Buchauszug: Hinter den Kulissen von Stuttgart – Als ich RZA einmal nicht erkannte

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Hallo Leute. Ich bin’s, der Aussie. Früher war ich der Azubi vom Ram bei Kessel.tv, heute arbeite ich in einem Altenheim und habe jetzt ein Buch geschrieben, heißt „Hinter den Kulissen von Stuttgart“.

Das Buch ist wie kessel.tv nur ohne Internet, dafür mit Papier. Papier hat man früher voll oft beschrieben, heute schreibt man What’s App. Ich mag beides. Wenn Ihr den Text mögt, der wo jetzt kommt, wie es auf Schwäbisch heißt, dann könnt Ihr vielleicht das Buch kaufen, und eurer Oma zu Weihnachten schenken. Das war jetzt Werbung und ist verpönt, ich bin aber nicht mehr jung und brauche immer noch das Geld.

Wenn Ihr den Text blöd findet, könnt Ihr euch das Video anschauen. Das hat der Timo Schillings gemacht. Der hat nicht nur brutal schöne haare, sondern kann auch Video und Internet.

Falls Ihr eurer Oma lieber ein Internet zu Weihnachten schenken wollt, macht der Timo das für euch: www.studiovier.tv. Wenn Ihr noch schönere Videos gucken wollt, als diesen Clip hier, in dem ich meinen Hinterkopf mit voll viel Bedeutung durch die Gegend trage, könnt Ihr euch auch noch mein Internet anschauen, es heißt www.hinterdenkulissenvonstuttgart.de.

Dort findet Ihr eine kleine Überraschung: Onkel Emil, den Ihr vielleicht als DJ Emilio kennt, hat auch eine Geschichte für mein Buch geschrieben, weil ich ganz lieb bitte, bitte gesagt habe. Um was es in dem Text geht, verrät euch Marie-Theres Braun auf der Internetseite, die kann nämlich besser vorlesen als wir. Also Tschüss und hoffentlich bis bald!

Als ich RZA einmal nicht erkannte – backstage bei den Hip-Hop-Open

Ein Backstage-Pass! Ein VIP-Bändchen! Manch Festivalbesucher wird bei solchen Begriffen ganz wuschig. Die Vorstellung „backstage“, in jeden Bereich hineinschnuppern zu dürfen und mit den Künstlern einen durchziehen zu dürfen, macht den gemeinen Fan total kirre. Bei den Hip-Hop Open 2013 habe ich viele nette Menschen sehr lange sehr genervt, bis ich die ständige Berechtigung hatte, vom Allerheiligsten aus für die Stuttgarter Zeitung schaffen zu dürfen.

Dabei habe ich im vergangenen Jahr den größten Bock geschossen, der mir in der Schmierzeit 2013 passiert ist.

Aus alter Tradition unterläuft mir mindestens ein grober Fehler pro Arbeitsjahr. Zu den Peinlichkeits-Highlights bisher gehörten ein völlig distanzloses Porträt über den selbsternannten Superstar-DJ Paté No 1, der einst von Feuerbach aus die Welt erobert hat.

Wer es in Feuerbach geschafft hat, kann es überall schaffen, hat schon Frank Sinatra gesungen. Pate Nr. 1, der Superstar der House-Music, lebt mittlerweile in LA, Los Angeles, nicht LE, Leinfelden Echterdingen. Zumindest konnte man ihn dort in diversen GNTM-Sendungen bewundern, wie er arme Zöglinge von Heidi Klum durch die Welt scheuchte.

Mir hatte er zuvor rührende Geschichten über Robbie Wiliams („Des isch ein ganz Netter, aber traurig“), Sly Stallone und 25 000 Euro Gage pro Auftritt eingesungen. Die Geschichten waren so gut, dass ich sie glauben wollte. Mein Freund DJ Ram lachte mich anschließend wochenlang wegen des Textes aus. Völlig zu Recht.

