Krawall & Katharsis in der Kammer

Krawall & Katharsis im Kammertheater Stuttgart

„Am Ende der Aufführung spielt eine Metal-Band, es wird sehr laut, wir empfehlen ihnen Ohrstöpsel, hier, Bitteschön.“ Danke. Selten so gut begrüßt worden, am Ende spielt eine Metal-Band, egal wo auch immer, und schon gar nicht im Theater. Schade, dass unser Metal-Setzer nicht dabei war. Herzlich willkommen in der (neuen) Kammer, die „Experimentierstätte des Schauspiel Stuttgarts, integriert im Staatsgalerie-Gebäude-Komplex, ein Ort für Lesungen, Konzerte, Gesprächs- und Diskussionsrunden und vieles mehr, checkt das Programm.

In dieser Experimentierstätte findet monatlich das neue Open Space-Format „Krawall & Katharsis“ statt, eine Art offene Bühnen-Wundertüte, bei der man sich künstlerisch und kreativ austobt. Das Publikum weiß im Vorfeld – außer einem Motto auf der Homepage – nicht was passieren wird, „Krawall & Katharsis“ ist quasi die Experimentierstätte innerhalb der Experimentierstätte. Das Kammer-Ü-Ei ist ein Zugpferd (Eintritt faire 6 Euro), das Foyer füllt sich bis zu Beginn der Show komplett an, dabei werden die üblichen Theater-Wein-Schorles genossen und Fahrrad-Überhosen abgelegt. Is ja auch arg kalt gerade.

Über 1200 Leute sind am Staatstheater Stuttgart beschäftigt

„Bühne frei für die Hinterbühne“ lautet das Motto bei unserem Besuch. Ein Moderator und der einzige echte Schauspieler aus dem Ensemble erklärt das Konzept der Show. Am Staatstheater schaffen insgesamt um die 1.200 Menschen, von Buchhaltung bis Bühnenbild, von Ton bis Reinigung, von Souffleuse bis Maske usw., und all diese Leute sollten doch mal ins Rampenlicht rücken. Also hat man herumgefragt, wer sich und seine künstlerischen Skills präsentieren möchte und die häufigste Antwort sei gewesen: Nein, ich will auf gar keinen Fall AUF die Bühne, genau deswegen arbeite ich ja HINTER der Bühne. Der Abend ist vom Fleck weg sehr unterhaltsam.

Einige Mitarbeiter*innen hätte man dann doch akquirieren können (die scheinbar dem konsequenten lauten Applaus nach jeder einzelnen Performance wiederum ihre Fans akquirieren konnten) und dann ging es zügig-flott durch den kurzweiligen Abend, angereichert mit verschiedenen Impro-Performances, kurzen Lesungen und viel Musik.

Am Ende steht die Erkenntnis, dass es scheinbar etliche Theater-Leute hinter der Stage gibt, die so gut sind, dass sie auch ohne Probleme AUF der Bühne (be)stehen könnten. Zudem bekommt man als Theater-Laie einen kleinen Einblick in die Struktur des Staatstheaters und lernt unter anderem, was ein Inspizient ist (der/die Boss*in im Backend einer jeden Aufführung).

Ein Trio aus der Tonabteilung tauft sich noch kurz vor dem Gig als Band namens „Tonabteilung“ und performed mit Gesang, Akustikgitarre, Keyboard und Flügelhorn drei herrlich zerbrechliche Songs, eine junge Praktikantin hat die Energie und Stimme von Amy Winehouse, aus dem Archiv werden Leserbriefe ans Theater aus dem 1989 gezeigt und vorgetragen, ein Quartett aus der Theatervermittlung („Wir können nichts richtig, trauen uns aber alles zu.“) skizziert sämtliche Elemente einer Bühneninszenierung ft. Kunstblut und am Ende bluteten einem bei der bereits angekündigten Metal-Band („laut, tanzbar und deprimierend“) doch nicht die Ohren, aber angenehmer klangen Bass, E-Gitarre und Drums mit Ohrstöpsel.

Deprimierend war das alles nicht, sondern starke 75 Minuten, die wie im berühmten Flug vergingen und somit ist Krawall & Katharsis in der Kammer gerade in diesen Zeiten eine überraschende Abwechslung vom Pandemie-Alltag.

Nächste Termine Krawall & Katharsis
Samstag, 26. Februar, 20:00 Uhr -> Infos & Karten
Donnerstag, 31. Februar, 20:00 Uhr -> Infos & Karten

Die neue Kammer
Konrad-Adenauer-Straße 32
Stuttgart-Mitte
Mehr Infos & Spielplan

Leave a comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert