Bye Bye Uwe

(Nachdenklicher Uwe, 2007 oder so. Foto: Elbert für ZEITmagazin)

Vielleicht ist dein Rückzug aus dem Nachtleben auch nur ein lautstarker Marketingcoup von dir, lieber Uwe, dass alle nochmals über dich schreiben und du nächstes Jahr zurückkehrst und dann sagst, ey Leute, ätschbätsch, ich bin wieder da! Mit der Love University! Was macht eigentlich die Love Academy? Gibt es die noch? Na egal, wenn es so sein sollte, falle ich einfach mal drauf rein.

Es gibt zwei Begegnungen mit dir, die ich nie vergessen werde. Die erste war quasi unser offizielles Kennenlernen im Februar 2000. Ich war beim re.flect die frisch gebackene Redaktionswurst, erster fester Job nach dem abgebrochenen Studium und hab mich um das Heftchen gekümmert. Ich weiß nicht mehr warum genau, aber du warst etwas sauer, kanntest mich nicht und wolltest dringend ein Gespräch mit mir. Der Hauber hat damals ziemlich schadenfroh geschmunzelt. War wohl froh, dass ich mir das Gemotze und Genöle anhören muss.

Entweder konnte ich mir in einem der Texte über deine Partys einen semi-witzigen Seitenhieb nicht verkneifen oder – viel schlimmer, du warst angepisst, weil deine Perfect Lovers mal wieder nicht im Heft stand. Hab gestern ein paar Anfang 2000er Magazine durchgeblättert, liegen bei mir warum auch immer noch stapelweise im Keller, und bin zu dem Entschluss gekommen, dass es das gewesen sein muss. Stand nämlich nix über die PL, illuminierte Herzeingangstore, Transen und L.A. Candy Girls drin. Aber dafür über eine andere Party von dir! Siehste mal!

Du kamst auf jeden Fall in unser dunkles Kellerbüro, wolltest mir väterlich und beschwörend das Stuttgarter Nachtleben erklären, warum es solche und solche Partys gibt und wie sich Zielgruppen verteilen. Gelernt hab ich an dem Tag nichts, hab nur innerlich geschmunzelt und gebetet, dass das Gespräch bald vorbei ist.

(Gestern die Zeitkapsel am Vogelsang unter der Bauernmarkthalle wieder ausgegraben. Fast geweint. 11 Jahre vergangen. Scheiße.) 

Die zweite Situation war im Perkins Park, ich glaub´s kaum, ich seh es vor mir, als wäre es gestern, dabei liegt sie 10 Jahre zurück. Wir haben längst uns versöhnt, und ich hatte eine Phase, in der ich ganz gerne deine Partys besucht habe, nicht weil sie clubkulturell besonders spannend waren, sondern vielleicht wegen den damaligen mangelnden Alternativen und vor allem weil dein weibliches Publikum ziemlich attraktiv war.

Wir standen oben neben der DJ-Kanzel. Keine Ahnung wie die Party hieß, im Zweifelsfall Perfect Lovers. Oder doch Studio 54? Oder irgendwas mit Ibiza? I don´t know. Der Soulstar hatte gerade übernommen, ging ziemlich ab, hat die Platten runtergedonnert und hart an den Fadern gearbeitet. Hat einen guten Job gemacht, keine Frage.

Es war gegen halb 3, sogar das weiß ich noch, der Park war das was man heutzutage gerne als „bumsvoll“ bezeichnet. Die Stimmung war dagegen ziemlich verhalten bis unterkühlt. Soll es ja geben, bumsvolle Partys und keine Stimmung. Tanzten halt alle schön vor sich her. Von hinten links kam mal ein verhaltener Jauchzer, der leichte Freude suggerierte, aber in der dumpfen Masse verpuffte: „Uh!“ Vielleicht war es auch eine Jauchzmaschine, die du extra hingestellt hast. Alles allem dachte ich mir, hm, da ist aber noch ziemlich Luft nach oben auf der Eskalationsskala. Am DJ lag es sicherlich nicht.

