Die Frage, wo ich meinen Sommerurlaub verbracht habe, kann ich dieses Jahr mit der schönen Antwort „Vaihingen, Stuttgart-Vaihingen“ beantworten. War nur teilweise so geplant, aber egal. Hier jedenfalls die Tips aus den letzten drei Wochen.
Das Umsonst & Draußen
Das Umsonst & Draußen findet immer Anfang August auf einer großen Wiese hinter der Uni Vaihingen statt. Auf dem Gelände ist es tagsüber schön warm und nachts sehr kalt. Ich weiß das, weil ich tatsächlich dort übernachtet habe. Man könnte als nachts sein Verräterbier einfach draußen stehen lassen und abkühlen lassen… aber sowas hatte ich natürlich nicht dabei.
Ich bin immer ganz begeistert, wenn junge Frauen in richtigen Festival-Glamour-Outfits über die U&D-Wiese gehen. Mit Glitzer im Gesicht und so. Eine hatte wohl auch extra Gummistiefel angezogen. Die waren dann aber doch zu warm und standen verlassen neben einer Mülltonne. Ein netter Mensch – dort sind sowieso nur nette Menschen – hat die verlassenen Stiefel dann auf die Theke gestellt. Bootsharing ist ja im Trend. Irgendwer hat sie dann mitgenommen und die schönen Teile haben neue Füße gefunden.
Die Boccia-Bahn
Die Boccia-Bahn ist im Vaihinger Stadtgarten, zwischen S-Bahn-Bahnhof und Vaihingen Zentrum. Es gibt an der Bahn eine große Holzkiste. Ich habe mich nicht getraut, nachzuschauen, was dort aufbewahrt wird. Aber der Deckelinnenseite steht „Deckel“. Das finde ich gut und bin sicher, dass die Kiste nur deshalb richtig zusammengebaut wurde.
Boccia wird über Bande gespielt und mit großen Holzkugeln. Die Boccia-Spieler sind freundliche Herren die farblich auf ihre Boccia-Kugeln abgestimmte Kleidung tragen. Sie sind verdammt gut in diesem Spiel. Das Zuschauen ist ein Genuss. Es wird ganz unschwäbisch gelobt, wenn einer einen guten Wurf macht. Mitspielen darf man aber bestimmt erst nach 15 Jahren intensivem Zuschauen.
Spezial-Tip für euch: Man darf NIEMALS auf einer Boccia-Bahn mit Boule-Kugeln spielen, weil sonst die ganze Bahn kaputt geht und man umgehend in die Hölle kommt und 1000 Jahre lang mit Boule-Kugeln beworfen wird.
Leider habe ich weder von der Bahn noch von der Hölle ein Foto. Der Brunnen auf der anderen Seite des Parks ist aber auch hübsch.
Vaihinger Markt
Ziemlich sicher hat der Vaihinger Markt in den 80ern alle Städtebau-Wettbewerb-Preise dieser Erde abgeräumt. Das sieht man dem Vaihinger Markt an. Leider gab es damals noch kein Internet und ich kann das nicht recherchieren, aber mit überdachten Glas-Arkaden, dezentbunten Farben und Tiefgarage drunter, war das sicher mal das Feinste vom Feinsten. Jetzt ist der Vaihinger Markt ein „Problemfall“ und „zum Weglaufen“. Der Brunnen, der mal die Hauptattraktion war ist längst weg und trotz allem halten sich hier Leute auf. Nehmt das, Städteplaner!
Es gibt Eis für unglaubliche 1,00 Euro pro Kugel. Auf dieses Eispreisdumping wurde ich prompt von einer engagierten Passantin hingewiesen, kaum hatte ich meinen Fuß auf den Platz gesetzt. Sowas passiert einem in der Innenstadt sicher nie – weder der Preis noch die mündliche Info.
Außerdem gibt es am Vaihinger Markt das „Café am Markt“. So unkreativ der Caféname ist, so unfassbar umfangreich ist hier die Speisekarte. Vor allem die Frühstücksauswahl. Aber ich sage es gleich dazu: Hier gibt es nichts mit Avocado und auch keine Eggs Benedict. Dafür aber Toast Hawaii und alles mit Lachs.
