Ganz anderes Kaliber, der Typ. Er ist eine derart große Nummer, dass sie wegen ihm sogar Facebook erfunden haben. So können wir endlich alle von uns in der dritten Person reden. Einem Lothar Matthäus gefällt das. Das schafft etwas wohlverdiente Distanz zu sich selbst und ist besonders dienlich, wenn man ein Genie, Gott oder so was in der Art ist.

Erst gestern musste ich an Lothar Matthäus denken: Im stinkelangweiligen Tatort ging es um eigentlich alles außer Gaddafi und Atomkraft: Macht, Profit, Hooligans und um schwule Fußballer. Hab sofort gegoogelt, ob’s schon ein Statement von Lothar dazu gibt. „Ich bin nicht schwul!!!“ oder so. Denn wenn irgendwo in der Welt etwas passiert, dann gibt’s  mit 90% Sicherheit einen ungefragten Kommentar des Rekordnationalspielers dazu.

Ich denke, er hat eine Fax-Vorlage, in der steht  „Mit mir hat noch keiner geredet. Da ich gerade vertraglich an _______________  gebunden bin, steht dies auch nicht zur Debatte. Ich könnte mir aber durchaus vorstellen, in der Bundesliga zu arbeiten. ______________ ist ein reizvoller Verein mit langer Tradition.“

Lothar ist legendenmäßig aber auch allgegenwärtig. Jedes Mal, wenn irgendwo ein Trainer entlassen wird, schwebt Matthäus wie das Damoklesschwert über der jeweiligen Stadt. „….im Gespräch sind u.a. Matthäus, Jürgen Kohler und Mario Basler.“ Nur beim FC Bayern in absehbarer Zeit nicht. Uli Hoeneß sagte einst: „So lange ich und der Kalle Rummenigge etwas zu sagen haben, wird der nicht mal Greenkeeper im neuen Stadion.“

Neulich erst zitterte die andere Hälfte Münchens. Es wurde berichtet, dass er beim Rivalen 1860 München im Gespräch sei, weil ein anonymer Sponsor sein Engagement davon abhängig machen würde, ob Matthäus als Trainer eingesetzt würde. „Boh, und ich dachte wir beim VfB hätten Probleme“, sagte mein Lieblingsmitbewohner JensOmatsen.

Ach, machen wir’s kurz: Alles Gute zum Geburtstag, lieber Lothar Matthäus. 50 Jahre großer Fußball, Kleinkunst, Comedy, Aufklärungsunterrricht für Abiturientinnen und Fettnäpfe. Danke für alles.

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10 Comments

  1. says: martin

    „Er ist eine derart große Nummer, dass sie wegen ihm sogar Facebook erfunden haben. So können wir endlich alle von uns in der dritten Person reden.“

    hahahaha! 😀

  2. says: Jana

    jaja, der Loddar hat’s nicht leicht. Da kann man nur hoffen, dass er sich an seinen eigenen Rat hält: nur nicht den Sand in den Kopf stecken.

  3. says: Philthy

    Fast schon Chuck Norris’ish: “Ein Lothar Matthäus lässt sich nicht von seinem Körper besiegen, ein Lothar Matthäus entscheidet selbst über sein Schicksal.”

    Happy Birthday Loddar!

  4. says: vanDamme

    Nice, eines der seltenen Bilder, auf denen noch seine echten Zähne zu sehen sind – wenn auch schon mit starkem Zahnfleischrückgang! ich bleib dabei, Loddi hat die schönsten Dritten der Republik!

  5. says: jaytext

    was für ein montag! erst geiger, dann setzer und dazu sonnenschein (plus neuer tüv an der vespa). ob der dienstag das toppen kann?

  6. says: jürgen habermas

    dieser setzer schreibt wirklich toll und ich tummle mich täglich vor 2 billy regalen voller von mir gelesener buchrücken und ich überflieg auch die prospekte auf meiner treppe und jungens, isch sag euch, so grazil wie er bewegen sich nur wenige auf diesem schmalen grad. ein ockernes hemd mit aufnähern muss her und er soll eine gradfinder gruppe für die ganzen blonden narzisstischen zumutungen mit ihren mit herzen verzierten lomobilderauflistungsseiten gründen. nur so ein vorschlag, den mir herr habermas zu eben diktierte.

    herzlichst

    gabriele jung

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