Über Zeit-Management & Unpünktlichkeit und echte Freund:innen

Im 1. Stock warten eine DJ-Konsole auf die Besucher und ganz oben VR-Graffiti-Action.

Ich warte wieder auf meine alte Freundin Kai. Wir kennen uns seit keine-Ahnung-wie-lange-schon-und-höchstwahrscheinlich-aus-der-Radio-Bar, als sie auf meinen noch älteren Freund Marc scharf war und er auf sie. Also vor rund 10 Jahren.

Das zwischen Marc und Kai ging leider nicht lange. Aber kein Problem. Marc hat heute einen Sohn, den er Finn-Henry getauft hat, und Kai hat sich kürzlich verlobt.

Auch wenn das mit Marc und Kai nichts wurde, hat die Freundschaft zwischen mir und Kai ganz gut gehalten. Das hängt vielleicht auch damit zusammen, dass sie quasi in meiner Nachbarschaft lebt, seit kleinauf.

Eine Freundschaft mit Tücken wohlgemerkt. Denn ich habe schon relativ oft und auch relativ lang auf Kai in den letzten Jahren gewartet. Ich denke mal circa 12 Stunden meines Lebens. Sie kommt notorisch zu spät. Oder verpeilt die abgemachte Treffpunkt-Wirtschaft.

Ich stand schon irgendwo draußen vor irgendwelchen Restaurants und Bars, zum Mittag, zum Kaffee, in der Kälte, in der Hitze, 10 Minuten, halbe Stunde, eine Stunde, mehrere SMS geschickt, angerufen, zusammengeschissen. Ich hasse das. Unpünktlichkeit.

Um ehrlich zu sein, ich hasse nichts mehr als Unpünktlichkeit. Also sowohl aktive als auch passive Unpünktlichkeit. Ich glaube, ich bin überaus pünktlicher Mensch. Kai weiß das.

Angeblich sitzt sie gerade noch im Büro. Schreibt sie per SMS. Wir wollten uns eigentlich treffen und über meinen Urlaub und so zu plaudern, was man halt so plaudert wenn man sich alle zwei, drei Monate mal sieht.

Das probieren wir schon seit mehreren Wochen zu arrangieren. Aber sie ist wahrscheinlich ein Business Punk. Kai kennt nur zwei Extreme. Bis zum Anschlag knechten oder arbeitslos. Das war sie auch schon einige Zeit lang. Da haben wir uns etwas öfters getroffen. Beziehungsweise ich habe öfters gewartet.

Normalerweise würde ich mich jetzt furchtbar aufregen, aber heute ist es mir egal. Bin selber erst nach 8 heimgekommen und kann somit auf der Couch endlich mal ein paar neue Platten anhören. Mos Def LP, gut, sehr gut sogar, eine Maxi auf dem schönen Label White, irgendwas von Pepe Bradock, dann den famosen Ame-Remix für Newworldaquarium oder die Wax 20002 aus dem Hardwax Umfeld.

Zwischendurch checkt man ironischerweise dauernd den ganzen Web-Kram, obwohl – keine neue Erkenntnis – man schon den ganzen Tag vor der Kiste sass. Aber Innervisions hat doch immer so schöne Musiktips, es gibt einen neuen Blog aus Stuttgart namens Lilbit.de und Facebook sieht traditionell so aus wie myspace.

Es gibt schon wieder einen neuen all over FB-Trend: Im Akkord Musikclips posten. Damit will man seinen guten Musikgeschmack demonstrieren. Mein Nachbar macht das auch ganz gerne. Stuttgarts Yacht-House-Crew, diesen Donnerstag wieder im Rocker zu hören, legt nach. Ich würde mich lieber mal um meine Comunio-Mannschaft kümmern, Herr Ehing!

Und dann, ja und dann, addet mich ein Mädchen aus der elterlichen Nachbarschaft. Immer wieder erzählen mir Leute, dass ihnen so etwas schon passiert ist. Mir bislang nicht. Sonja heißt sie. Früher haben wir gemeinsam gespielt und waren zusammen im Kindi. Seitdem? Nichts mehr. Meine heute bekannteste Kindergartenfreundin heißt übrigens Fola Dada.

Bin ich mächtig stolz drauf, was Fola so macht und wie toll sie singen kann usw. Jedem muss ich erzählen: WIR waren ZUSAMMEN im Kindergarten. Ich versuche sie immer über DSDS auszuquetschen, da macht sie Gesangscouching, aber sie lässt kaum was raus wie der Dieter so ist.

Ich glaube mit Sonja hingegen habe ich mich auch öfters mal gezankt. Ich akzeptiere trotzdem und begrüsse sie via Pinnwand recht freundlich. Unser gemeinsamer Freund heißt übrigens: Joe Joe. Stuttgarts finest.

Den besuchte ich übrigens neulich mal im Classic Rock Café beim Auflegen. Das war super. Nachm Transit bin ich da runter. Hab artig angetrunken an der Türe gefragt, ob heute nicht der hoch geschätzte Joe Joe zu Gange ist und ob mich die noch höher geschätzten Türsteher denn reinlassen würden. Ja aber sehr gerne.

Jedenfalls uriger Laden. Also furchtbarer Laden eigentlich. Halber Regenwald zu Gelsenkirchener Barock verarbeitet. Aber ich glaube läuft gut. Stehen immer Leute vor der Türe wenn ich vorbeigehe.

JoeJoe ist vor Schreck fast umgefallen als er mich gesehen hat. Ich musste ihn natürlich prompt zulallen und hab mir glaub „Paradise City“ gewünscht oder irgendwelche Rap-Kamellen. Er war ganz schön bruddelig. Pfälzer können auch ganz schön bruddelige Menschen sein.

Dann hat er eine Ansage gemacht, von wegen wer bis jetzt nichts zum Bumsen abgekommen hat schafft es in den letzten 10 Minuten auch nicht mehr. Nein, irgendwas von wegen letztes Lied oder so.

Letzter Akt Kai. Sie meldet sich. Kai arbeitet irgendwo in Möhringen, beim SI-Centrum oder am Fasanenhof. Ich weiß nicht genau was sie macht, aber ich glaub sie ist eine Art Vorstandssekretärin. Teamassistenz heißt das heute. Morgen hätte ihr Verein Jahreshauptversammlung und sie hat noch unzählige Unterlagen vorbereiten müssen.

Jetzt hat sie Feierabend, aber hängt da oben fest, Bus verpasst, ihr Geheimfussweg runter nach West ist stockdunkel. Sie fragt mich ob sie da entlang laufen soll. Ich antworte mit nein. „Gut, dass wir telefoniert haben, Elbe, sonst wäre ich da vielleicht noch lang gelaufen,“ sagt sie später. Sie nennt mich Elbe wie der Fluss. Mein Spitzname aus meiner Schulzeit.

„Was ist eigentlich mit deinem Führerschein?“ Kai macht gerade erst mit knapp 30 den Lappen. Meine Mutter war glaube ich 42, als sie sich ihren Traum vom Führerschein erfüllte. „Ach, ich bin doch durch die Prüfung geflogen, weil ich auf der Bundesstraße zu langsam gefahren bin“, meint Kai. Ich kann es mir irgendwie wunderbar vorstellen.

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12 Comments

  1. says: Dennis

    also ich poste nur in fb um meinen mitmenschen, die wegen aus diversen gründen weniger zeit, geld und leidenschaft in die musikrecherche investieren, audiale genüsse zu verschaffen…so selbstlos bin ich!!!!!!!!1elf

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