Kessel.TV-Radtour: Von Ebersbach nach Stuttgart-Uhlbach

(Auch ohne Nahversorger und Hollister voll schön: Uhlbach am Mount Rotenberg) 

Göppingen. Eigentlich wollte ich am Samstag nach Göppingen. Einen geschätzten Kollegen besuchen, nein, eher überraschen. In Memory of Red Room. Wollte ihm schon vor Abfahrt eine SMS schreiben, Text: „Ich komm jetzt. Bitte Kapelle am Ortseingang organisieren. Und vielleicht noch Jay-Z, wenigstens Bon Jovi oder Pur.“

Hab´s gelassen. Wollte keine Versprechen abgeben und die dann nicht einlösen. Gut 50 Kilometer eine Strecke, sagt  die Mappe von Google. Sind wir echt jeden Samstag 50 Kilometer gefahren? Für die Disco?

Mit dem Rad zwar machbar hin und zurück, aber um 19 Uhr verabredet gewesen. Zum Grillen und Gucken. Bei Aussi und Friends. Sorry Göppingen, konnte das zeitlich nicht abschätzen und Aussi, Friends, Grillen und Fußball sind mir wichtiger als du. Deswegen hallo Ebersbach, das an der Fils, du mein geliebter Wendepunkt:

„Ich war heute in Ebersbach.“ Falls ihr einen Smalltalk-Gesprächseinstieg sucht, nehmt den. Beeindruckt zwar absolut niemand, aber man bekommt wenigstens noch eine Frage aus Freundlichkeit oder auch Mitleid gestellt: „Was machst du da?“

„Ich bin Regio.TV und war da mit dem Rad!“

Dabei müsst ihr ganz stolz grinsen. Bringt aber nix. Weil in Ebersbach kehrt zu machen bedeutet gleichzeitig, es nicht bis nach Göppingen geschafft zu haben. Das weiß jeder. Das ist quasi der Pfostenschuss des regionalen Rennradsports. Das Gespräch ist beendet, auch wenn du mit Grill-und-Fußball-Zeitfenstern argumentieren willst, die Runde dreht sich wieder von dir weg. Außer ihr legt nach: „Und dann war ich noch in Uhlbach!“

Ein echter Trumpf, dieses Uhlbach. Fantastisches Uhlbach! Uhlbach unter der Grabkapelle, eine der äussersten Landeshauptstadt-Satelliten überhaupt. Home of Wein und guten Restaurants. Sagt der Wohni. Ich trink kein Wein und sag: „Du also in Uhlbach, da könnte ich es aushalten.“

Inge: „Ui, Uhlbach, ganz heißes Thema gerade. Die haben nämlich keinen Supermarkt!“

Kein Supermarkt zu haben ist scheiße. Das Uhlbacher Lädle, oben auch zu sehen, steht wohl seit geraumer Zeit leer, die Bürger müssen in eines der Türkheims fahren, wollen das aber nicht, da bin ich voll bei ihnen, und kämpfen vehement um einen eigenen Nahversorger. Die Nahversorger aber scheinen aktuell wohl keinen Bock auf Uhlbach zu haben, warum auch immer. Zu klein, zu wenig Parkplätze, was weiß denn ich.

Ansonsten: Ich war noch nie in Uhlbach. Falsch, ich bin einmal schon durchgefahren mit dem Rad, hab aber nicht registriert, dass dieses abgelegene S-Dörfchen Uhlbach heißt. Jetzt aber zum ersten Mal voller Bewusstsein und voller Euphorie.

Beeindruckende Samstagmittag-Stille. Vor allem wenn man später wieder über die Bolzstraße reinkommt, zwischen Vapiano-, Königsbaupassgen- und Eisdielen-Hektik. Vier Leute hocken auf einer Bank. Ich fülle meine Wasserflasche am Brunnen auf. Steht nirgends ein Schild von „Kein Trinkwasser“. Und ich will noch zur Kapelle hoch, das große Finale, schon knapp drei Stunden unterwegs.

Der Weg hoch führt durch enge Gassen, vorsichtige Wohnungsmarkt-Sondierung. Was das hier wohl Miete kostet? Weil, da könnte ich es ja aushalten. Bis mir Ingmar gesagt hat, dass es da keinen Supermarkt gibt. Nicht mal eine eierlegende Döner-Pizza-Vollmilchwollsau oder wie das Wort gerade auch immer heißt. Sorry, heute ist es schwül und ich Matsch.

Die gibt es sonst in jedem Städtchen. Egal ob es Reichenbach, Altbach oder Plochingen heißt. Das ist der Nahversorger-Konsens.

Bis Plochingen ist die Tour übrigens nicht ganz so schön. Die Wege des Neckars gerade bei Esslingen unergründlich, ich finde nicht die richtige Rennrad-taugliche Uferpromenade bis nach Plochingen. Lass mich dagegen von Abgasen vollblasen. Bin enttäuscht. Die Fourwheeler, öfters tiefergelegt, geben mir mit Runterschalten und erneuten Durchpusten oftmals deutlich beim Überholen zu verstehen, was sie von der Wurst auf dem Rad in dem Wurstoutfit halten. Du bist nichts, wir sind die Macht. Und zu allem übel macht mein Freund Udo in Plochingen nicht auf. Er arbeitet. Ein trauriger Nachmittag bis dahin.

