„Wir“ sind Weltmeister. Dieses Gefühl stellte sich stark überspitzt formuliert in der Sub Culture Redaktion ein, als unser Graphiker Elmar Jäger mit Sentinel Sound in New York den World Clash 2005 gewann, als erstes weisses wie auch europäisches Soundsystem überhaupt. Und mit einer Frau (Nadia) an den Decks. Randgruppenfaktor drei also.
Zwar konnte (und kann) ich mit Dancehall wenig anfangen, aber schon damals habe ich mich gerne stundenlang mit Elmar über die Szene und vor allem der Clash-Kultur unterhalten.
Toiletten-Werbung rules: Vergangenen Freitag sehe ich aufm Transit-Klo einen Flyer, der der nächste Kingston Hot von und mit Sentinel Sound anpreist (22. Mai im Rocker), Unterzeile „Vize-Weltmeister“.
Stimmt, da war doch was. Anfang April, am Osterwochenende, stand in Montago Bay/Jamaika ein World Clash auf dem Programm und Sentinel wurde nur einem anderen Sound übertrumpft. Zeit mal wieder seinen Graphiker anzurufen.
Erkläre uns doch bitte nochmals kurz, was ein Clash überhaupt ist.
Ein Soundclash ist ähnlich wie ein DJ Battle im Hip Hop ein Contest, bei welchem verschiedene Sounds gegeneinander antreten und das Publikum entscheidet durch Abstimmung den „Champion Sound“.
Gespielt werden ausschliesslich sog. Dubplates, das sind eigens für das jeweilige Soundsystem gevoicte Tracks, in denen der eigene Sound gehypt wird und die anderen Sounds verbal nieder gemacht werden.
Wie wichtig sind diese Clashes für den Stellenwert in der Szene?
Nicht unbedingt jedes Soundsystem kann überhaupt clashen, da die meisten gar nicht genug hochwertiges Dubplate-Material haben, um einen Abend bestreiten zu können. Im Gegensatz zum Juggling (d.h. reguläre, im Plattenladen erhältliche Tracks auf einer Party auflegen) ist der Clash die Königsdisziplin.
Auf einen Clash muss man sich in hohem Maße vorbereiten, sich Performances und Speeches erdenken, einstudieren, Wochen zuvor Dubplates mit den Künstler auf Jamaika aufnehmen…
Stichwort Vorbereitung. Wie aufwendig ist ein Clash?
Unglaublich aufwändig. Von der Tatsache abgesehen, dass es nicht ganz einfach ist, einen Elephant Man, Beenie Man oder Sean Paul erstmal vor das Mikro zu bekommen, um Dubplates für Sentinel aufzunehmen, verlangen diese Künstler teilweise astronomische Summen für einen Dubplate Track.
Wir stecken sehr viel Energie und Leidenschaft in diese Dubplate-Produktionen und schreiben teilweise den Dancehall-Künstlern die Texte komplett um, um sie Sentinel perfekt auf den Leib zu schneidern.
Des weiteren muss der MC des Soundsystems ein jamaikanisches Publikum unterhalten und zwar über einen gesamten Abend. Jamaikaner sind sehr launisch, und wenn Teile des Publikums nicht non-stop von den Speeches des MCs entertained werden, dann fliegen schon mal Flaschen auf die Bühne!
Wie kam es zu dem Clash auf Jamaika?
Sentinel war insgesamt schon sieben Mal auf den Irish & Chin Worldclash-Veranstaltungen, dreimal in New York, dreimal in London und zu Ostern 2010 das erste Mal auf Jamaika.
Die Wahl fiel dem Promoter relativ leicht, da wir das einzigste europäische Soundsystem sind, welches kontinuierlich über die letzten 10 Jahre Clashes auf der ganzen Welt bestritten hat und immer wieder die Massive in Jamaika, USA, Kanada, Japan oder Europa überzeugen konnten.
