Startups in Stuttgart vs. Berlin: Wo sind die Chancen besser für Gründer?

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Berlin gilt als der Gründerstandort schlechthin. Das Internationales Flair der Hauptstadt und eine gut etablierte Infrastruktur erscheinen fast konkurrenzlos. Aber eben nur fast. Tatsächlich schließt Stuttgart auf. 

Die Industriestadt wird für junge Unternehmen immer interessanter. Im gesamtdeutschen Vergleich landen wir auf Platz 5 der beliebtesten Gründungsstädte! Was ist neu? Eine Frage, die sich Jungunternehmer unbedingt stellen sollten.

Was macht eine Stadt als Gründerstadt attraktiv

Ein gut gewählter Standort bietet einem jungen Unternehmen für seine spezifische Idee finanzielle Unterstützung, die für die Umsetzung notwendige Infrastruktur und ein supportives Netzwerk.

Selbstverständlich geht es dabei um finanzielle Hilfe, ein gutes Netzwerk bietet jedoch mehr. Andere Unternehmer sind eine wesentliche Quelle für Informationen und bieten Marketingoptionen.

Die grundsätzliche Frage lautet damit: Wie passe ich mit meiner Idee ins Gesamtkonzept eines Standorts? Dazu zählen ebenfalls Interesse und Kaufkraft naheliegender Kunden. Finde ich meine Zielgruppe vor Ort? Ist diese Nähe für mich relevant oder operiere ich in einem größeren Rahmen? Kooperationen vor Ort vereinfachen viele Vorgänge und können auch durch schlichtes Outsourcing zum Vorankommen beitragen, wenn ich nur online operiere.

Standort im Kontext zum Angebot betrachten

Auch Steuersätze, Lebensunterhaltskosten und mögliche Fördermittel müssen gegeneinander abgeglichen werden. Eine in sich gute Idee rechnet sich an verschiedenen Standorten äußerst unterschiedlich. Woher kommt mein Startkapital? Was fördern Stadt und Land? Wie teuer sind Geschäftsräume?

Außerdem fragt sich ein potenzieller Gründer, welche rechtlichen Vorschriften sein Wunschstandort setzt. Zahlreiche Branchen sind an gesetzliche Vorgaben gebunden, die sich nicht nur von Bundesland zu Bundesland, sondern bereits von Stadt zu Stadt unterscheiden können.

Man denke nur an die Idee der Gründung eines Casinos. Glücksspiel ist Ländersache, weshalb sich die Bedingungen vor Ort stark unterscheiden können. Ein Online-Casino von Stuttgart aus zu betreiben, wäre allein der Toto-Lotto GmbH vorbehalten, während andere Spielangebote nur eine Genehmigung der GGL voraussetzen. Denkbar ist auch, dass man aus dem Ausland mit einer EU-Lizenz operiert und darauf wartet, was der EuGH diesbezüglich entscheidet. Dann wären z.B. auch Casinos ohne Anmeldung in Deutschland gestattet.

Das Casino-Beispiel führt einem allerdings einen weiteren Aspekt vor Augen: Nicht alle Ideen sind standortabhängig oder förderlich für den Standort und damit für Unterstützer relevant. Was mache ich als User, wenn ich im Internet nach Anbietern suche? Ich finde Casinos ohne Anmeldung auf Wette.de. Als Kunde ist mir die Location des Hosts weitestgehend egal. Ziel ist, von überall aus spielen zu können. 

Der Anbieter kann seinen Standort allein anhand von Kostenfaktoren wählen. Das gilt auch für Online-Shops, digitale Dienstleister und praktisch alle anderen Angebote, die keinen festen Standortbezug haben.

An der Start-up Spitze einsteigen

Berlin und Stuttgart stehen gleichermaßen unter den Top-5 der Gründungsstandorte. Für Berlin ist das nichts Neues, Stuttgart jedoch hat sich gemausert. In Anbetracht des Finanzierungsvolumens liegt Stuttgart allerdings weiterhin zurück. Hier zeigen Statistiken Defizite im Bereich des Wagniskapitals auf. Berlin bietet eher eine starke Venture-Capital-Kultur. 

Für die Hauptstädter ist jedoch der direkte Wirtschaftsbezug weniger stark relevant. Stuttgart ist vor allem ein bedeutender Automobil- und Technologiestandort, der Jungunternehmern die Option bietet, mit etablierten Firmen zu kooperieren.

Womit punktet Berlin?

Berlin bietet einen hohen Durchgangsverkehr. Ein lebendiges und offenes Publikum nimmt neue Geschäftsideen unvoreingenommen an. Die Vielfalt an Branchen vor Ort bestätigt diese Annahme. Zudem gestaltet sich das Angebot an Fachkräften aus aller Welt in Berlin ausgesprochen vielfältig. Mitarbeiter und Kooperationspartner sind schnell gefunden, Hochschulen und Universitäten sorgen regelmäßig für Nachschub. 

Förderer sehen in diesen Beziehungen gute Wachstumschancen und gewähren eher Unterstützung. Entsprechend viele Förderprogramme können in Anspruch genommen werden. Staatliche Investitionen sorgen dafür, dass grüne Technologien und wesentliche Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz fruchtbaren Boden finden.