Nach Plochingen wird es etwas schöner. Okay, Reichenbach gucken. Ebersbach geht auch noch. Dort ein Müsli-Riegel vor dem Asia Wok. Schon wieder lassen junge Kerle die Reifen auf dem Pflaster quietschen. Jetzt muss ich zurück. Blindflug. Reichenbach – Plochingen – Altbach – Oberesslingen – Esslingen – Mettingen. Hoher Schnitt. Meist über 35. Dann da in Ober-T das Uhlbach-Schild. Ich biege ein. Es geht länger leicht aufwärts. Wo bist du, magisches Uhlbach? Wie aufgeregt kann man sein, nur weil man nach Uhlbach fährt?

Und dann haut es Uhlbach raus. Rettet den Mittag, awa, ein ganzes Wochenende. Uhlbach gewinnt gegen Ebersbach. Eindeutig und nicht mal im Elfmeterschießen. Tut mir leid Ebersbach, du kannst nix dafür. Auch wenn du einen Supermarkt hast.

Für die Statistik: Gut 90 Kilometer, in knapp 3,5 Stunden.

Göppingen, wir sehen uns.

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10 Comments

  1. says: Martin Sp.

    Nicht mal die ganz teure. Ich hab ne Forerunner 405, und nen Edge 800 (das war dieser klobige „Tacho“ am Trike). Aber im Prinzip braucht man irgendein Gerät, das mit TCX oder GPX-Dateien umgehen kann. FIT geht auch, aber nur zum Hochladen glaub ich.

    Ich bin halt faul und mach mein Zeug da statt bei http://www.bikemap.net 🙂

  2. says: se

    martin, du hättest am marktplatz (heißt der so in uhlbach, kein plan, aber es gibt ja eh nur den einen!) rechts abbiegen sollen. dann wärste nach 50m links zeuge von whaticall k21ism geworden. sieht fast so aus wie der bauzaun am nordausgang des stuttgarter hautbahnhofes, nur die drohungen sind krasser -> http://twitpic.com/9g0lvx 😉 geht darum http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.plaene-fuer-uhlbach-landhaus-soll-abgerissen-werden.af179a81-f184-452c-858f-20e957509811.html
    aber was ich eigentlich sagen wollte, ich hab vor ein paar jahren mal ein paar monate in uhlbach gewohnt, idyllisch da und so, aber dieser supermarkt war eine katastrophe. minimales sortiment, sauteuer, dann und wann auch mal was abgelaufenes in der kühltheke und frisches obst und gemüse sah auch damals schon anders aus. und als bonbon obendrauf war von 13-15h mittagspause. hallo?! niemand braucht diese auffassung von einzelhandel vor der haustüre. wäre ich noch uhlbacher bürger, wäre ich vielmehr dankbar, dass der laden weg wäre. zugegeben, ich bins auch so 😉
    aber einen ausflug nach uhlbach kann ich im allgemeinen auch nur wärmstens empfehlen 🙂

  3. says: Jo

    Die Renner Strecken gibt’s aber … teilweise aber in der Tat
    bissle tricky zu finden, v.a. auch in U-türkheim. Aufgeplatzter Beton (Wurzeln) muscht halt hinnehmen… Wenn ich’s nexte mal wieder zum Bertazzoni auf nen eis rausfahr, nehm ich die route mal auf. bis dahin hascht ja dann evtl. auch dei‘ Garmin-Gerätle 😉

  4. Sodele, Uhlbach ist das einzig wahre Ghetto Stuttgarts, zumindest was die Abgeschiedenheit und das Fehlen von lokalem Einzelhandel angeht. In den 80er-90er-Jahren, als ich hier groß wurde, ging da noch was, aber inzwischen ist es sehr sehr traurig. Gab damals den Hägele, den einzig wahren Supermarkt. Ansonsten aber alles andere schon damals Fehlanzeige, keinen Döner, keine Verkehrsampeln, nix. Die kleine süße Post haben sie uns auch in den 90ern genommen. Inzwischen gibt es ja nicht mal eine mehr in Obertürkheim. Diese Schweine! Und in Obertürkheim geht auch sonst nichts mehr. Ich war echt erschrocken als ich da letztens mal wieder spazieren war.

    Na ja, ansonsten sind die Mieten in Uhlbach noch moderat, man hat seine Ruhe bis Langeweile. Man ist aber in 20 Minuten in der City.

    Fazit: Für Kinder genial, für Jugendliche na ja – aber indentitätsstiftend. Die Uhlbacher halten zusammen wie Pech und Schwefel. Und zum Chillen für moderne Großstadthipster genau wieder das Richtige. Am Ende werden wir doch alle eh wieder spießig.

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