Mit den Stuttgarter Kickers nach Hamburg und Kiel

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Letzte Woche von Elbe groß aber falsch angekündigt, muss ich das jetzt mal richtig stellen: In seine Aussage „Geiger fliegt heute nach Kiel zum Kickers Auswärtsspiel. Echter Fan“ haben sich mehrere Fehler eingeschlichen.

Das fängt schon damit an, dass man eigentlich gar nicht nach Kiel fliegen kann. Man muss erstmal in Hamburg landen und dann nochmal fragen. Die Aussage suggeriert außerdem, dass ich extra für ein Auswärtsspiel der Stuttgarter Kickers nach Kiel gereist bin. Das ist falsch. Ich bin ein Fan. Aber kein Idiot.

Genau genommen hab ich das Spiel gar nicht gesehen. Mir war’s schlichtweg zu kalt. Als die Maschine losflog, hatte es in Stuttgart kuschelige 4 Grad plus, als wir unsere Reiseflughöhe erreicht hatten, waren es irgendwas um die minus 40 Grad und als wir in Hamburg landeten auch.

Ich mag kein Fußball mit Rasenheizung. Und ich bin relativ sicher, dass Holstein Kiel nicht mal eine hat. Kickersgucken ist ohnehin kein Zuckerschlecken. Immer ist irgendwas zu. Zu schlecht. Zu unüberlegt. Zu dumm. Zu wenig Gegenwehr. Zu wenig Torchancen. Zu Null verloren. Zuhause! Ich persönlich muss diese Liste nicht um „viel zu kalt“ ergänzen.

Da bin ich Schönwetterfan. Wobei Schönwetter zwischen minus 10 und plus 39 Grad ist. Alles andere ist Arktis oder Qatar.

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Symbolhaft bin ich am Flughafen Stuttgart erstmal in eine Gruppe Kickers-Fans gelaufen. Man erkennt sich. Am gebückten Gang vom vielen Auf-den-Sack-kriegen. Und am blau-weißen Schal, den die armen Teufel in der Sicherheitskontrolle auf’s Band legen mussten. Was bitteschön soll darin versteckt sein? Ein Fünkchen Hoffnung?

Danach erstmal großes Hallo in der Raucherlounge. Und ein Wiedersehen im Duty-Free-Shop. Eindecken mit Toblerone, Stange Camel ohne und Coolwater. Traditionell hol ich mir dann an einem unbesetzten Gate noch eine Stuttgarter Zeitung. Der alte Trick: Germanwings fliegen. Aber Lufthansa beklauen.

Boarding completed. Als die Tragflächen endlich enteist sind, knarzt in der Flugzeugdecke ein Lautsprecher: „Good Morning Ladies and Gentleman. This is your Captain speaking…“

Das wäre doch  jetzt ein guter Zeitpunkt für erste Fangesänge: „Porno Enzo“. Danke mein Kapitän, dass du uns zum Klassenerhalt führst – und uns auch sicher nach Hamburg-Fulsbüttel fliegst.

Der Sänger von Iron Maiden Bruce Dickinson hat ja schließlich auch eine Doppelrolle als Iron Maiden Sänger Bruce Dickinson und als Pilot, der seine Band von Gig zu Gig gondelt. Aber in Wahrheit sind Kapitän Steinmetz (germanwings) und Kapitän Marchese (10) natürlich zweierlei.

Neben mir in Reihe 15 d, Gangplatz, sitzt ein Markus Babbel Look-a-like und schmökert im Kicker. Wer erstligalastige Literatur liest, fliegt sicher nicht zu einer Drittligapartie.  Babbel ist eher auf echter Vergnügungsfahrt. Außenalster, Schanze, Elbphilharmonie. Und Urban Outfitters shoppen, bevor das Gerber endlich aufmacht.

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„Was darf es für Sie sein? Salami oder Käse?“ Weil ich mit Gepäckstück reise, reise ich automatisch zum Smart-Tarif. Babbel wirft mir einen futterneidischen Blick zu. Liest dann aber weiter im Kicker. Dass die Hertha sich mit einem Kolumbianer verstärken will. Die haben vielleicht sorgen da oben.

