S-Bahn & Stadtbahn: Erst aussteigen lassen, dann einsteigen

Tugendpost. Alte-Zöpfe-Post. Alte Zöpfe, die man in diesem Fall mal nicht abschneiden muss. Liebe Nutzer der Öffentlichen Verkehrsmittel, egal ob jung, alt, groß, klein, dick, dünn, weiblich, männlich, intersexuell, man muss garantiert nicht alle Regeln im Leben befolgen, und ja, ich weiß, jeder sitzt gerne im Flieger am Fenster und jeder will der Erste sein in einem U-S-Bahn-Viersitzer, freie Platzwahl ist eine super Sache, aber manche Regeln wiederum machen wirklich, wirklich Sinn. Ganz fei echt jetzt.

Zum Beispiel die olle Leier von „erst aussteigen lassen, dann einsteigen“ hat sich sich seit Erfindung der U-Bahn damals von Martin Luther oder dem ersten Papst absolut bewährt. Übrigens international.

Auf lokaler Ebene hat man das Prinzip oder besser gesagt die Problematik vor längerer Zeit mit zwei gegenüberstehenden Football-Teams an den Türen  der Bahnen symbolisiert. Leider hat man die schon vor längerem abgekratzt. Das hat seinerzeit eigentlich jeder kapiert.

Wenn zwei Football-Teams aufeinander zu rennen, kommen sie in der Regel auch immer nur ein kleines Stückchen weiter, außer z.B. es wird ein genialer Pass auf einen freien Spieler geworfen, der dann die feindlichen Linien durchbrechen kann. Bei weiteren Fragen zu Football bitte meinen Nachbar kontaktieren, der ist da jetzt voll drin.

Eine S-Bahn- oder U-Bahn-Türe ist leider nicht so breit wie ein amerikanisches Footballfeld. Geniale Spielzüge sind an den Haltestellen schwer möglich, außer man ist vielleicht klein und flink und schlängelt sich geschickt durch.

Weiterhin muss man generell festhalten, dass zwei aufeinanderprallende Ströme selten so richtig vorwärts kommen, außer z.B. Wasser. Das findet immer einen Weg. Meine werte Mutter sagt übrigens immer, Feuer kann man löschen, gegen Wasser biste machtlos, das soll jetzt aber egal sein.

Anders gesagt: Ihr fahrt ja auch nicht mit eurem Auto auf der Spur des entgegenkommenden Fahrzeugs, oder?

Gut. Spielen wir es nochmals durch. Ihr steht am Bahnsteig. Die Bahn fährt ein.

  • Sucht euch eine Tür eurer Wahl, die euch besonders gut gefällt oder in eurer unmittelbaren Nähe ist.
  • Checkt schon beim Einfahren, wie viele Menschen sich auf das Aussteigen vorbereiten
  • Sind keine Menschen in der Bahn oder will niemand aussteigen, könnt ihr einen Boris-Becker-Gedächtnis-Hechter auf einen freien Sitzplatz eurer Wahl machen
  • Wollen Fahrgäste aussteigen, bildet für diese mit euren temporären Wartefreunden ein Spalier, Minimum in der Breite der Türe
  • Ich weiß, Spalier stehen fühlt sich so an, als hätte man gerade ein Champions League Finale verloren. Ihr werdet aber höchstwahrscheinlich nie in einem Champions League Finale stehen, könnt jenes somit nicht verlieren, sondern ihr wollt lediglich ein öffentliches Fortbewegungsmittel betreten. Da ist Spalier stehen keine Schande
  • Nachdem alle Menschen mit einem Ausstiegsbedürfnis ausgestiegen sind, könnt ihr nun die Bahn betreten. Wenn ihr besonders freundliche Wesen seid, lasst den Älteren den Vortritt. Und falls ihr obendrauf noch ein Gentleman sein solltet, die Damen bitte zuerst
  • Gibt es keinen freien Sitzplatz, geht die Welt definitiv nicht unter

Danke für die Aufmerksamkeit. Ich wünsche einen wunderschönen, sonnigen Nachmittag, auch wenn die VVS schon wieder die Preise erhöht hat. Die alten Frechdachse.

Update: Mir ist eingefallen, dass es oben einen (Denk)Fehler gibt. Bei einem Champions League Finale stehen die Gewinner Spalier und die (geknickten) Verlierer müssen durchlaufen, sprich ist das bisschen dämlich und müsste z.B. richtig heißen:

  • Spalier stehen fühlt sich geil an. Wie in einem Champions League Finale müssen die Aussteige-Looser an euch vorbei laufen.

Aber um es mit den Beginnern zu sagen: Der Reim ist fett.

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29 Comments

  1. says: Martin Sp.

    Lass mich mal sherlock-holmesisieren. Du hat zu deiner Rückkehr vom Schalottenplatz die U benutzt und konntest an deiner Ausstiegshaltestelle nicht raus? 😉 Denk dran, zur Zeit ist Winter. Keiner weiß wie breit du wirklich bist, wegen der dicken Jacke. Leicht die Arme auseinander, wahlweise grimmig oder woanders hin schauen, und los laufen. Die Möchtegern-Einsteiger machen entweder Platz oder schauen bedröppelt nach dem Bodycheck.

