König Otto: Trainerlegende Otto Rehagel

Okay, die Überschrift ist bisschen falsch. Nee, sie ist schon richtig. Nein, falsch. Ach Mist, Erfolge kann König Otto eigentlich genug vorweisen, ist aber trotzdem ein unmoderner Haudegen, also absolut für diese Rubrik geeignet, in der wir eine aussterbende Trainer-Gattung würdigen.

Medienberichten zur Folge steht König Otto Rehhagel vor der unmittelbaren Rückkehr in die Bundesliga und soll Felix Magath bis zum Saisonende in oder auf Schalke ersetzen. Unser Autor JMO2 hat auf dieses Chaos, das gerade in Gelsenkirchen herrscht, prompt reagiert und einen kleinen Aufsatz über einen der erfolgreichsten und eigenwilligsten Übungsleiter aller Zeiten verfasst.

Nach all den vorangegangen Trainern, die doch eher durch Mundwerk und Frise auffielen, aber doch nie so richtig was auf die Kette bekamen, jetzt quasi als Eilsendung ein echter Meistermacher und Europameister: Otto Rehhagel. Während anderswo Diktatoren stürzen, feiert er wohl seine Auferstehung, so kanns gehen. Im Fußball ist eben alles möglich.

Der gelernte Maler und Anstreicher und „Grieche des Jahres 2004“ aus Essen ist, wie man so schön sagt, „ein echtes Kind der Bundesliga“. Verdiente sich als Spieler vor allem seine Sporen als versierter Ausbeiner seiner Gegenspieler (ein späteres Zitat von Otto: „Die sollen sich nicht so anstellen, bei mir zählen nur glatte Brüche als Verletzungen“).

Insgesamt spielte er 201mal in der Bundesliga, nämlich für die alte Tante Hertha aus Berlin und den 1.FC Kaiserslautern. International aktiv war er auch, nämlich 1960 in der Nationalmannschaft der Amateure – insgesamt zweimal. Ales jetzt nicht so herausragend.

Ich nehme an, dass die Kickerei für ein schickes Eigenheim mit Frau Beate gereicht hat, aber reich wurde man damals ja nicht mit dem Fußball, noch weniger konnte man ja zu der Zeit nach der aktiven Karriere sich als windiger Spielerberater durchschlagen oder als „Experte“ beim TV arbeiten. Und bevor es zurück in den Malerbetrieb ging, fing Otto eben als Trainer an.

Die ersten Jahre, ab 1972-1980 sind relativ schnell abgehandelt. Seine Teams waren scheiße und er konnte daran nicht viel ändern. Seine Haltbarkeit entsprach dem eines Peter Neururer, aber dem Peter hat er nicht nur Meistertitel voraus, sondern auch den zweifelhaften Erfolg eine 0:12-Niederlage seiner Mannschaft zu betreuen, geschehen am letzten Spieltag der Saison 1977/78. Wie gesagt Rum und Ehre hat Otto in diesen Jahren nicht gerade errungen, wenn man vom DFB-Pokal mit Fortuna Düsseldorf 1980 absieht.

Den richtigen Durchbruch als Übungsleiter schaffte Rehhagel während seiner Zeit bei Werder Bremen. Er übernahm den Verein in der zweiten Liga und formte während seiner 14jährigen (!) Amtszeit (April 1981 bis Juni 1995) den SV zu einem Spitzenteam. Wurde zweimal deutscher Meister (1988 und 1993), zweimal Pokalsieger (1991 und 1994) und gewann 1992 den Europapokal der Pokalsieger (RIP).

Desweiteren wurde er viermal Vizemeister und verlor noch zwei Finale um den DFB-Pokal während seiner Zeit. Die schlechteste Abschlussplatzierung in der Bundesliga war ein neunter Platz, der aber durch den Europapokalgewinn abgefedert wurde.

Alles in allem nicht schlecht, wenn man bedenkt, dass die Erfolge zum großen Teil ohne Topstars, Ausnahmen sind Rudi Völler und Kalle „Air“ Riedle, errungen wurde, sondern von solchen Spielern wie Rune Bratseth, Wynton Rufer, Dieter Eilts, Oliver Reck, Norbert Meier, Jonny Otten, Günter Hermann, Frank Neubarth und Marco Bode. Markant war auch immer der Pfiff auf dem kleinen Finger, mit dem er während eines Spiels auf sich aufmerksam machte. Mir gelang das nie und wird es wohl nie gelingen.

