0:2, :-) LG MAMA

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(Foto: Lukas Millowitsch, dpa/Ehrenfeld, Gleis3)

Endlich wieder Bundesliga. Ich kann in Ruhe schlecht über Spieler reden, ohne dass mir jemand Volksverrat vorwirft. Ich kann Fußball schauen, ohne dass mir meine Antifa-Kumpels Nationalismus oder die Billigung von Neoliberalismus unterstellen.

Und ab jetzt sind 90 Minuten zuzüglich Halbzeit und Nachberichten nicht mehr genau die Zeit, in der die Weltrevolution abgeblasen wurde, nur weil ich gerade nicht da war. Selbst die Bundesregierung winkt nun wieder montags irgendwas im Eiltempo durch. Endlich wieder Bundesliga.

Der Saisonstart gegen Mönchengladbach war schon spitze, obwohl ich vermute, dass ich nicht mehr in der „Funzel“ in Heslach Fußball schauen möchte. „Also, Tschau und schöne Weihnachten, falls wir uns vorher nicht mehr sehen“, sagte ein älterer Herr, als ich völlig bedient vom 1:1 gegen Gladbach den Laden verließ. Er hatte vorher auch zwei Mal „Lokalrunde!“ gerufen und allen acht Gästen einen Schnaps ausgegeben, nur mir nicht.

Für das erste Heimspiel der Saison gegen den 1. FC Köln hat sich mein Freund Marco deshalb etwas Besonderes einfallen lassen, denn 20 Jahre Köln haben ihn auch ein bisschen zynisch gemacht: Er besorgte Karten in Block 71D – das klingt jetzt erstmal nach verhältnismäßig großen Brüsten, ist aber lediglich der Stadionteil, direkt am Zaun, hinter dem man die „Effzeh“-Fans mit Erdnüssen füttern könnte und den VfB Block nur mit Brille sehen kann.

Allerdings waren auf beiden Seiten des Gitters lediglich Köln-Fans – ich mittendrin, wie DSF früher und außer mir gerade mal geschätzte vier Leute, die den VfB Stuttgart zumindest für eine theoretisch gute Idee halten.

Das wiederum hat zur Folge, dass man im weiteren Spielverlauf nur Ärsche sieht, wenn der Fanblock „Stöööht auf, wenn ihr Kööölner seid“ skandiert. Einer davon trug eine goldene Spielerfrauenbrille, an der links und rechts zwei überdimensionierte goldene Discokugeln baumelten – er war gegen 15 Uhr schon besoffener als ich zehn Stunden zuvor und hielt seinen Bierbecher gen Himmel, als würde Gott persönlich nachschenken. Ich glaube, jemand hat ihn nach der WM einfach vergessen und nicht mehr abgeholt.

Der Rest ist schnell erzählt: Die Frau vor mir tippt „0:2, 🙂 LG Mama“ ins Telefon, der Kölner Fanblock singt „Deutscher Maaaaister Effzehhh“ oder „Ujah is a kööölllsche Jong“, hüpft wie verrückt auf und ab und Marco filmt das alles mit seinem Handy, während er strahlt und kichert wie ich früher an Weihnachten. Meine Freundin Helmut Podolski lachte auch – per sms: „Loooooser“.

Ich weiß nicht, woher ausgerechnet Kölner all diese Häme hernehmen. Jemand informiert mich ungefragt, dass der FC seit 16 Jahren nicht mehr gegen den VfB in Stuttgart verloren hätte. Auch das ist beachtlich. Denn so gut habe ich noch nie einen Kölner über Stuttgart reden hören.

Ungefähr in der 65. Minute mertesackerte ich nochmals zum Spaß: „Gegen so eine Karnevalstruppe, ey!“. Niemand lachte. Denn jeder Kölner steckte bereits knietief in den Vorbereitungen zur Champions League oder schmetterte fetzige Lieder – manche handelten sogar von meinem Intimbereich.

Obwohl ich der Meinung bin, dass „Stuttgarter Arschlöcher“ etwas zu viel des Guten ist am Samstagmittag. Es sind schließlich Kinder anwesend. Da ging doch schon einmal wesentlich mehr im Effzeh-Fanblock. Ich glaube, es waren die FC Fans, die vor Jahren im kalten Winter einst sangen: „Fußbodenheizung, wir wollen Fußbodenheizung. Fuuußßbooodenheeeiiizung“ – und so weiter.

Das Kölner Mannschafftsmaskottchen, den Geißbock Hennes habe ich ebenfalls sehr gerne. Der VfB sollte sich auch mal überlegen, statt Fritzle ein echtes Krokodil am Spielfeldrand flanieren zu lassen. Damit wenigstens einer da unten ein bisschen Autorität ausstrahlt.

Ich werde hier jetzt trotzdem nicht schlecht über Armin Veh reden, denn uns verbindet seit Jahren eine tiefe Freundschaft. Schließlich wurden wir damals zusammen Meister – das ist ein Bund fürs Leben und eine Verantwortung, die man gemeinsam trägt – auch wenn er sich nicht mehr an mich erinnert.

Dank der sagenhaften Atmosphäre der Mercedes Benz Arena ist es von Block 71D übrigens nicht auszumachen, ob der VfB-Fanriegel gegenüber schon „Scheiße!!“ schreit oder noch Ruhe bewahrt. Man hört es einfach nicht. Ich hab nur das geile Wappen gesehen. Riesengroß – Tradition! Meine Tradition: „Ohmann“ und dann klatscht die flache Hand gegen die Stirn. Kein Applaus, ne. Hohololrofl.

Ich sehe jetzt mal das Positive: der VfB hat das Spiel gegen Köln nicht in der Schlussviertelstunde verloren, sondern bereits in der ersten Halbzeit. In der zweiten Halbzeit spielten wir sogar, als würden wir 4:0 führen. Das war 1A-Ergebnisverwaltung.

Vehs Einschätzung, VfB-Fans würden grundsätzlich zu viel erwarten, halte ich dennoch für etwas überspitzt. Keiner hat nach einer Niere, der Ostukraine oder Weltfrieden gefragt. Ein bisschen Fußball, Aufbäumen oder Soul hätten fürs Erste gereicht.

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6 Comments

  1. says: EffGee

    Setzer, das nächste Mal kommst Du zu Maggo, Aki, Heike und mir in Block 34 in den Bereich 18 Reihen oberhalb des A-Blocks und hast mit unseren Freunden vom Fan-Club Bodensee-Oberschwaben mächtig Spaß ! Egal was aufm Platz passiert ! Garantiert ! PS: Die A-Block-Fans hört man dann auch besser 😉

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