Die Welt zu Gast bei Freundinnen: Wir gucken Frauen-WM

Mein Freund Fritz, der eigentlich Friedrich heißt, hat mit dem Rauchen aufgehört. Beziehungsweise: er raucht nur noch „wenn Fußball ist“. Macht Sinn. Gottseidank IST heuer die Frauen Fußball WM in Deutschland. „Die Welt zu Gast bei Freundinnen“, haben wir gelacht. Und dann geraucht wie der Ruhrpott Anfang der 80er-Jahre.

Trotzdem: Das ist wie Bob Dylan bei mir. Ich hab’s ernsthaft versucht, aber irgendwie werde ich trotzdem nicht warm mit dem Frauenfußball. Auch wenn ich prinzipiell sehr gerne rauche. Sexismus lasse ich mir da dennoch nur ungern vorwerfen.

Denn die unzähligen Versuche der Medien und des DFB, mir Frauenfußball dadurch schmackhaft zu machen, indem sie mir Fotos von Sportlerinnen im Bikini, Trenchcoat oder gar ohne beides unterjubeln – das ist weit sexistischer, als meine nüchterne Analyse:  mir halt irgendwie ein bisschen egal – so wie Formel 1, DSDS, Linkin Park, die Killers, der 1. FC Kaiserslautern, Friseure oder Wurstsalat.

Ich zumindest hab‘ halt noch nie das Bedürfnis verspürt, im Stadtbadstadion in Heslach zu Schorsch zu sagen: „Kannste mal kurz rüberschalten, wie’s bei Turbine Potsdam gegen FFC Frankfurt steht?“

Ich werde aber trotzdem noch während der WM zum Public Viewing gehen. Heute muss man ja aus allem einen Event machen und ich taste mich jetzt ran. Wenn’s klappt, dann brülle ich da wie doof durch die Gegend: „Mannmann, Du flankst wie ein Mädchen“ oder „Den hätt‘ ich barfuß mit Bänderriss noch reingemacht, du Hornochsin“.

In der Halbzeitpause erzähle ich dann lautstark, dass Hooliganinnen den Laden von Sigrun Wöhr völlig auseinandergenommen hätten. Ehrensache, die Stammtischnummer hab‘ ich drauf. Den Rest muss ich bis dahin aber noch üben.

Erster Schritt: Training, auf der Couch. Deutschland gegen Nigeria. Das wiederum, hätte besser kaum anfangen können: „Als die nigerianische Mannschaft aus dem Bus stieg war’s lauter und rhythmischer, fast wie bei der Loveparade“, plappert der Moderator. Autsch, knapp ein Jahr nach Duisburg – das saß. Helmut Kohl auch, im Stadion. Der „energiepolitische Piusbruder“ (H. Geißler) war lausige 16 Jahre Kanzler, Birgit Prinz spielt seit 17 Jahren in der Nationalmannschaft. Nimm das, Birne.

Unnützes Wissen hab ich auch noch mitgebracht: Die Schriftart auf den Nationaltrikots heißt „Action-Man“. Hihi. Los geht’s: Nationalhymne ist schon mal identisch, die meisten Spielerinnen sind größer als Philipp Lahm, elf Leute sind’s auch und die Moderatoren reden im Fieber. Konstanten sind gut im Fußball.

12. Minute: Ganz schön ödes und nervöses Doofgepasse. Özil wär‘ jetzt spitze. Darf aber wahrscheinlich wegen Mourinho nicht. Schade.

14. Minute: Die koreanische Linienrichterin klaut Deutschland wegen einer falschen Abseitsentscheidung ein Tor. Sie sieht aber so tough dabei aus, dass auch Maik Franz nicht gemeckert hätte.

23. Minute: Laaanngweilig. Ich schaue vor lauter Langweile meine Zehen an. Würde ich mir prinzipiell die Zehnägel lackieren, dann wäre das jetzt ein geeigneter Moment dazu. Ansonsten: Die Pässe aus dem Mittelfeld sind eine Katastrophe. Wo ist Khedira?

26. Minute: Birgit Prinz hält die Arme beim Laufen irgendwie wie Miro Klose, wirkt geschmeidig wie Pavel Pogrebnyak und verstolpert Bälle wie früher Jürgen Klinsmann.

27. Minute: Schock. Melanie Behringer knickt um. Ich finde die sehr sympathisch, weil sie aussieht wie eine Frau, mit der man ordentlich Bier trinken kann, wenn man Bier mag. Mist. Verletzt. Lässt sich auswechseln.

