2. Weltkrieg: Stuttgarter Bahnhof Attrappe in Lauffen am Neckar

In Lauffen am Neckar heißt alles „Hölderlin“. Die Apotheke, die Grundschule, das Gymnasium, die Buchhandlung, das Krankenhaus, der Kindergarten, die Sonderschule, die Realschule natürlich auch. Und Hölderlin selbstverständlich, das ist schließlich sein gutes Recht. Äh, also was bei drei nicht im Weinberg war wurde einfach „Hölderlin“ genannt.

Das wiederum war kein kauziger Fetisch, sondern der Tatsache geschuldet, dass Friedrich Hölderlin da am 20. März 1770 geboren wurde. Die Kirche übrigens heißt nicht „Hölderlin“, sondern wurde ziemlich funky Regiswindis genannt. War schon früher da als der Hölderlin. Ich weiß das, ich komme von da, beziehungsweise habe da während meines Studiums der molekularkinetischen Astrophysik bei den tollsten Menschen der Welt gewohnt.

UND: Ich habe sogar im Hölderlin-Museum gearbeitet. Zweimal, Sonntags. Um mich bei meinem Bioleherer einzuschleimen, der mich aber trotzdem nicht leiden konnte. Egal jetzt, der arme Kerl war aus Thüringen und hatte schon damals weniger Haare auf dem Kopf als irgendwie gut ausgesehen oder wenigstens Hölderlin geil gefunden hätte.

Ansonsten war Lauffen aber voll mit ziemlich coolen Typen. Frank Wannenwetsch zum Beispiel oder Markus. Der hat mal ein Hotelfenster im vierten Stock geöffnet, das dann grußlos in die Fußgängerzone gefallen ist. Nix passiert. Schwöre. Ist aber so: Die Stadt hat eine Tradition, was lässige Typen angeht.

Gestern bin ich aus allen Wolken gefallen. „Schon wieder dieser verschissene Bahnhof!“, hab ich gebrüllt. Die Stuttgarter Nachrichten berichteten, dass in meiner kleinen Hölderlinstadt, der Stuttgarter Bahnhof nachgebaut wurde, um die Bomber der Royal Air Force zu verarschen.

Keine Sorge, ruhig bleiben: das war nicht gestern. Das war im zweiten Weltkrieg. Bis 1943 war bei Lauffen scheinbar eine Attrapenstadt aus Holz und Leinwand aufgebaut, inklusive Bonatz-Bau. Damit sollten die Bomben abgefangen werden, die eigentlich für Stuttgart bestimmt waren. Als Lauffener bekenne ich mich hiermit schuldig, dass der Stuttgarter Bahnhof überhaupt noch steht.

Am eigentlichen Bahnhof in Lauffen war übrigens ziemlich lang das „n“ verschwunden. „Bahhof“ stand da. Swabish by Nature. Ich mach‘ mir jetzt erstmal einen TL aus der Heimat auf und morgen fahr‘ ich da hin und frage die Rentner, denen ich beim Zivildienst Essen gebracht habe, warum sie mir ausgerechnet DAS denn nie erzählt haben.

Wie kann ich bitteschön jahrelang in einem so kleinen Ort wohnen und keiner erzählt was? Achso, übermorgen vertausche ich mit meinen Kombels dann mal schön ein paar Stadtschilder und dann lachen wir uns tot, wenn der Grube aus Versehen den Reutlinger Bahnhof vergräbt.

P.S.: Mit dem fehlenden „n“ hatte ich echt nix zu tun. Und ich weiß auch nicht wer’s war. Echt. Wirklich.

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3 Comments

  1. says: Martin Sp.

    TL kennt man halt im Heilbronner Landkreis. Und Stadtkreis. Ach, und Lauffener Wein kann man immer trinken. Proschd!

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