Wer wohl auf die Idee kommt, auf einem ebenso frühen wie engen Flug Salami auf die Speisekarte des „Bord Bistros“ zu setzen? Ich beiße in einen Laugenlappen vom Bäcker LSG Sky Caterers Hannover und träume von einem Laugenbrötle vom Bäcker Frank.

„Herr Geiger möchten sie was trinken?“ Smart Tarif rocks. Herr Babbel möchten sie was kaufen? Haha. Ätschegäbele. Auswärtstor in 25.000 Fuß Flughöhe. Denn der Doppel-Babbel-Gänger fliegt zum Basic-Tarif und muss für seinen Energy-Drink 2 Euro 80 zahlen. Man sieht förmlich, wie der überlegt, ob er der Dame in aubergine Trinkgeld geben soll. Dann winkt er ihr großzügig 20 Cent zu.

Kann ich mal kurz das Mikro haben? Ladies and Gentleman, this is your blogger speaking. Möchten die Kickers-Fans bitte hier auf der Bordtoilette nochmal Lulu machen? Wer in Pfullendorf dabei war, weiß, dass den Gästefans in den unteren Spielklassen manchmal aus Sicherheitsgründen die Keramik entzogen wird.

Nach der Landung erstmal großes Hallo in der Raucherlounge…nee, stimmt gar nicht. Ich rauch ja nimmer. Von Hamburg nach Kiel fährt der KielExx. Ein Shuttlebus mit hohem Unterhaltungswert. Unser Fahrer funkt an die Zentrale:

„Ja Horst hier. Ich hab drei Stück. Wenn alles gut geht, krieg ich sie noch vor dem Mittachessen abgeliefert.“ Horst hat früher mal Schwertransporte gefahren. Daher der Umgangston. Er habe ein neues Fernsehgerät, dass er einrauschen müsse, überlege aber, ob er stattdessen lieber zum Fußballspiel gegen die Stuttgarter Kickers gehen soll – nech? Doch! Klar. Einer von uns beiden muss hin.

Und dann erzählt mir Horst, dass er selber mal bei Holstein Kiel gespielt habe, damals in den 80ern. Dann beim HSV. Mit Magath und Beckenbauer. Dann in Hannover. Er erzählt von Handgeld und vom Abstiegskampf. Von einer Karriere vom Stadion zum Schwertransport zum Messebauer zum Shuttle-Busfahrer.

Nach 50 Minuten Fahrt drücken wir uns wie alte Freunde. Und ich wünsch mir, statt mit dem Smart Tarif und dem Business-Babbel lieber mit dem Kielex und Horst zurück nach Stuttgart zu reisen. Dann hätten wir noch stundenlang Zeit für weitere schöne Geschichten.

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7 Comments

  1. says: JMO2

    Ich Idiot bin übrigens extra nach Kiel zu einem Auswärtsspiel des SV Darmstadt 98 gereist. Und sah das Spiel auch. Anreise war aber interessanter, dank Sturmtief Xaver, als der 2-0 Auswärtssieg…

  2. says: martin

    laugenlappen muss ich mir merken 🙂

    „Ich beiße in einen Laugenlappen vom Bäcker LSG Sky Caterers Hannover und träume von einem Laugenbrötle vom Bäcker Frank.“

  3. says: JMO2

    Ein ziemlich zusammengewürfelter Haufen State-of-the-Art Stadionarchitektur aus den vergangenen Jahrzehnten. Stahlrohrtribüne meets 60er Jahre Stehplatzkurve. Dafür ist die Gastro auf Zack und der Wind pfeift ganz gut durch. Es heißt übrigens Holsteinstadiom

  4. says: busyasabee

    unnützes Wissen Teil X: von HH Flughafen nach Kiel HBF (wahlweise Schwedenkai – für die Kreuzfahrer) fährt auch der Kielius, ähnlicher Unterhaltungswert.

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