  2. in Ergänzung zu Martin Sp.:
    Ganz wichtig: Im richtigen Augenblick (ganz kurz vor dem Bodycheck) Brust- und Schulterpartiemuskulatur anspannen. Bringt einem selbst weniger, dem „Uneinsichtigen-In-Die-Bahndrängler“ mehr Schmerzen. 😉

  3. says: Anja

    Ohja, der Bodycheck! Bewährtes Mittel, wenn die Leutchen geballt VOR der Türe der U-Bahn stehen, wenn man aussteigen möchte… Da heißt es dann: AB DURCH DIE MITTE!

  4. says: franzi

    irgendwie klappt das mit den guten manieren nicht mehr so…ganz toll ist auch morgens die bahn mit den schülern: wenn man denen im weg sitzt bekommt man so einen schulranzen halt mal ins gesicht.
    selber schuld wenn man da im weg ist^^

  5. says: Dori

    würd ich am liebsten audrucken und dan die bahnsationen kleben. die meisten menschen blickens echt nicht. vielleicht schreibst du noch was über das korrekte benutzen einer rolltreppe (links gehen, rechts stehen und so :-))

  6. says: No 2da Ra

    Hahahahahaha – mal wieder ein meisterlicher Text! Was is nochmal tschämpiäns lieeeg? Naja, jedenfalls noch so ein Grund warum ich lieber Auto fahre…aber die Frechdachse bei den Mineralölkonzernen passen sich auch immer schön denen bei der VVS an…

  7. says: MCBuhl

    Ich spiele da auch immer gerne mit und bodychecke solche Hindernisse aus dem Weg. Besonders lieb sind mir die Omis, die unbedingt _den einen_ freien Sitzplatz haben wollen, aber die checke ich nicht-die checken mich aus dem Weg. grmlsackzefix!

    Aber mal im Ernst: so ein Beispiel wie das in den KOmmentaren verlinkte Bild mit den Pfeilen wird in S nie funktionieren – die Fahrer halten doch wo sie wollen, ok bei der Stadtbahn stimmt’s ja noch einigermaßen, schlimmer ist Bus! Am Haltestellenschild anhalten? Wo kämen wir da hin? An dem dussligen grauen Viereck, dass den Einstieg symbolisieren soll? Wozu auch. Wie, der wartet in der korrekten Einstiegszone? Da fahre ich doch glatt noch 5m weiter.

    Was er damit sagen will: die Fahrer haben ein geschüttelt Maß an Mitschuld, weil man sich nicht auf die Einstiegszonenmarkierungen verlassen kann.

  8. says: Fitzellurch

    Wo ich hier grad Spießer lese… regt sich noch jemand darüber auf, wenn die Nachbarn die Kartonagen unzerkleinert in die grüne Tonne kloppen?

  9. says: Martin Sp.

    @Fitzellurch: Was heißt Nachbarn? Meine Freundin macht das bei unserem Altpapierkorb in der Wohnung so. Grmpf. Also, wir haben in der Abstellkammer einen Korb, in dem wir unser Altpapier reinwerfen. Von Zeit zu Zeit bring ich den Korb samt Inhalt dann runter zum eigentlichen Altpapiercontainer. Und die Zeit ist immer kürzer, je mehr Kartons meine Freundin in den Korb geworfen hat 🙁

  10. says: Jochen

    Geht mir wie Dori! Ist inzwischen wirklich extrem scheiße wie sich die Leute benehmen!
    Finds auch so krass, dass es nicht immer nur junge Leute sind. Mir erscheint die Generation 60+ auch ganz vorne mit dabei, wenn es um’s Drängeln geht. Manchmal bin ich so genervt, dass ich es dann einfach mit bestimmtem Ton den Leuten ins Gesicht sage: „Erst aussteigen lassen, dann einsteigen!“
    Dann hört man halt immer deren Gegrummel im Weglaufen, aber egal.

  11. says: Stijepan

    In Japan funktioniert das mit dem ein- und aussteigen super! Die Leute warten an Markierung an denen die Bahn dann auch hält und dann wird wirklich ein Spalier gebildet um die anderen austeigen zu lassen bevor sich dann alle versuchen in die Bahn zu drängen. Falls man dann nicht mehr in die Bahn einsteigen kann wegen Überfüllung – keine Problem, die nächste Bahn kommt überpünktlich in 3 Minuten! Da wird man auch nicht angerempelt oder geschubst weil da ein immenser Respekt gegenüber den Mitmenschen herrscht. Das war eine herrliche Erfahrung in Japan. Als ich zurück in Deutschland war, musste ich mich allerdings auch wieder an das Gedränge und die Ellenbogen gewöhnen-inzwischen bin ich auch ganz gut im Ellenbogen verteilen;)

  12. says: Elli

    Danke! Sollte eigentlich selbstverständlich sein. Genauso wie auf der Rolltreppe „rechts stehen, links gehen“. Kennt hier in Stuttgart auch keiner (mehr).

  13. says: TG

    Ich glaube an die klassische Konditionierung und bleibe immer „aus versehen“ mit der Schulter an den Rushern hängen…ich bilde mir ein, dass das einfach funktionieren muss. Der Mensch lernt: Schmerzen = ich steh zu nah, keine Schmerzen = alle okidoki

  14. says: MG

    ich finde wir entwickeln mal eine App fürs auffinden der U-S-Bahn-Türen. In dieser wird einem dann auch per grüner Haken oder so gezeigt, wenn man richtig steht….

    Sonst wird das in diesem Leben mit der Rücksicht auf Andere nichts mehr. ;-)=

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