Im Sommer 1995 dann der Wechsel mit Trompeten nach München zum FC Bayern. Ich kann mich noch gut erinnern, wie man damals vom „Dream Team“ sprach, zumal Otto den Wurst-Uli überreden konnte mal die großen Scheine auszupacken. So wurden neben Klinsi aus Tottenham u.a. damalige Größen wie Sforza vom FCK, Andi Herzog von Werder oder Thomas Strunz vom VfB geholt. Ein Blick auf den damaligen Kader zeigt nicht nur, dass der Mittelscheitel gepflegt wurde, sondern auch die Qualität an sich stimmte – zwölf Nationalspieler aus fünf Ländern und 75 Millionen Mark teuer.

Er wurde vom Franz als „bester Trainer für das beste Team“ begrüsst, doch die Elefantenhochzeit scheiterte. Warum es für Otto nur zum UEFA-Cup-Finale langte – den Pokal selbst hat dann der Kaiser himself als Interimstrainer geholt – lag wohl am Umfeld. Bei Bayern wollen nun mal 100 Leute reinreden, während Otto in Bremen und später auch beim FCK die alleinige Herrschaft über die sportlichen Belange hatte.

Otto zu dem Thema: „Ich bin der Chef, ich fälle alle Entscheidungen im Alleingang.“ Beim FC Bayern war er schnell wieder raus, da half es auch nichts, dass er seinerzeit auf dem Klingelschild „Rubens“ seiner Schwabinger Wohung stehen hatte.

Doch lang war er nicht auf Stütze angewiesen, denn im Sommer 1996 kickte der zuvor zum ersten Mal aus der Bundesliga abgestiegene FCK seinen Trainer Eckard Krautzun raus und holte in einem Sensationscoup Otto in die Pfalz. Eine große Rolle dabei spielte der damalige Vorstandsvorsitzende der Pfälzer, Jürgen „Atze“ Friedrich.

Jener Friedrich war seinerzeit Inhaber eines Herrenmodengeschäfts in der Innenstadt Kaiserslauterns, nämlich von „Atze’s Men Shop“ (Lol!, anm. KTV) . Überhaupt auch eine sehr schillernde Figur im Fußballbusiness der End-90er und Früh-00er Jahre, dieser Atze. Aber der spielt ja hier nur eine Nebenrolle, denn Otto eroberte die Pfälzer Herzen im Sturm. Ihm gelang prompt der Wiederaufstieg. Niederlagen setze es nur in den Auswärtsspielen in Berlin, Meppen, Zwickau und Mannheim.

Richtig rund bei den Roten Teufeln ging es dann in der nächsten Saison. Im ersten Saisonspiel wurde gleich bei Ottos altem Arbeitgeber FCB gewonnen und am Ende stand Platz 1. Damit war man der erste Aufsteiger, der auf Anhieb Meister wurde. Auch diese Saison verlor man wieder nur vier Saisonspiele. Wer mehr zu diesem unfassbaren Wunder erfahren möchte, sollte sich Andi Brehmes Aufsatz im 11 Freunde Spezial „Die 90er“ durchlesen, wurde auch mal auf Spiegel veröffentlicht.

Schlussendlich war dann auch in der Pfalz nicht alles Gold was glänzte. Seine eigenwilligen Trainingsmethoden und seine Persönlichkeit haben ihm am Ende nicht geholfen, im Herbst 2000 war Schluss beim FCK.

Aber Otto hat noch einen in Petto. Was sich die Griechen dachten, als Otto bei ihnen 2001 anfing und gleich im ersten Spiel gegen die Fußballmacht Finnland 1:5 vergeigte, das weiß man nicht. Aber Otto setzte sich durch, unter seine Fuchtel gelang ihm die Qualifikation für die Europameisterschaften 2004 und 2008 sowie für die Fußball-WM letztes Jahr in Südafrika.

Das alles wird natürlich vom Sensationsgewinn der EM 2004 überragt, als man völlig überraschend und als absoluter Außenseiter den Titel gewann. Dank einer veralteten Taktik mit Libero in der Abwehr und dem großartigen Angelo „Euro-Harry“ Charisteas im Sturm, der aus einer Chance mit traumwandlerischen Sicherheit ein Tor machte, das oft reichte. Kritik an seiner unmodernen Spielweise konterte Otto folgendermaßen für die Fußball-Annalen und längst legendär: „Modern spielt, wer gewinnt“.

