Eine Woche im März 2020

Hans im Glück-Brunnen, Samstag, 14. März 2020.

Einige Monate später, es war längst Sommer, kein schlechter übrigens, ganz im Gegenteil, man hat sich mit der, DIESER Situation längst arrangiert und die Choreografie (Maske, Fäustchen, Abstand) unserer Ära tief verinnerlicht, twittterten entweder Carina oder Reimi:

„Wer hätte damals im März gedacht, dass dein Geburtstag unsere letzte RICHTIGE Party für eine sehr lange Zeit sein wird, SO mit Club und Dance.“

Bilder werden hin- und her gedrukiet, verschiedene Alkoholfeigen-Dinge, viele Menschen umarmen sich, sind am rumLITTEN (leider hinterher, wie immer, eher peinlich), noch mehr Feigengesichter, ja, war super, schön, danke und wir sind ja in der Schräglage durch den Hinterausgang raus, hahaha, witzig, Spuckerle! 

Eine Woche im März 2020. Eine Chronologie der sogenannten Ereignisse. Notizen & Erinnerungen.

Am Samstag, den 7. März 2020 feierte ich meinen 43. Geburtstag. Ablauf: Restaurant Im Künstlerhaus, ab 22 Uhr im Kottan, wir sind da, freu mich, wenn jemand rein slidet. Es rutschten viele dazu. Was mich heute, ein Jahr später, noch mehr freut. Natürlich wurden Toilettenpapier- und Desinfektionsmittelgeschenke überreicht. Und ein Penny-Gutschein. Nothing but a P-Thing. Hab mich auch hier über alles gefreut. 

Kottan, 7./8. März – fully packed, L. Skywalker war auch da.

An dieser Nacht vom 7. auf 8. März haben wahrscheinlich sehr viele Menschen in Stuttgart (und in ganz Deutschland) zum letzten Mal in einem Club oder Bar gefeiert, also gefeiert im Sinne von:

Der Zustand in einem vollen (fully packed) Raum ändert sich permanent und hochagil-dynamisch, unzählige Körper bewegen sich wie Moleküle chaotisch-zufällig durch diese Zone, die typischen Vergleiche aus der Chemie müssen jetzt fallen, die Hitze steigt, Siedepunkte werden erreicht, DIE STIMMUNG IST AM ÜBERKOCHEN, jaaaaaaaaaaaaaaaaa das ÜBERKOCHEN, danke an alle und vor allem immer wieder danke an ubo. 

Diese bewusst räumlich-chaotischen Zustände des Nightlifes, wie wir sie alle kennen und höchstwahrscheinlich lieben (wer sie nicht kennt und liebt, soll weiter auf seinen ETF-Sparplan wichsen), wurden im Zuge des Gastro-Reopenings im Frühjahr und Sommer 2020 durch die Zuweisung eines Sitzplatzes aufgelöst (zumindest in der Theorie). 

Von nun an galten feste Laufwege und starre Strukturen. Gehen sie bitte direkt zur Toilette und kehren danach umgehend zu ihrem Platz zurück. Ups sorry, dass ich dir gerade zu nahe kam, gar kein Problem, wo sitzt ihr denn, ach da drüben, winkewinke, schau mal, die Ann-Sophie und der Bene hocken dort, hallo! Kein Körper-Chaos.

Keine swinging Moleküle mehr. Wir wurden zu runtergekühlten Sitzsäulen (degradiert). Ade Siedepunkte. Ade Überkochen. Das finde ich wiederum gut. Das Nachtleben hat in den letzten Jahrzehnten, zumindest textlich, viel zu oft ÜBERGEKOCHT. 

All das war uns an jenem 7. März nicht (konkret) bewusst. Dass in den nächsten Tagen und Wochen wahrscheinlich IRGENDETWAS passieren wird, schon. Diese berühmte Verdichtung der Ereignisse. Ich glaube, an diesem Tag wurde schon das eine oder andere „vielleicht zum letzten Mal für EIN PAAR WOCHEN“ gedroppt. 

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