52 Albums/14: Franz Ferdinand „dito“ by Nathalie

Diese Woche haben wir endlich mal wieder einen Gastbeitrag für unsere 52 Albums Rubrik. Nathalie Türk war ein halbes Jahr lang Praktikantin bei Sub Culture, studierte Politik, Soziologie und Deutsche Literatur, ist ein Indie-Mädchen durch und durch und dazu sehr schreibgewandt. Es folgt nun ein ausführliche Hommage an das erste FF Album, an Indie und was Indie, Röhrenjeans, FF und das Schocken miteinander zu tun haben.

Weil das Southside naht und ich mich wie die Susie auf das Barbie-Traumhaus unterm Tannenbaum freue Franz Ferdinand endlich mal live zu sehen, zeichne ich heuer meine, zugegeben, sehr subjektive Sicht der Dinge über die Schotten, das Schocken und warum das für Indiemädchen in Stuttgart alles zusammenhängt.

Indie gab`s für mich schon bevor der NME befohlen hatte, dass ungeachtet des Schenkelwadenbeinrelativs die Beine unisex in Röhrenjeans zu stecken sind. Indie gab`s für mich noch nicht als das noch hässliche Karottenjeans waren. Damals hörte man, wenn man was mit Gitarren anfangen konnte, noch Alternative und trug Schlag.

Heute ist Indie das, was laut PR-Abteilung vom Schocken inzwischen in jeder Dönerbude läuft und was der geneigte Kessel.tv-Leser im Remix von Justice kennt oder mit Coldplay verwechselt.

Indie kann gut mit Gitarre, muss aber nicht. Indie ist nicht Major Label, kann aber und dann ist es mit dem Indie eigentlich schon wieder vorbei (siehe Coldplay). Indie ist das, was ich antworte, wenn mich jemand nach meiner unaufgeräumten musikalischen Lieblingsschublade frägt.

Das heute fast jeder aus dieser Schublade irgendwo schon mal gehört hat, ist mindestens die Mitschuld von Franz Ferdinand. Die hab ich eher zufällig das erste Mal auf MTV gehört, als noch Musikvideos zwischen der Klingeltonwerbung liefen.

Ich weiß noch, das die erste Single aus dem Album „Take me out“ von Patrice telegepromptert wurde. Irgendwie was mit genialem Tempo und Rhythmuswechsel und so.

Recht hatte er, doch ich fand Patrice als VJ tendenziell schon immer scheiße und hätte es besser gefunden, wenn Kollege Kafka in hamma-wieder-was-gelernt-Manier den Job glaubwürdiger übernommen hätte. Wir kannten uns schließlich noch aus Vivazwei-Zeiten. Kavka hab ich übrigens damals fast zeitgleich, als Franz Ferdinand gerade durch die Decke ging, im Colibri gesehen. Gar nicht mal so groß, auch als DJ.

Aber zurück zu diesem weltumstürzlerischen Hemdenträgern, die das Kunststück fertig brachten Gitarrenmusik für Mädchen tanzbar zu machen! Präzise auf den Punkt, kein Rumgeröhre und am besten alles gleichzeitig. Roxy Musics Glam, Joy Divisions Punk und Frühachtziger Disco-Minimalismus.

Indie war jetzt nicht nur die perforierte Mucke auf studentisch angehauchten WG-Küchenpartys oder Meet in Greens, sondern plötzlich claubtauglich. Und offenbar auch stylisch, wobei mich die männliche Trocotronic-Armada dann doch auch manchmal etwas befremdet hat (Ist das jetzt ein linker oder ein rechter Autonomer?).

Eigentlich haben die Strokes und andere The-Konsorten damit schon etwas vorher angefangen. Aber der erste war für mich immer der gute alte Franz Ferdinand. Schließlich hast du den ersten Weltkrieg verursacht, weil du dir es auch nach dem ersten missglückten Attentat auf dich nicht nehmen lassen hast, weiter staatsmännisch aus dem Auto zu winken.