30. Minute: Die Schiriassistentin auf der anderen Seite ist auch blind. Ecke für Nigeria, obwohl’s Abschlag hätte geben müssen. Dafür wird Melanie Popp eingewechselt. Und nur weil ich ein reifer Mann bin, übergehe ich ihren Nachnamen, ohne mit der Wimper zu zucken. Zum Einstand macht die gleich mal drei Diego Buchwald-Übersteiger. Über solche Leute witzelt man nicht.

35. Minute: „Sylvia Neid, manchmal fast sarkastisch in der Fehlanalyse … äh … Ansprache“, der Kommentator taut auch langsam auf.

37. Minute: Chikwelu franzt Babette Peter von den Beinen. Schiri hat wieder nix bemerkt und Nigerias Damen holzen munter weiter wie Jürgen Kohler und Thomas Berthold back in the day. Eine Kneipenschlägerei ist Petting dagegen.

44. Minute: „Es ist die schlechteste erste Hälfte einer Deutschen Mannschaft seit langer, langer Zeit“. War klar, ich schau ja zu. Und gerade als der Kommentator erzählt, wie schlecht Birgit Prinz derzeit ist, schlägt die mittelfingermäßig einen Zuckerpass. Trotzdem, beziehungsweise „Gottseidank“: Endlich Halbzeit.

Kurz ein Kalauer – Halbzeit-Anneliese: Die blonde Experten-Frau am Mikrofon ruft unverhohlen zur Gewalt auf, „da muss jetzt an der Grenze zum Foul agiert werden“. Dann kommt schon eines: nigerianische Popmusik wird „Keks, Alter. Keks“-mäßig veralbert. „Das ist lustig, das ist spaßig“, glaubt der Moderator. „3:0“ glaubt die Expertin. Ihren Namen haben sie noch immer nicht gesagt. Günter Netzers Namen wäre in der gleichen Zeit ungefähr 43. Mal eingeblendet worden.

46. Minute: Super, es geht wieder los. Ikidi haut zur Begrüßung gleich mal die Prinz um. Schiri bleibt sich auch treu, hat nix gesehen. „Orij hat Rücken“, sagt der Moderator. Jetzt sind alle wieder an Bord.

50. Minute: „Ein kleines Wunder, frenetisch gefeiert“. Schiri zeigt Ohale die Gelbe Karte, die erste des Spiels, obwohls hier teils zugeht wie bei Psychobilly-Partys in den 90ern. Grundlose Körperverletzung. Ohale hatte Laudehr umgebulldozert. Sah hässlich aus. Das Foul.

51. Minute: Auswechslung: Grings für Prinz. Frings kickt jetzt in Kanada. Grins. Wann ist eigentlich wieder Poetry Slam?

53. Minute: Hab‘ ich eben tatäschlich „Yeeesss!!!“ gerufen und die Faust in die Luft gestreckt als wär‘ da was? Egal:  1:0 Simone Laudehr, kaltschnäuzig aus sechs Metern, zwischen drei Abwehspielerinnen und der Torhüterin durchgefädelt.

56. Minute: Laudehr wird fies niedergeknöchelt. Steht aber wieder auf. Gottseidank. Hab jetzt meine Lieblingsspielerin.

58. Minute: Das Spiel nimmt Fahrt auf. Vielleicht rede ich mir das aber auch nur ein. Schiri ist auch voll auf der Höhe und pfeifft freestyle immer groteskeres Zeug zusammen. Irre. Fast Kunst. Hätte man locker im Self Service Dingens ausstellen können.

62. Minute: Okji geht bei Nigeria, Aighewi kommt. Ja, ich hab‘ ihr auf den Hintern geschaut. Pippa Middleton kann nach Hauusseee fahr’n.

64. Minute: Fast sowas wie eine Torchance für Deutschland. Kerstin Garefrekes war selbst überrascht, glaube ich. Ich schaue vor lauter Langweile meine Zehen an und bin mir sicher, dass ich sie nie lackieren werde. Kann ich denen nicht auch noch antun.

67. Minute: Der Moderator dreht vollkommen durch und ruft unverblümt zur Anarchie auf: „Man darf doch alles bei der südkoreanischen Schiedsrichterin“.

69. Minute: „2,3 Blessuren pro Spiel, bei den Männern sind es 2,5“. Okay, wieder was gelernt. Das heißt: 1,3 wären noch offen, Melanie Behringer ist schon im Krankenhaus.

72. Minuten: Deutschland holzt zurück. Der Rest ist hysterisches Rumgestocher, Fehlgepasse und rohe Gewalt. Kim Kulig schafft Fakten wie Grube und haut auch mal kernig eine Spielerin von Nigeria um. Schiri schlichtet ausnahmsweise. Sie sieht Gelb. Stresstest bestanden.