Der hübsche Vaihinger Markt verlor seinen Glanz in den frühen 2000ern durch die SchwabenGalerie direkt nebenan. Die hat – wie jede andere um ein paar Rolltreppen herum gebaute Ankermieter-Ansammlung – mit Leerstand und Gesichtslosigkeit zu kämpfen. Aber wir wissen ja: Dein Einkaufszentrum braucht dich.
Corso Kino
„The Corso Cinema International“ ist das kleine Kino am Schillerplatz. Hier gibt es nur Filme im (englischen) Originalton – selbst Untertitel sind eher verpönt. Das Programm ist recht umfangreich für zwei Säle. Der Sound so gut, dass man hin und wieder einen Film sieht und den zweiten durch die Wand hört. Kommt auf die Parallelität von leisen Stellen im einen und Film-Explosionen im anderen Film an.
Kino ist längst tot, eh klar. Aber im Corso ist immer was los, was daran liegen könnte dass es in Vaihingen viele Arbeitnehmerinnen der US Army gibt und eine Menge Studierende aus aller Welt. Die Snack- und Getränke-Auswahl im Corso auch sensationell. Dafür gibt es drinnen auch genug Abstellfläche statt dämlicher Getränkehalter. Bitte genau so lassen. Danke!
Falls noch jemand außer mir die „Komm wir geh’n ins Kino“-Leuchtreklame vermisst, die einem kleineren Umbau zum Opfer gefallen ist: Sie wird wahrscheinlich draußen wieder aufgehängt werden.
Maulwurf
Wer nach dem Corso-Popcorn noch Platz für ein Bier im Bauch hat, geht ein paar Meter weiter Richtung Möhringen zum Maulwurf. „Legendär und urgemütlich – über ein Vierteljahrhundert gibt’s den MAULWURF schon in Stuttgart-Vaihingen.“
Hier wird noch auf den Bierdeckel notiert, was ihr bestellt. Es gibt sehr viel verschiedenes Bier und irgendwas mit VfB ist natürlich auch. Draußen sitzen darf man bis maximal 22.30 Uhr, drinnen noch viel länger.
Ja, so war der Sommer im äußeren Stadtbezirk 2019. Gerne wieder. (Dann vielleicht mit einer besseren Smartphone-Kamera.)
Pretty awesome!
#VaihingenIstImmerEineReisewert
Nichmal die Bibliothek besucht… wobei, bestimmt besucht und dann sich geschämt drüber zu schreiben, dass man drin war! 😀
@ Chris: Das hole ich nach! Die Öffnungszeiten sind über den Sommer sehr sportlich.
toller Tip
Früher gab‘s für und wegen der Amerikaner in Vaihingen die sensationelle Gastro „Moms Dagwood Sandwich“, deren vierfingerdick belegte Brote ich bis heute vermisse.
Geschäftsmodell: Vierfingerdick belegt Brote – endlich in Stuttgart!
Name: Fourfingerguys. Unmanned Sandwiches.
Sehr gut, der Krupa soll das Schild designen.
Da wohnen wo andere Urlaub machen 😉
@ Boomin Granny: Dann ist es ja gut, ja stimmt, die Öffnungszeiten während der Sommerferien sind schon speziell, auf der anderen, noch bis vor 10 Jahren waren alle Stadtteilbibliotheken über den Sommer geschlossen. Ist auf jeden Fall nen Besuch wert! 🙂 Vor allem haben die viele Graphic Novels, Blu-Rays und PS4-Spiele! 🙂
Alice Cooper im Corso: https://de-de.facebook.com/130696006970381/photos/a.3734180683288544/3734165056623440
Den Beweis dafür, WIE schick und angesagt der Vaihinger Markt war, hab ich gestern in der SWR Mediathek bei „Oh Gott, Herr Pfarrer“ von 1988 entdeckt: Alle urbanen Stuttgart-Szenen (auch die Prügelei mit den Feldjägern in der Pilot-Folge und der Pfarrer geht vom Trollinger besoffen aus der Kneipe heim) sind dort gedreht worden. https://www.ardmediathek.de/swr/sendung/oh-gott-herr-pfarrer/staffel-1/Y3JpZDovL3N3ci5kZS9zZGIvc3RJZC8xMjQ2/1/