Ein bisschen traurig war ich gestern Abend zunĂ€chst schon, als ich auf die MĂ€dchen-Gang verzichten musste. Da wusste ich aber noch nicht, dass Serdar Somuncu dasselbe, wenn nicht sogar ein hĂ€rteres Vokabular benutzt als die halbstarken Schreiplunsen auf RTL 2, vorgetragen natĂŒrlich in einer wesentlich besseren, wenn nicht sogar phantastischen Rhetorik.
Das kann man vorneweg sagen: Dieser Mann ist unglaublich redegewandt, kombiniert mĂŒhelos KraftausdrĂŒcke mit Fremdwörtern zu ellenlangen wie prĂ€zisen SĂ€tzen. Das hat mich gestern Abend am meisten beeindruckt.
AuĂerdem kann es manchmal einfach erfrischend sein, etwas zu erleben von dem man vorher keine Ahnung hatte bzw. nicht wusste, was einen erwartet.
Und ich hatte keine Ahnung was Serdar Somuncu so macht, hab mir auch bei Thorstens Eintrag im Dezember nie so richtig den prĂ€sentierten Clip angeschaut. Ich gehörte wahrscheinlich zu denen, die dachten „ha vielleicht so Comedy wie Kaya Yanar“, ĂŒber welche Leute sich Somuncu in der Show ebenfalls lustig machte.
Kurz nach dem Post von Thorsten meinte meine Freundin, die Somuncu kannte, im FrĂŒhjahr wĂ€re im Rahmen einer Deutsch-TĂŒrkischen-Kabarettwoche (noch bis Anfang April, einige Karten noch erhĂ€ltlich) der gute Herr da, lass doch mal hingehen.
Das Renitenztheater, das ĂŒbrigens zum 1. Oktober in ein neues GebĂ€ude gegenĂŒber der Hospitalkirche zieht, war an drei Somuncu-Tagen komplett ausverkauft. Kollege Thorsten war bereits am Sonntag zu Gast und gestern begleitete uns noch Aerodynamite-Jan und Leser Alx.
Das Zielpublikum in dem vollgestopften und recht schnell warmen, muffeligen Saal hĂ€tte unterschiedlicher nicht sein können. Jung, alt, alternativ, schick, international, darunter freilich ein tĂŒrkischer Anteil und auch wohl einige wie ich, die keine Ahnung hatten, wie man noch sehen wird.
Somuncu betrat mit einem Bushido-Sido-Rap die BĂŒhne, verwendete stark inflationĂ€r die Worte „Fotze“, „Arschficken“, „Hurensohn“ etc., wackelte dabei mit dem Arsch. Lustiger Kerl dachte ich mir.
Im Anschluss kĂŒndigte er eine flĂ€chendeckende Beleidigung an, das Programm heiĂt schlieĂlich auch der Hassprediger, und verwertet, was ihm die Medien so liefern, inklusive aktuelle Storys wie Kachelmann oder DSDS Beef zwischen Menowin und dem Rest (er hatte am Samstag frei und konnte TV schauen, meinte er), inklusive den Medien, wie das Privatfernsehen („RTL schlimmer als die NSDAP“), seine Sendungen und seine Zuschauer selbst.
Ein Herr Westerwelle kam bei diesem rastlosen Rundumschlag (Tenor: Wie soll einer in Afghanistan verhandeln, der sich in Arsch ficken lĂ€sst, also laut Somuncu eine demĂŒtige Haltung einnimmt? „Danke, soll ich dir noch einen blasen?“) genauso sehr unter die RĂ€der wie diverse Randgruppen(kombinationen), egal ob Deutsche, Nazis, TĂŒrken, Juden, Behinderte („Mongos“) oder Schwule.
AuĂerdem habe er sich angewöhnt, dem Arschloch zu sagen, dass er ein Arschloch ist, erklĂ€rte der 41jĂ€hrige. Ach ja, um KackwĂŒrste ging es auch ziemlich oft.