Genau hundert Jahre später kommst du zurück und holst dir deine verdienten Standing Ovations mit einem Debüt, das den Attentätern vom ersten bis zum letzten Track in die Beine schießt. Du hast Texte erfunden, die nicht viel Sinn machen („ich heiße Superfantastisch, ich trinke Schampus mit Lachsfisch“), aber die man trotzdem mitsingen möchte, du hast die Gallagher-Arschlochbande auf die Plätze verwiesen, du hast ein kleines Indiemädchen glücklich gemacht.

Das war an Stuttgart immer das Problem gewesen. Entweder außerhalb zwischen langhaarigen Altrockern und barfüssigen Hippiebräuten bei der Halbe vom Fass die Opa-Adidastrainingsjacke huldigen oder der Kompromiss der Freundin zuliebe mit Soul, Funk und immer wieder denselben Classics Arschwackeln und warten bis man von so einer sensiblen Sau zum „sexual healing“-Paartanz aufgefordert wird.

(Die Soulschwester bat mich zu erwähnen, dass die Soul Glow im Le Fonque doch ganz cool gewesen sei. Stimmt Süße, aber man muss in den Medien die Sache immer etwas zu hoch ansetzen, um das zu erreichen was man will. Das ist wie Handeln auf dem Basar.)

Im Theo-Heuss-House bin ich nie heimisch geworden und  mit genuiner Bumm-Bumm-Musik, wie meine Mama das auch nennt (sie hält  dank der Tunnelszene mit Keith Flint übrigens The Prodigy für das Übelste was Bumm Bumm so kann), konnte ich noch nie richtig viel anfangen.

Für HipHop und R`n`B fehlen mir die Ghettoerfahrung und der Respect vor BlingBling und Schöpfer. Um den Rhythmus von Reggae und Daanshall abwechslungsreich zu finden, kiffe ich wahrscheinlich zu wenig.

Dann gab es Franz Ferdinand und andere Tanzkapellen wie Bloc Party, Maximo Park, Arcade Fire, The Yeah Yeah Yeahs, We are Scientists, Mando Diao, Kings of Leon et cetera folgten und marschierten in Stuggi-Mitte ein. Das Schocken und ich, wir waren damals wie die Werbung „Ich hab ja echt vieles probiert, aber seit ich…“

…Danke für viele gute Indieclub-Abende und kleine Konzerte auf der kleinen Treppe links. Danke für die Glitzerwand, Ausdruckstanz, Liebeleien, gebrochene Herzen, viele viele bunte Buttons, Prinz Eisenherzfrisuren und Frauen die Flaschenbier trinken dürfen.

Indie nach dem Hype. Franz Ferdinand hat jetzt doch einen Song an Apple verkauft und noch zwei ganz adrette Alben rausgehauen. Warum irgendjemand Rockabillys oder Hosenträger braucht, weiß ich immer noch nicht.

New Rave hat kurzeitig alles neonisiert, New Wave langfristig alles noch etwas düsterer gemacht, Leggins sind die neuen Röhren und das Schocken und ich, wir haben uns auseinandergelebt. Einvernehmliche Trennung hab ich über meine Pressesprecher verlauten lassen, aber Günther Jauch hat so exklusiv investigativ nachgefragt.

Hand aufs Herz, warum ist Ihre Beziehung gescheitert? Seit da eigentlich alles läuft – mal vom Schwitzkasten downstairs abgesehen – und manchmal besonders  fetzig peppig „shing a ling“ genannt wird, wenn zu sugar…oh honey honey bunny 60s Fetenhits gefeiert wurde, fühle ich mich nicht mehr in meinen Bedürfnissen ernst genommen.

Mittlerweile bin ich also in jeder anderen Dönerbude mehr zuhause. Wissen sie Herr Jauch, ich spiel eigentlich alles ist kein Musikgeschmack und kriegt das Publikum, das es verdient, von dem ich bei meinen letzten nostalgischen Versöhnungsversuchen leider den Eindruck hatte, das es mit einem Sammelbus angekarrt wurde. Aber nichts für Ungut. Döner macht schöner.