Und wenn man Otto wohl gewogen ist, dann kann man aus der Teilnahme bei der Weltmeisterschaft auch etwas Gutes ziehen. So erzielten die Hellenen dort ihre ersten Tore bei einer WM-Endrunde. In seine griechische Zeit fallen neben dem schon oben angeführten Titel „Grieche des Jahres“ auch die Ehrenbürgerschaft der Stadt Athen. Zudem wurde er Weltnationaltrainer 2004 und durfte die olympische Fackel tragen.

Ich mag Otto wirklich, vielleicht aufgrund seiner Eigenwilligkeit. Und natürlich, weil er immer wieder in den Kicker-Sonderheften meiner Kindheit und Jugend auftauchte, neben der unvermeidlichen Portas-Werbung von Werder. Er hat immer einen Spruch auf den Lippen, die sind zwar nicht solche Gassenhauer wie beim Peter oder Stepi, verfehlen trotzdem ihre Wirkung selten. Und nicht zu vergessen, die angebliche Affäre zwischen Ottos Frau Beate und dem damaligen FCK-Libero Hany Ramzy, die so gar nicht ins Bild passt. Aber wer Moonboots trägt, den schockt so was auch nicht.

Insgesamt nicht schlecht, was der Bergmannssohn da errungen hat, trotz oder gerade seiner Persönlichkeit wegen. So entgegnete er in seiner Münchener Zeit Christian Ziege in einer Mannschaftssitzung, als dieser sich nähere Erläuterungen wünschte: „Was kann ich dafür, wenn Sie keine Ahnung vom Fußball haben.“

Und Uli Hoeneß, der nicht nur Würstchen herstellt sondern auch mal CSU-Wahlhelfer war, meinte zu den Ansichten Ottos:“Im Vergleich zu Rehhagel könnte ich Juso-Vorsitzender sein.“ Tja, und wenn er jetzt mit Schalke noch Pokalsieger wird und die Champions League holt, dann kann man sagen: Alles richtig gemacht! Aber erstmal freut es mich, das „Euro-Harry“ wieder in der Bundesliga stürmt – den hat der Felix ja schon vorsorglich im Winter geholt.

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7 Comments

  1. says: Aussenreporter

    Dieses Schalke ist so unfassbar! Und dieser Rehhagel lässt den hässlichsten Fußball der Welt spielen. Ich halt’s nicht aus!

  2. says: JMO2

    Einfach wunderbar was da auf Schalke abläuft. Dazu die Meldung, das Loddar womöglich bei 1860 anfängt, was für ein schöner Tag 🙂

  3. says: 1893

    JMO2 Das schlimme ist ja, dass die 60ger so kaputt sind und den Loddar wahrscheinlich sogar nehmen würden.
    Dann hätte es beim 498 Anlauf endlich geklappt mit einem Job in Deutschland bei dem er sich gekonnt wieder selber ins Gespräch gebracht hätte.
    Vielleicht tritt er ja in Tschetschenien noch auf ne Miene, ok vielleicht bissle Krass es würde auch einfach reichen wenn er seine Zunge verlieren würde dann haben wir wenigstens ruhe. In diesem Sinne: „Ein Wort gab das andere – wir hatten uns nichts zu sagen.“

  4. says: JMO2

    @1893: sicher, die 60er müssen jetzt die Suppe auslöffeln die sie sich vor rund 10 Jahren selber eingebrockt haben. Das Konzept damals war halt (zu?) sehr auf Kante genäht und jetzt müssen die hoffen das a) sie irgendwelche Talente an Bundesligavereine verscherbeln können um Löcher im Etat zu stopfen und b) das irgendwer so blöd ist, massiv Kohle reinzupumpen.
    Aber die haben intern so ein Chaos, da kann so eine Drohung mit Matthäus vielleicht die Gräben zuschütten 🙂
    Im Endeffekt tuts mir um die Löwen jetzt nicht so leid, da das alles hausgemacht ist. Und die vielen Fans die sie haben sollen? Wo sind die denn? Das können unmöglich alles Gegner der Allianz Arena sein, denn bei den Heimspielen der Amateure sind die auch nicht so zahlreich.
    Ich danke Loddar immer noch, das er damals sein „Tagebuch“ veröffentlicht hat, ein ganz großes Werk im Bereich der „Fußballliteratur“.

    Und schade, das Magath jetzt wohl doch bleibt bis zum Saisonende, aber auf Schalke ist nichts sicher

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