2005 gewannen wir als erstes europäisches und weisses Soundsystem in der Reggae-Geschichte den Worldclash in New York und dieser Erfolg wurde bislang von keinem anderen Sound in Europa wiederholt. Die Worldclash Serie endete in NY 2007, in London 2009 und dieses Jahr in Jamaika.
Was für Chancen habt ihr euch ausgerechnet? Hattet ihr eine Außenseiter-Rolle?
International gesehen laufen wir unter den Top 8 Clashsounds weltweit und als der führende Clashsound aus Europa. Auf Jamaika hatten wir bereits 2004 geclashed und gewonnen, aber das war kein großer Event, so dass wir auf einmal auf dem gesamten Island berühmt geworden wären.
Dieser Worldclash jedoch in Montago Bay an Ostern hatte mehr als 6000 Besucher. Da durften wir einfach nicht floppen und haben sehr viel Energie in die Vorbereitungen gesteckt, so dass wir auch mit einem gesunden Selbstvertrauen auf der Bühne standen.
Das jamaikanische Publikum fühlt so was und gab uns das wieder zurück, indem wir vier (!) von fünf Runden im Clashverlauf eindeutig per Handabstimmung gewonnen haben!
Außenseiter also nur insoweit, dass wir zuvor nicht in großem Maße auf JA bekannt waren und zudem noch aus Europa kamen. Das jamaikanische Publikum sieht (im Gegensatz zu dem in London oder NY) äusserst selten Weisse als Soundsystems performen.
Im Fokus stand dabei auch MC Shotta Paul und nicht mehr du.
Shotta Paul ist unserer „neuer“ Sentinel MC, der inzwischen auch schon fast zwei Jahre dabei ist, kommt original auch aus Calw, war dann in Konstanz viele Jahre, bevor er nach Stuttgart zurückzog.
Ich wollte ihm die Möglichkeit geben, sich vor einem großen Publikum zu beweisen, weil er sehr viel Potential hat, welches sich nicht unbedingt so entfalten kann ,wenn er permanent in meinem Schatten als der „Original-MC“ von Sentinel steht.
Ausserdem muss ich niemandem mehr etwas beweisen auf einer Clashveranstaltung. Ich mache das seit 10 Jahren und da bin ich froh, wenn ich Paul das Mic weitergeben kann, weil er in der Tat exzellent performed.
Was für Eindrücke habt ihr dieses Mal mitgenommen?
Die Eindrücke waren überwältigend. Der Zuspruch, den wir vom Publikum erhielten war bahnbrechend, alle jamaikanischen Tageszeitungen berichteten über den Event mit großen Berichten und auf der Straße sprechen die Menschen immer noch von dem „whiteman“ Sound Sentinel.
Das ist natürlich immer wieder ein erhebendes und beglückendes Gefühl, wenn man eine neue Crowd in einem neuen Teil der Erde für sich gewinnen kann. Und gerade in Jamaika – wo ja unsere Musik herstammt – ein Star zu sein, ist mehr als man sich jemals zu erträumen wagte.
Ansonsten macht es mich persönlich auch glücklich, dass mein Lebensprojekt Sentinel, welches ich mit Nadia 1998 gegründet habe, nach wie vor so dermassen erfolgreich unterwegs ist, und die neue Generation im Sound mit DJ Meska & Shotta Paul, welche den Löwenanteil der kreativen Arbeit für diesen Clash bestritten haben, das Soundsystem auch weiterhin als „everlasting Sound“ strahlen lassen werden.
Sentinel ist wöchentlich via Podcast auf Kingstonhot.de zu hören.
Big up Sentinel Sound !
sind wir schon ’99 unter der autobahnbrücke bei marbach zu abgegangen! hatte aber 2005 rum nen echten abtörn als ich gecheckt hab dass mein lieblingsriddim „heads high“ eine flammende tirade gegen oralsex ist!