Du hast fasziniert auf die Masse geschaut. Deine Augen haben gestrahlt. Vielleicht war es das Dollar-Leuchten oder einfach nur Glückseligkeit. Ich vermute eine Mischung aus beidem, ich weiß, dass du bei allem Geschäftssinn die vergangenen 15 Jahre mit Leidenschaft für deine Sache absolviert hast. Auf jeden Fall meintest du völlig begeistert:

„Martin, guck´s dir an! Guck´s dir an! DIE LEUTE DREHEN GLEICH VÖLLIG DURCH!“

Zugegeben, ich steh´ öfters auf dem Schlauch. Aber in dem Moment hatte ich ein WTC-hohen Turm aus Fragezeichen über meinem Kopf. Ich meinte:

„Öh ja, gleich, bestimmt. Sicher. Noch, äh, 10 Minuten, dann Abriss.“

Tja, da dachte ich mir, der Uwe lebt halt einer anderen Welt. Völlig durchdrehen heißt bei mir verschwitztes Shirt nach 20 Minuten.

Auch wenn du nicht immer ganz einfach warst, gerade auch als Anzeigenkunde, und das was du alles gemacht hast nie wirklich mein Ding war, kann man, nein, muss man dir als Außenstehender zum Ende deiner Laufbahn Respekt zollen. Hast was geschaffen, was auf die Beine gestellt und doch lange durchgehalten. Warst zeitweise der unangefochtene Nachtlebenkönig. Jetzt gehst du am Wochenende in die Nightlife-Rente, das zweite Kind kommt, da gratuliere ich dir. Sicherlich keine schlechte Entscheidung, diese. Nachher wirst du noch so ein Horscht wie dieser Ammer.

Viele Fehler haste meiner Meinung nach nicht gemacht. Da wäre zum einen der Perfect Lovers Film. Bei der Premiere im Cinemaxx hat es mich fremdschämend in den Sitz gedrückt. Im aktuellen PRINZ meintest du rückblickend, der Film wäre zu sozialkritisch geraten. Ach Uwe.

Außerdem fand ich deine öffentliche Hochzeit etwas befremdlich, damals im Sommer 2008. War zwar in deiner Theorie die Vollendung des Perfect Lovers Konzepts, aber diese Pseudo-Promi-Nummer wirkte auf mich stark übers Knie gebrochen. Ach, und deinen DJs haste manchmal aus Aufmerksamkeitsgründen komische Namen gegeben. Es sei dir verziehen.

Ich wünsch dir den schönsten und längsten Disco-Feierabend aller Zeiten und nur das Beste für die Zukunft.

P.S.: Was wird eigentlich aus dem illuminierten Herzeingangstor?

P.P.S.: Weisch eigentlich was immer das Schlimmste mit dir war? Telefonieren! Aber coole Taktik, einfach mal nix sagen, in den Hörer reinatmen und warten bis der andere spricht!

Und jetzt noch ein Kracher, du Locke, ich Horn. 10 Jahre her.

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20 Comments

  1. says: Thorsten W.

    Uaaaaah, das Bild ist der Hammer 😀 Kein Wunder dass er dir damals das Nachtleben erklären wollte 🙂

    Aber Uwe war und ist ein Guter, immer straight in seiner Sache, ich hab früher auch öfter für ihn aufgelegt, auch immer fair. Bye-bye!

  2. says: Joris

    Ich kann mich noch gut dran erinnern, dass ich damals so 99 oder 2000 mit dem SKP, stolz wie Bolle, an der in meinen unbedarften Jugendaugen super harten Türe im PL vorbeigekommen bin, trotz verratzter Baggy und Dreadlocks, Gästelisteplatz von Djane Simone sei Dank.
    Fand zwar die Party nicht toll, aber kam mir schon sehr VIP vor.

  3. says: Jana

    Perfect Lovers gehört für mich zum Studium wie das HGB oder die Formelsammlung. Eigentlich nervig, aber man kommt doch immer wieder drauf zurück. Geht halt nicht ohne. Und wenn man es sich heute anschaut, wird man ganz wehmütig.
    Alles Gute euch beiden (vieren)!

  4. says: DaSven

    Hebe den Hut! Sauber durchgehalten und zum Glück dann auch den Absprung im Auge gehabt! Habe den Wettbewerb zwischen Perfect Lovers und Summe/Prime damals geschätzt. Vor allem die Leidenschaft, die Uwe und ich hatten und aber dennoch den sauberen Umgang, den wir miteinander hatten. Offensichtlich geht der Battlesieg langfristig an Uwe.

    Willkommen auf der anderen Seite – ist nicht so schlecht hier. Ich weiss es 🙂

  5. says: chris

    hier von der PL Homepage 😀

    Eine Nightlife Legende feiert ihren Abschied!