Mir war schnell klar, so einen gnadenlosen Typen habe ich schon lĂ€nger (noch nie?) nicht mehr gesehen. Musste freilich trotzdem lachen, war aber oftmals wĂ€hrenddessen irritiert. Provokation ist natĂŒrlich sein Stilmittel, aber wo steht er wirklich? Somuncu geht dabei stets mit sich selbst gnadenlos ins Gericht, er gucke sich z.B. den ScheiĂ im TV ja genauso an oder ist ebenso ein Nazi, wenn er dauernd bei der Polizei petze, wenn einer mit der falschen Umweltplakette durch die Landschaft gurke.
MucksmÀuschenstill wurde es im Saal als er die angebliche Schein-Betroffenheit der Menschen in FÀllen wie Winnenden oder auch Robert Enke ankreidet. Jeden Tag sterben doch unzÀhlige Menschen, werden Opfer von Gewalt, bzw. werfen sich depressiv vor den Zug. Warum also eine Beerdigung im Stadion?
Da dachte ich, jetzt kippt gleich die Stimmung. Er löst die angespannte Ruhe, in dem er fragt, wie sich ein TorhĂŒter eigentlich vor den Zug wirft und deutet dabei typische Torwart-Bewegungen an. So gesehen eigentlich geschmacklos, der Saal spendet aber lauten Beifall.
Kurz darauf wendet er sich einem flĂŒsternden PĂ€rchen bzw. Gruppe zu. „Darf ich mithören? Was sagt er? Er hat mich empfohlen? Aber jetzt ist es dir zu hart was ich mache?“, fragt er die blonde Frau. Sie meint, ja schon okay, „mach mal weiter.“
Nachdem er weitere GĂ€ste in der ersten Reihe garstig aufforderte, bitte doch die FĂŒsse von der BĂŒhne zu nehmen, immerhin könnte Hundekacke an ihren Sohlen sein und wer weiĂ, vielleicht gehöre ja spĂ€ter noch zu seiner Performance, dass er die BĂŒhne abschleckt, machte er sich den Spass und betritt erneut die Bretter und verstellt sich kurz auf smarten Allerwelts-Comedian.
Dann erklÀrt, warum er so geworden ist, wie er heute ist.
Er erzĂ€hlt atemlos seine Karriere, die angeblich im Heim begonnen hat, wo er ans Bett gefesselt war und dort seinen unbĂ€ndigen Willen, seine Wut entwickelt hat, von seiner Zeit als Schulsprecher, wo er laut seiner Aussage ĂŒberall Hakenkreuze an die Wand gemalt hat, nur weil er Aufruhr stiften wollte, und wie er jahrelang verschiedene Rollen gespielt hat, weil er meinte er mĂŒsste die spielen (also z.B. den vermeintlich lustigen „ScheiĂendreck-TĂŒrken“).
Er spricht darĂŒber wie er sich sein Publikum hat suchen mĂŒssen, wie oft es Differenzen gab, wie er aus dem Quatsch Comedy Club rausgeflogen wĂ€re, weil er Thomas Hermanns „Dreilochstute“ nannte, bzw. wie oft man ihn im Fernsehen schon zensiert hat. Jan meinte dazu auch, dass er bei Sendungen wie TV Total eher weniger gut ankommt.
Erst als er aus Hitlers „Mein Kampf“ vorgelesen hat, stellte sich der Erfolg ein, unter anderem vor Nazis in Ostdeutschland, mit kugelsicherer Weste und unter Polizeischutz. Die Geschichte ist bekannt, gibt es auch mehrere lĂ€ngere Interviews auf Youtube.
Dann wurde erst Philosoph („Haben Veganer Oralverkehr?“), dann Prophet und nun hat er die Partei die Hassisten gegrĂŒndet und die Religion namens Hassismus erfunden. DĂŒrfen alle eintreten, die so sind wir er. Nur noch er wĂ€re dann die letzte Instanz.