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18 Comments

  1. says: Basey

    Sehr nett der text, wenn auch für mein Geschmack auch manchmal ein tick zuuu viel Stilmittel 🙂

    Aber das mit dem Schocken stimmt leidergottes nur zu arg!

    gz

  2. says: JMO2

    Schöner Text und super Album, das ich mal wieder rauskramen sollte. Ist mir von einer Freundin empfohlen worden, hab dann beim WOM(!) mal reingehört und es hat mir gar nicht gefallen. Etwas später ist man dem ja nicht mehr entkommen und es zündet immer noch nach wie vor.

    Das der mittlerweile undefinierbare Begriff „Indie“ sowas von zerfranst ist, ist mehr als schade, aber wohl lauf der Dinge. Trotzdem sind von den aufgezählten Kapellen doch einige übergeblieben, die ich nicht missen möchte, zumindest deren Debüt-Alben 🙂
    Und Franz Ferdinand habe ich 2004 auf dem Southside am Sonntag Mittag gesehen 😉

    p.s. Aber was ist eine „Trocotronic-Armada“? Oder doch „Tocotronic-Armada“? Trotzdem, was bedeutet das?

  3. says: D*Jan Neiro

    Bei Franz Ferdinand fällt mir immer der Satz vom Setzer ein, der glaub ich mal gesagt oder geschrieben hat: „Franz Ferdinand sind die modernen Beatles“…oder so ähnlich…

    Das würd ich gern mal ausdiskutieren 😀

  4. says: JoeJoe

    Ach was, die modernen Beatles waren seiner Zeit z.b. schon die New Radicals….scheint wohl alle paar Jahre wieder zu kommen, dieser eher phantasielose Vergleich…naja.
    Genau, der Begriff Indie ist wohl Meilen weit weg von seiner ursprünglichen Bedeutung.
    Ein gelungener Text und eine schöne Story aus einer Welt, in der man sich so gar nicht auskennt, großes Kompliment.
    Auch wenn ich Franz Ferdinand so gar nichts abgewinnen kann. Nicht entkommen oder hören bis es einem gefällt gibt’s bei mir persönlich nicht. Jeder nach seinem Gusto. Aber da bin ich relativ trocken und sei es die neue Depeche. Waren ja zum Glück nur 4-5 Songs am Freitag.
    @Martin: Hab‘ da ’ne schöne Idee und muß nur noch Zeit dazu finden. Die Einladung mitzumachen ist ja ein Kompliment 🙂

  5. says: JMO2

    @JoeJoe: Du magst nur Songs die dir auf Anhieb gefallen haben oder hab ich dich falsch verstanden? Kennst Du das nicht, das dir auf einmal ein Song zündet, der bisher nicht so überzeugt hat?

  6. says: julia

    ich würd ja auch gern mal irgendeines meiner alben empfehlen/kommentieren/anpreisen, aber die messlatte der texte dazu ist hier doch schon ganz schön hoch gesteckt… 🙂

  7. says: JoeJoe

    @JMO2:
    So oder so ähnlich. Selbstverständlich gibt es Songs, die mir früher nicht gefallen haben und es jetzt tun. Aber da liegt schon reichlich Zeit dazwischen. Von gar nicht gefallen zu zünden gab’s eigentlich fast noch nie. Ich persönlich kann z.b. die Leute nie verstehen die sagen, ihnen gefällt eine Platte nicht, aber „wenn man sie öfters hört…“.
    Aber doch total egal, ist ja immer persönlich und subjektiv 😉

  8. says: martin

    also ich hab gerade in den letzten jahren festgestellt, dass man zu musik manchmal doch einen längeren zugang braucht, besser gesagt, dass man sich für musik zeit nehmen muss/soll oder wie auch immer 😉

    klar gibts stücke und alben die gefallen einem sofort, aber manchmal hat man sich z.b. ein album gekauft, weil man vielleicht fan von der band ist, hörts ein, zwei mal an, und stellts dann achselzuckend ins eck. und ein paar wochen zieht man es wieder raus und ist überrascht wie gut es doch eigentlich ist…

  9. says: Philthy

    kenn ich aber auch, dass man sich oft erstmal reinhören muss bzw. man erst nach einiger zeit bemerkt, wie gut das album eigentlich ist. und erfahrungsgemäß hab ich an diesen alben viel länger und mehr spaß als an solchen, die gleich ins ohr gehen.