Bei anderer Gelegenheit lobte ich einen privaten Weiterbilder in den Himmel, der Langzeitarbeitslose zu Zugführern umschulte. An Zug-Simulatoren. Auch diese Geschichte war so gut, dass man sie erzählen musste.

Etwas mehr Recherche hätte ihr im Nachhinein vielleicht gut getan, als der Weiterbilder wegen Sozialbetrugs aus Deutschland fliehen musste. In meinem berufsjugendlichen Leichtsinn glaube ich leider viel zu oft an das Gute im Menschen oder vielmehr an die gute Geschichte über den Menschen, während richtige Journalisten hinter jedem Kleintierzüchterverein die Weltverschwörung wittern und aufdecken.

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(Brutal gutes Mood-Bild.)

Mein persönlicher Ausfall 2013 passierte, wie gesagt, hinter den Kulissen der Hip-Hop-Open. Während meiner Studienzeit hatte ich zweimal die Pressearbeit des Festivals koordiniert.Pressearbeit koordinieren ist eine euphemistische Umschreibung für das Betreuen von Erwachsenen, die sich entweder als Künstler oder als Journalisten verkleidet haben.

Wenn sich Radio Eriwan mit 20 Mitarbeitern für das Festival akkreditieren will, erklärt man höflich, dass selbst Antenne Garmisch-Partenkirchen nur mit einem Mitarbeiter vor Ort ist.

Außerdem streitet man sich mit diversen Scherzkeksen, die mit selbst gebasteltem Presseausweis am Einlass randalieren und dabei behaupten, sie seien für den Spiegel akkreditiert – für die Titelgeschichte über feministischen Hip-Hop mit Migrationshintergrund unter besonderer Berücksichtigung des Schüttelreimes im Frühwerk von Schwester Ewa.

Auf der anderen Seite muss man Künstler zu ihren Interviewpartnern geleiten, damit alle Beteiligten am Ende im TV-Beitrag, im Print-Interview oder im Radio-Feature gut aussehen. Ein Künstler von Culcha Kandela hat mir bei der Gelegenheit Schläge angedroht, weil ich ihn allzu nett darum gebeten habe, nicht auch noch das dritte Interview 20 Minuten zu spät anzutreten.

Auch wenn Arbeit normalerweise ein blöder Beruf ist, bei den Hip-Hop-Open war ich immer gerne auf Montage. Es herrscht ein herrlicher Dauer-Irrsinn: Wenn Snoop Dogg mit seiner Entourage in den Backstage gefahren kommt und die größten Muskelberge, die ich jemals live gesehen habe, erst einmal alle deutschen Hip-Hop-Sternchen aus dem VIP-Bereich rauskärchern, ist das ein kurzweiliger Anblick.

Wenn einen Journalisten-Kollegen vor Freude umarmen, weil sie eben eine fünfminütige Audienz beim Wu-Tang-Clan hatten, ist das rührend.

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(Brutal gutes Suchbild: Wo hat sich dieser Herr RZA wieder versteckt?)

Beim Thema „Wu-Tang“ kommen wir meinem besten Fehler 2013 einen entscheidenden Schritt näher. Wu-Tang-Mastermind RZA moderierte beim Festival 2007 hinter der Bühne den Auftritt seines Clans an, das Mikro in der einen, eine Flasche Champagner in der anderen Hand. Ich weinte vor Rührung drei Schritte hinter ihm, weil er in den 90er-Jahren so viele Hip-Hop-Bretter gebastelt hatte, dank derer ich im 0711 Club meinen legendären Ruf als Ausdruckstänzer begründen konnte.

Im Jahr 2013 koordinierte er den Auftritt seines Clans aus dem Hintergrund. Leider übersah ich ihn dabei und schrieb anschließend, der Auftritt sei so schlecht gewesen, weil der Chef nicht anwesend war. Es gab ein kleines Shit-Störmle bei Facebook, und ich schäme mich bis heute wie blöde.