Big up! Ich war schon auf ein paar Clashs und nem Battle, hatte einen Kumpel der sich da sehr gut auskannte und vor allem teilweise übersetzen konnte 😉
Am Sonntag traf ich auf einen Rastamann der mich nur was fragen wollte. Ich stand vor ihm wie vom Donner gerührt. Kein Wort verstanden. Dann plötzlich lacht er mich an und entschuldigt sich, weil er gerade einen Kiffen war und auf mich auf Patwah anquatschte, was einfach nicht zu verstehen ist. Er wollte nur wissen ob man „da vorne“ Cola kaufen kann.Auf „english“ oder was er darunter versteht.
Hört man ja auch im Video, der Junge aus Calw spricht Patwah und keiner Weiser verstehts..;-)
Sentinel hab ich früher oft im Rudeclub gesehen. Wir waren eigentlich immer hauptsächlich wegen HipHop da, haben aber auch öfters mal bei Sentinel abgefeiert.
Was „Heads High“ ist gegen Oralsex? Ich sollte wohl unbedingt mal mein englisch verbessern, weil das früher auch immer mein absoluter Fav war!!!11elf
respect!
Ich hatte bisher noch nie was von der „Disziplin“ Soundclash gehört. Sehr geil: Ich hatte den Text nicht gelesen, sondern gleich auf das Video geklickt und dachte zuerst, der DJ hat technische Probleme und der andere Kerl versucht verzweifelt das Publikum bei Laune zu halten. 🙂
Maximum Respect! Aber finden es die Jamaikaner nicht komisch, wenn ein Weißbrot ihnen was in ihrem Dialekt erzählt? Hab ich mich bei Gentleman schon immer gefragt…
ha sentinel sound kann nur gut sein, die kommen schließlich aus dem gleichen dorf wie ich ;-), oder zumindest einer davon…
@Thorsten W.: soweit ich weiß ist des „weißbrot“ mit einer jamaikanerin verheiratet und hat auch ein kind des diesen dialekt spricht. also muss er des doch können 😀
Ich find es toll, dass sie so erfolgreich sind. Hab sie auch schon ein paar mal live sehen können.
Allerdings finde ich es immer irgendwie albern, wenn die „Weißen“ Patois sprechen und diese Shouts machen.
Ja man, super respect. Der elmar hat sein ding echt durchgezogen – der meinte schon 99, daß sein ziel ist das beste soundsystem der welt zu werden, da hat jeder noch gelacht … ich kann mich vor allem an wahnsinnige partys im blessed love record store im alten güterbahnhof in bad cannstatt erinnern, oder sentinels eigenes party-zelt auf dem campingplatz der summer jam.
soundclashes fand ich aber immer extrem anstrengend, da muss man schon sehr drin sein um zu raffen was ein dublate jetzt besonders macht.
oha krass!
ich war glaub auch schon seit 2002 oder so nicht mehr auf solch einer veranstalltung. früher mochte ich es auch im zollamt auf dem dance hall floor abzufeiern…
Man kann aus jeder Zeile rauslesen, dass Elmar und seine Leute das wirklich leben. Und Leidenschaft ist genau das, worauf es auf der Bühne und in der Musik ankommt. Sehr sehr geil. Danke dafür.
RESPECT!!! Ja ja, die Parties unter der Autobahnbrücke in Freiberg. Geile Zeit war das.
Danke für die ganzen Bigups & Grüße an die Old-School Reggaeheadz, von denen sich ja hier doch schon einige rumtummeln. Freut mich, die Kommentare hier zu lesen!!! @Thorsten W.: Die Jammies sind da sehr stolz drauf, wenn Weisse oder Nicht-Jamaikaner ihre Musikkultur (u.a. auf der Bühne) aus-leben und representen. Und wenn diese dann sogar noch nachhaltig überzeugen und nicht nur kurz den „reverse Exotenbonus“ einheimsen, dann feiern sie dich auch. Grüße, Elmar
Ok, hat mich wirklich interessiert…