Zwischen Wasen und Weihnachtsmarkt: The Great Stuggiboogiewoogiebenztowni-Depression

Stuttgart taumelt. Zwischen Weindorf und Wasen, zwischen Glühwein-Vision und Fondue-Warteliste, zwischen 4,2 Millionen Besucher:innen im Bierzelt und der Nachricht, dass Bosch wieder Stellen streicht. Die Stadt im Schwebezustand. Ein Tanz auf dem Vulkan, und der Vulkan trägt Trachtenhut.

Das Weindorf war, wie immer, trotz länger, zu schnell vorbei, der Wasen wie immer zu laut, zu groß, zu kräftezerrend. Jetzt liegt da diese merkwürdige Ruhe über der Stadt. Eine postfeste Stille, in der man die letzten Lebkuchen in den Regalen schon rascheln hört. Der städtische Haushalt muss sparen, die Kassen leer, das Konto müde, die Silvesterparty auf dem Schlossplatz abgesagt. Und doch leuchtet alles noch nach, Neon-Schrift und Trachtenflut in den überreizten Augen, Maßkrug auf der Festplatte, Restalkohol im System.

Man spürt, wie Stuttgart versucht, die Fassade zu halten. Zwischen DaPoBo-Cappuccino und Kündigungsgespräch, zwischen Südfrankreich-Storys aus den Herbstferien und Excel-Tabellen voller Sorgen. Die Stadt wirkt wie jemand, der mit Sonnenbrille und Kater versucht, Contenance zu bewahren. Läuft, ja, muss, diesdas ohje. Der Stuttgarter Herbst kennt nur Extreme: Entweder Lichtermeer, Weinberge im Lightroom-Modus oder Langeweile.

Und dann flackert sie auf, die neue alte Sehnsucht: die Fondue Bubbles ab Mitte November im Dorotheen Quartier. Diese kleinen Plastikzeltkapseln der Wohlstandsromantik, in denen geschmolzener Käse die Illusion von Geborgenheit ist. 80 Euro pro Person, so gut wie ausgebucht, seit Wochen. Wer rein will, braucht Vitamin B – oder eine Abfindung.

So schleicht Stuttgart durch den Oktober. Zwischen Baustellen und Bilanzen, zwischen kollektivem Burnout und kollektivem Bock auf Glühwein. Eine Stadt, die sich gleichzeitig zu Tode spart und zu Tode feiert. Meta bis ins Mark.

Vielleicht ist das die wahre Stuttgarter DNA: nicht der Daimler, nicht die Kehrwoche, sondern dieses fragile Gleichgewicht zwischen Krise und Kirmes. Zwischen Fondue und Finanzloch. Zwischen Depression und Dekoration.

The Great Stuggiboogiewoogiebenztowni-Depression. Man lacht, man schluckt, man bestellt noch einen Spritz. Und hofft, dass es bis zum Weihnachtsmarkt nicht mehr so lang ist.

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