Allerdings entstehen durch die zahlreichen Neugründungen der letzten Jahre auch gewisse Engpässe. Es ist nicht leicht, in Berlin Geschäftsräume zu finden, eine komplexe Bürokratie und das hohe Konkurrenzaufkommen erschweren den Unternehmenseinstieg zusätzlich.

Wo liegen Stuttgarts Vorzüge?

Wie erwähnt, die Ausrichtung des Unternehmens muss zum Standort passen. In Stuttgart gewinnen klar Unternehmen aus den Bereichen Maschinenbau, Industrie 4.0 und Automobilindustrie. Wer in diesen Sektoren operiert, finden stabile Anbindungen und starke Partner. Zusätzlich gewinnt der Streetlife-Sektor an Bedeutung. Klar, wer schuftet, muss auch mal raus.

Interessant für große Ideen dürfte zudem die überproportionale Kaufkraft der Bevölkerung sein. Vorhersehbar gestaltet sich derzeit ein Vorankommen in den Bereichen Robotik, Kreativ und Biotechnologie, was sich auch innerhalb der vorhandenen Förderprogramme spiegelt. 

Büro- und Gewerbeflächen sind allerdings ähnlich schwer zu finden wie in der Hauptstadt. Innovative Konkurrenz ist eher kein Problem, dafür müssen sich Gründer hier gegen Großkonzerne und etablierte mittelständische Unternehmen behaupten. Im Wettbewerb geht es also um ausschweifende finanzielle Mittel und attraktive Arbeitsplätze. Etablierte Unternehmen gewinnen auch in den Augen der – schlicht aufgrund der gebotenen Sicherheit.

Von Erfahrungen anderer profitieren

In beiden Städten ließen sich im Verlauf der letzten Jahre die unterschiedlichsten Projektverläufe beobachten. Denn natürlich: Start-ups kommen und gehen. Je innovativer eine Idee, desto schwerer lässt sich voraussagen, wie gut sie auf dem Markt einschlagen wird bzw. wie lange eine anfängliche Begeisterung anhält. Wer selbst ein Start-up plant, tut deshalb gut daran, die eigene Idee mit den Gründungsverläufen seiner Vorgänger zu vergleichen. Aus den Fehlern anderer lernen kommt in der Regel günstiger, als selbst Fehlschläge einstecken zu müssen.

Entwicklungen der Start-up Szene in Berlin

In Berlin konnten sich vorrangig nachhaltige Unternehmen hervorheben. Dazu zählen auch solche wie Admi, die Kommunen dabei helfen, Klimaziele zu erreichen und Firmen wie Nala, die den Einfluss von Unternehmen auf Natur und Ökosysteme prüfen. Weiterhin gewinnen KI-basierte Ideen und Firmen, die ihren Kunden virtuelle Lösungen bieten. Die Datenplattform ARC spielt hier ganz vorn mit.

In den Bereichen Finanztechnologie, Lieferdienst, E-Commerce und digitale Spedition lief der Erfolg der Berliner zuletzt eher schleppend bis gar nicht. Es scheint also darum zu gehen, unabhängige und überraschende Ideen auf den Markt zu bringen, wenn man in Berlin Fuß fassen will. Neuauflagen bekannter Geschäftsmodelle sind eher zum Scheitern verurteilt.

Entwicklungen der Start-up-Szene in Stuttgart

In Stuttgart kommt es mehr auf Vereinfachung an. Praktisch soll es sein. Es gewinnen digitale Lösungen, die eben auch den nah gelegenen Großfirmen das Leben leichter machen wollen. Ascon Systems überzeugt mit Low-Code-Software. Spartech vereinfacht Verwaltungsprozesse. Auch in Baden-Württemberg punkten nachhaltige Technologien, wobei aber etwa auch Anoba und Metergrid vorhandenes unterstützen. Der Schwerpunkt liegt auf neuen Technologien und Effizienz. Verluste erleiden statistisch betrachtet neue und alteingesessene Unternehmen gleichermaßen. 

Der Erfolg hängt vom Ziel ab

Als Standorte sind Berlin und Stuttgart für unterschiedliche Gründer attraktiv. Nachhaltig, modern, innovativ und kosteneffizient soll es natürlich überall sein. Den Unterschied begründet vielmehr ein abweichendes Lebensgefühl. 

Freie Ideen mit hohem Potenzial und schwer vorhersehbarem Risiko lassen sich einfacher in Berlin ansiedeln. Mögliche Geschäftspartner können dort als offener und flexibler eingeschätzt werden. Die Hürden einer Finanzierung sind geringer angesetzt.

Bodenständige Lösungen, die das Vorhandene sicher mit innovativen Ideen verbinden und den Menschen einen effizienteren Alltag ermöglichen, sind theoretisch rentabler ein Stuttgart zu beheimaten. 

Praktisch darf man natürlich nie das persönliche Marketingtalent und den spontanen Bedarf außer Acht lassen. Die Welt verändert sich täglich und mit ihr Bedürfnisse und Möglichkeiten. Stuttgart gewinnt ähnlich wie Berlin durch Einwanderer und junge interessierte Bürger an innovativem Potenzial. Es riecht nach Aufbruch – mit etwas Mut ist viel daraus zu machen.

 

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