Wie es so weit kommen konnte? Ich weiß es nicht. Bis zu diesem Zeitpunkt war der neuerliche Blick hinter die Kulissen der HHO, wie wir wilden Dinger das Festival abkürzen, wieder eine hochspannende Angelegenheit gewesen.

Wir hüpfen ins Präsens: Zahlreiche fleißige Lieschen in Diensten der Veranstalter 0711 Entertainment und Four Artists wuseln ohne Unterlass umher. Pausenlos brummt es aus den Walkie-Talkies: „An der hinteren Bar ist das Wasser ausgegangen.“ Schwuppdiwupp wird für Nachschub gesorgt. „Künstler Tyga will Barhocker auf der Bühne.“ Dumm nur, dass es auf dem Gelände zwar Stühle, aber nicht die gewünschten Hocker gibt.

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(Auf der Bühne: Rappers. Vor der Bühne: die Waden von Gottfried Stoppel, Gott mit Kamera.)

Von all diesen großen und kleinen Problemen bekommen die 14 000 Besucher vor der Bühne nichts mit. Während sich die Fans an Bands wie Blumentopf oder Beginner erfreuen, tauscht sich hinter der Bühne ein Mitarbeiter des Stuttgarter Ordnungsamtes mit Matthias Mettmann vom Veranstalterteam aus. Wenige Minuten zuvor hatte der österreichische Künstler Left Boy, Sohn des „Afrika, Afrika“-Zampanos André Heller, ein Feuerwerk gezündet, das auch dem Lichterfest gut zu Gesichte gestanden wäre.

„Das Amt für Öffentliche Ordnung ist Schnittstelle zwischen Veranstalter und Rettungskräften“, erklärt der städtische Bedienstete und nennt den Austausch mit den Festival-Machern vorbildlich. In der Regel wird über das Amt für Öffentliche Ordnung (AfÖ)  gerne geschimpft. Der junge Mitarbeiter ist der lebende Beweis, dass auf dem Amt nicht nur sesselfurzende Verhinderer arbeiten. Schade, schon wieder ein Klischee passé.

Das AfÖ -Lob bekommt Matthias Mettmann nicht mehr mit. Er muss sich um das nächste Problem kümmern: Der kalifornische Rapper Tyga hat seinen Auftritt einfach zehn Minuten früher begonnen als abgemacht. Jede Widerrede ist in diesem Falle zwecklos: Der Künstler hat seine persönlichen Bodyguards im XXL-Einbauschrank-Format am Bühneneingang platziert. Mettmann schüttelt ungläubig den Kopf, Zeit zum Lamentieren bleibt aber ohnehin nicht, der Auftritt von Marteria will vorbereitet werden.

„Kannst du bitte ein Ticket überprüfen? Fabian Mayer? Ist nicht ausgedruckt“, brummt es derweil aus dem Walkie-Talkie von Natascha Nopper. „Wenn das so weitergeht, mach ich das Ding aus“, sagt Nopper.

In Pop-Deutschland ist Nopper unter ihrem Spitznamen „Nash“ als popkulturelle Mutter für alles berühmt und berüchtigt. Bringen Die Fantastischen Vier, Bruno Mars oder Max Herre ein neues Album raus, kümmert sich Nopper um die Promotion. Bei den Hip-Hop-Open laufen alle Presseanfragen über ihren Tisch. Sie entscheidet, ob und wann ein Journalist ein Interview bekommt.

Am Veranstaltungstag selber koordiniert sie dann das Zusammentreffen zwischen Künstlern und Pressevertretern. Die Gespräche sind eng getaktet, in 15-Minuten-Zeitfenstern werden Fragen gestellt und Antworten abgespult. „Letzte Frage jetzt, dann ist der Herr von der Zeitung dran“, macht Nopper beim Interview zwischen Künstler Chefket und einem Fernsehmenschen sanft Druck.

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(Kein Selfie, sondern ein 1-A-Aufmacher-Bild, geschossen von Jean-Christoph „Die Linse Schowi“ Ritter. Chefket (rechts) freut sich, dass der Aussie eine schöne Brille hat.)