    Vor 15 Jahren startete die PERFECT LOVERS Partyreihe im Climax und wurde mit unglaublicher Begeisterung zu einer der erfolgreichsten House Events in Stuttgart. Nach dem Climax wurde im Perkins Park, Gustav-Siegle-Haus, Radio Bar, Fernsehturm, Move, M1, Paris, P-Club und zuletzt im eigenen aer Club wild gefeiert bis die Sonne wieder am Himmel stand. Floff Pictures hat die Perfect Lovers Party ein Jahr im P-Club gefilmt und daraus einen Kinofilm geschnitten, der deutschlandweit in den Cinemaxx Kinos für staunen sorgte. So eine wilde Party in der kleinen Schwabenmetropole. Unglaublich! Mit dem Soundtrack zum Kinofilm ging es dann durch ganz Europa auf Release Tour durch die besten Clubs auf Ibiza, Mykonos, Bukarest, Madrid, Zürich, Luzern, Basel, London, Budapest und vielen mehr. In der Schweiz wurde sogar eine eigene Niederlassung mit Nico Maeder gegründet, da sich nach dem wahnsinnigen Erfolg im Kaufleuten Club alle schweizer Clubs um dieses neue Label gerissen haben. Nach der Gründung von Love Academy Rec. wurden sogar eigene Tracks und Compilations produziert und vermarktet. Doch 2011 wird das letzte mal eine Perfect Lovers Party in Stuttgart gefeiert und der final Countdown hat bereits begonnen. Mit den 3 beliebtesten Perfect Lovers Locations verabschiedet sich Uwe Reiser mit der Perfect Lovers Partyreihe aus dem Nachtleben. Also – jetzt schon die Termine sichern… Gute Nacht.

    Samstag 17.09.2011
    Perfect Lovers – The final Countdown
    aer Club
    House Music by the legendary DJs:
    Alex de Luxe (Ibiza)
    Soulstar (Housesession Rec.)
    Rock´n´Reiser (Love Academy)
    Kelvin the Househustler (Perfect Lovers)
    Padrigo en Mexico (Discoburger, Zürich)
    Marco Bastone (aer Club)

    Vielen Dank allen für die tolle Zusammenarbeit in den letzten 15 Jahren. Ich hoffe wir sehen uns noch auf den letzten Events und feiern gemeinsam…
    Gästeliste bitte direkt an mich mailen, oder anrufen.

    Gruß Uwe Reiser

  6. says: kutmaster

    War zwar einer meiner anstrengendsten Kunden – einmal klopfte er wie ein Gestörter morgens um 2 an mein Schlafzimmerfenster und schrie er brauche für morgen jetzt ganz schnell Flyer – aber er war zugleich auch einer der bodenständigsten Veranstalter. Ich mag ihn ganz gerne deswegen.

  7. says: Ronny

    Hab mir den Film angeschaut. Selten so etwas Peinliches über das Nachtleben gesehen. Und ich weiß immer noch nicht, was mir der Regisseur damit sagen will. Gute Werbung für Perfect Lovers ist das jedenfalls nicht.

    Was wohl aus den Darstellern geworden ist? Kann ich mir gut vorstellen (um es im Stil des Artikels im Hamburger Abendblatt fortzuführen) :
    [Ironie]Die Koksnasen Yves und Fred haben sich irgendwann mal was eingefangen, weil sie mal wieder kein Kondom benutzt haben, wozu auch. Jasmin, die immer anständig war und Wert auf ihren guten Ruf gelegt hat, ist irgendwann auf einer Perfect Lovers Party doch mal unanständig geworden und hat sich ihren Ruf ruiniert. Die Fotos sind auch heute noch in den Alltime Top 10 diverser Party-Portale. Türsteher Ibo hat sich bis zur Tür einer Reutlinger oder Waiblinger Großraumdiscothek hochgearbeitet. Dumm nur, dass dort nahezu alle Gäste die falschen Schuhe an haben, seitdem bleibt der Club leer und die RT’ler und WN’ler fallen jedes Wochenende in Stuttgart ein. Kathleen hat – wie man bei Facebook sieht – auch heute immer noch „so wenig an“. Dino (von Beruf bestimmt Friseur) ging irgendwann pleite, weil er sich für Perfect Lovers immer was neues kaufen musste. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann teilen sie sich auch heute noch „die Hälfte vom Mund“. 😉 [/IRONIE]

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