75. Minute: Nadine Angerer wird von zwei Nigerianerinnen in die Zange genommen. Oliver Kahn hätte die zwei Tanten dafür totgebissen. Schwöre. Angerer guckt sie nur fies an, so wie man halt schaut, wenn man sagen will: „Nach dem Spiel gibt’s Beulen.“

77. Minute: Super Schuss von Grings. Muss trotzdem grinsen, weil die nigerianische Torhüterin Dede heißt. Wie der von Dortmund. Die lässt den Ball abklatschen, passiert aber trotzdem nix. Gott, ist das schlimm.

Zeit totschlagen: Weil die Nigerianische Trainerin Ngozi Uche sehr große Vorbehalte gegenüber lesbischen Spielerinnen hat und sich auch nicht scheute, diesen Mist laut zu sagen,  versuche ich sie zu ärgern: Ich stelle sie mir beim Knutschen mit der Schiedsrichterin vor. Funktioniert auch nicht.

79. Minute: Uchechi Sunday sieht aus wie Lil‘ Wayne, bewegt sich auch so und will eine Schlägerei anzetteln. Konzeptkunst. Herrjeh, doch irgendwas lackieren?

87. Minute: Nimm‘ das fucking NPD: Bei Deutschland kommt Fatmire Bajramaj, Celia Okoyino da Mbabi geht. Viel spannender wird’s aber nicht mehr.

Ohmann, drei Minuten Nachspielzeit. Die Bajramaj kickt fürchterlich. Angerer und Popp werden umgehauen, Schirfrau hat wieder nix gesehen. Hätte echt auch Thorsten pfeiffen können. Yeeessss, Abpfiff. „Nach 7 Tagen ausgeflittert im Anschluss“, steht am unteren Bildschirmrand. Warum kommt eigentlich nicht Waldi’s WM Club?

Die wissen schon warum bei ARD, der einzige Spaß bei diesem Spiel wäre ein Richtmikrophon an der Couch von Lothar Matthäus gewesen. Ich bin mir sicher, dass da mindestens drei Grimme-Preis-Nominierungen rausgesprungen wären.

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18 Comments

  1. says: giano

    also die zusammenfassung triffts gut.mich hat es gestern auch schon ein bissl mitgerissen. war kein schönes spiel, aber trotzdem spannend.

  2. says: Frau Doktor

    Und Setzer war fantastilliardenmal besser als der Kommentator-Kommentator. Da ist die Professionalität des Männerfußballs schon fast erreicht: fast komplett sinnfrei. Nur leider gibt es keine gute Spielanalyse hinterher. Nia Künzer bringt da zwar ansatzweise mal einen intelligenten Satz ein, aber so richtig Netzer-mäßig dem ÖffRecht-Typ über den Mund fahren, das muss sie noch lernen.
    Also falls hier beim nächsten Deutschland-Spiel sich der Setzer zu einem Live-Kommentar durchringen könnte, ich bin dabei.

  3. says: Niko

    Hab das Spiel nicht gesehen, wäre aber ja vielleicht gutes Anschauungsmaterial für Verbesserungen in den Bereichen Grätschte/Trikothalten gewesen, auch für mich als Amateurfouler

  4. says: malE

    “da muss jetzt an der Grenze zum Foul agiert werden”

    😉

    kim kulig hat sich in der zweiten hälfte wenigstens auf dem niveau anständig gewehrt… war auch bissle rot gefährdet fand ich… so ein wenig auser kontrolle eben

    in cannstatt würde man sagen sie machte den gebhart (fast)

  5. says: neongrau

    „Eine Kneipenschlägerei ist Petting dagegen.“
    Herrlich =D

    Mit dem Setzer als Kommentator würd ich mir das Spektakel glatt auch mal zumuten!

  6. says: vanDamme

    „Die Schriftart auf den Nationaltrikots heißt “Action-Man”.“

    Das Grauen hat einen Namen – die Typo hinten auf den Damen-Trikots steht auf einer Stufe mit der „Sand“, „Comic Sans“ und anderen Hihi-Schriften für Geburtstagseinladungen, Junggesellen-T-Shirts etc.

    Pfui Deibel, hatte mich schon gefragt, wer so was wieder verbrochen hat – und bumm, der Spiegel gibt Antwort: http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/0,1518,771660,00.html

  7. says: Per

    Super Ticker, habe ich erst jetzt gesehen! Mein Lieblingsticker ist von der iPhone App „WM-Spickerin“. Was die alles raushauen, ist ebenfalls sehr zum Lachen. Und die Macher (und Mädels?) sind aus Stuttgart

  8. says: Miri

    Die Frauen WM geht mir am Popo vorbei, weil zu langweilig. 🙂 Aber Micha, wenn ich das nächste Spiel mit Dir gucken dürfte würd ich es mir überlegen! 😉

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