  10. says: se

    liebe nathalie,
    großartiger text. ich bin kein franz ferdinand-fan der ersten stunde (war mir damals zuviel kunststudenten-machen-musik-gedöhns), mag die band und vorallem ihr debut erst seit der letzten vö wirklich (warum? kein plan). wieauchimmer, wenn du mal wieder indieesk das tanzbein schwingen willst, schau am samstag im beatclub rein.

  11. says: Nathalie

    hui…also vielen lieben dank für komplimente, kritik und anregungen. hat mich wirklich gefreut!

    zu viele stilmittel – stimmt! der inhalt des textes spielt mit musik- und modeklischees und deshalb fand ichs passend dass auch formal so umzusetzen. wenn ich über ein album geschrieben hätte, dass mich an meinen toten opa erinnert hätte, wäre es anders ausgefallen.

    tocotronic-armada – masse von tocotronic (indieband mit deutschen texten/hamburger schule) look-a-likes…also 70er oldschool-trainingsjacken vom flohmarkt mit passendem shirt, sambas o.ä und ein bissle zu langes seitenscheitliges haar, das man sich immer aus dem gesicht streichen muss

    soul glow – danke, geb ich gerne weiter

    musik hören bis sie einem gefällt – ich glaub, das ist wie mit einem guten buch. manchmal sagts einem nichts. Ich finde, dann sollte man es ruhig weglegen und dann wieder in die hand nehmen, wenn der kontext stimmt. was sich einem sofort offenbart wird ja auch oft schnell langweilig.

    beatclub – geht ja nicht, fahr ja zum festival (bus aber nicht öv) und guck franz ferdinand, aber der beatclub ist eine meiner bevorzugten dönerbuden, also bestimmt bald mal wieder

  12. says: indy

    Franz Ferdinand sind Indie?

    Eigentlich sind Yo La Tengo. Pavement und Sonic Youth Indie. Nirvana waren es auch, bevor jemand den Begriff Grunge erfunden hat.

    Aber Franz Ferdinand, The Strokes und Bloc Party? Das läuft allenfalls unter dem Begriff Gitarrenpop, hat aber mit Indie nicht das geringste am Hut 😉

  13. says: JMO2

    @Nathalie: Vielen Dank für die Erklärung, ähnliches hatte ich mir schon gedacht, kann mich zumindest in Bezug auf Frisur davon nicht ganz freisprechen 🙂

    Wenn mich jemand frägt welche Musikrichtung ich höre, dann sage ich meist „Mainstreamindie“. Ich fahr damit gut und Schubladenwächter ebenfalls.

    Ist das in anderen Musikrichtungen auch so ausgeprägt, das es ganz wichtig ist, das zu hören was nur 50 andere eines eingeschworenen Zirkels hören/mögen?

  14. says: Nathalie

    warum kann gitarrenpop nicht indie sein? und warum allenfalls gitarrenpop? und warum ist nirvana bitte indie? welches label hat die nochmal gesignt? und warum dann nicht mehr? weil jemand beschlossen hat das grunge nicht indie ist? und pavement und yo la tengo machen keinen gitarrenpop?

    fragen über fragen…ich denke, schubladen sind dazu da irgendwie ordnung zu schaffen. ausgrenzen, eingrenzen. zwei seiten einer medaillle. da kann man dann grundasatzdiskussionen bei kräutertee führen, die medaille zwirbeln lassen und sich furchtbar echauffieren … macht ja auch spaß 🙂

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