Rapper Chefket hat sein Tagwerk zu diesem Zeitpunkt längst vollbracht. Ihm war die undankbare Aufgabe zugekommen, das Festival am Vormittag zu eröffnen. Der 33-Jährige trägt es mit Fassung, mehr noch: Er ist ehrlich begeistert, überhaupt beim zweitgrößten Hip-Hop-Festival Deutschlands spielen zu dürfen.

„Die musikalische Detail-Arbeit zahlt sich jetzt endlich aus“, sagt Chefket, der im wunderschönen Heidenheim an der Brenz aufgewachsen ist, gerade eine neue EP veröffentlich hat und mittlerweile in Berlin im Umfeld von Rapstar Marteria zu finden ist. Als Letzterer sich gerade auf der Hauptbühne austobt, wird Chefket abgeholt: Er muss am selben Abend noch im Jugendhaus in Weil der Stadt auftreten.

Während Marteria auf der Bühne seine Geschichten von „lila Wolken“ und „grünem Samt“ erzählt, bekommt man vom Auftritt des Berliners im Produktionsbüro von Nash Nopper herzlich wenig mit. Die Wände des Containers vibrieren vom Bass, die Temperatur wurde in einer finnischen Sauna geklaut, und eine Abkühlung im Backstage-Planschbecken ist auch keine Lösung: Der Mini-Pool ist den Kindern der Künstler vorbehalten. Fehlt nur noch eine Kindertagesstätte für den Nachwuchs von alternden Hip-Hoppern.

Was ebenfalls fehlt: ein funktionierendes Handynetz. Das kommt davon, wenn 14.000 Fans ihre Eindrücke in Echtzeit über Facebook, Instagram und per Fax teilen müssen. Die Nachricht von der Verspätung des Headliners Wu-Tang Clan hat dennoch längst die Runde gemacht. Die Künstler standen auf dem Weg von ihrem Auftritt auf dem belgischen Dour Festival nach Stuttgart angeblich im Stau. So lautet die offizielle Geschichte.

Die wahre Geschichte ist wie immer viel besser, darf aber nur in Ansätzen erzählt werden: Die Hip-Hop-Crew hatte Landschulheim-Feeling im Bus, Probleme mit der Kontinenz und wurde vom Busfahrer schließlich einfach aus dem Wagen geworfen. Vielleicht ist aber auch das nur eine urban legend und der abgecheckte Clan hat sich mit Absicht verspätet, weil er lieber selber Headliner sein will.

So oder so muss das Konzert der Beginner vorgezogen werden, die ihren Auftritt in die Länge ziehen müssen. Von der Hektik hinter der Bühne bekommen die Fans nichts mit.

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(Brutal gutes Suchbild: Wu-Tang hinter der Bühne, nicht im Bild RZA.)

Ich warte noch ein wenig hinter der Bühne auf die lustigen Räpperlein mit dem schlechten Benehmen. Schließlich purzeln sie alle auf die Bühne. Beim Durchzählen geht mir dann RZA irgendwie durch die Lappen.

Das Konzert schaue ich mir von ganz hinten an, um etwas Abstand zu gewinnen. War wohl etwas zu viel Abstand, der Sound ist ein einziger Brei, ich höre nur noch Method Man raus, der Rest ist ein kühles Feierabendbier aus dem Plastikbecher, Enttäuschung darüber, dass die Helden meiner Jugend einen Auftritt ohne Liebe hinlegen und mein persönlicher Fauxpas 2013, als ich in die Redaktion ein paar dünne Zeilen per Brieftaube schicke, dass der enttäuschende Auftritt schließlich kein Wunder sei, wenn das Mastermind fehlt.

Beim nächsten Mal erzähle ich dann von meinem größten Fehler 2014.

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Das Buch gibt´s überall und natürlich auch beim Wittwer oder Amazon.

www.hinterdenkulissenvonstuttgart.de

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