Zum Schluss folgte noch ein Liedchen und ein Hinweis, dass er am 16. Mai bei der Kanzlerin eingeladen sei und wohl neulich angeblich auch beim AuĂenminister war. „Sonst spiele er vor Asozialen, heute mal vor der Upper Class der Asozialen“, habe er dort wohl gesagt. Man weiĂ es nicht, ob es stimmt.
Ich kaufte mir noch sein Buch, liess es mir freundlich signieren, dabei wirkt er relativ smart.
Vor dem Theater dann gingen wir an der Gruppe um die kritische Blondine vorbei. Sie sahen allesamt nicht ganz glĂŒcklich aus bzw. guckten eher grimmig. Kann aber auch nur eine Momentaufnahme gewesen sein. Ich fand es groĂartig.
Oh ja, Hammer Programm! Selten so viel gelacht und so oft das Lachen wieder im Hals stecken geblieben.
Gut fand ich auch: „Komischerweise macht es in Stuttgart fast immer SpaĂ – wahrscheinlich, weil ich vorher fast immer in Heidelberg bin“
serdar somuncu, der hater par excellence
hÀtte ich gerne gesehn
sehr zu empfehlen die hatenightshow von ihm auf youtube
Oh nein – wieso hab ich das nicht mitgekriegt, dass Serdar im Renitenz ist? Ich wĂ€re so gern hin :/
GroĂartig triffts absolut
@adi: ja hatenight ist leider verboten worden…
@martin: jetzt schau dir halt endlich mal das interview an đ
http://www.aerodynamite.tv/serdar-somuncu-hasst-wieder
@DJN: ja? aber die folgen sind immer noch da
NEEEIIINNN… er ist in Stuttgart und ich verpasse ihn, verfluchte sch****
hab das Hassprediger Programm von einem Auftritt aus Bonn daheim… grandioser Typ!!
Somuncu ist absolut genial, das ist ja nicht die Frage, aber warum zum Teufel ist die MĂ€dchen-Gang ausgefallen?
heeerrlich war’s!! selten so viel gelacht bei comedy!
und die hatenight-folgen auf youtube sind ja auch der kracher.
ich kenne ihn noch von den anfĂ€ngen bei nightwash (Waschsalon). War schon immer krass, aber ich finde es manchmal recht ermĂŒdend immer wieder die ausdrĂŒcke.
auf jeden fall ist er einer der besseren in seinem kĂŒnstlerischen gebiet, kabarett, comedy, satiere.
Der spielt in Stuttgart erstaunlicherweise auch immer 2-4mal, meistens ein oder zwei davon „in tĂŒrkischer Sprache“. Find ich immer wieder krass. Ich wollt auch unbedingt hin, letztes Jahr war schon gut, habs aber erst gestern gelesen. Zu wenig Promo :'(
in regelmĂ€Ăigen abstĂ€nden fast das tempo aus der handtasche gezogen…
vor lachen sind schon die trĂ€nen gekommen đ
erste sahne dieser mann ^^
Hehe hab ihn vor ein paar Monaten in SchwĂ€bisch GmĂŒnd mit demselben Programm gesehen – es war der totale Abschuss. Die Nummer mit Westerwelle und der Arschfickerei kam damals auch dran…man hĂ€tte fast eine Grube fĂŒr mich ausheben mĂŒssen, da ich vor lauter Lachen nicht mehr richtig zum atmen kam…einfach genial der Mann – der Hassias đ
mist ich hab ihn verpasst đ
Verdammt đ HĂ€tte ich wirklich allzugerne gesehen.
Interessant, wie er den Leuten teilweise den Spiegel ihres Schaffens vorhÀlt.
Schade dass in dem Blogpost hier nur ein Transkript von Serdars Programm zu finden ist und kaum eigene Meinungen/EindrĂŒcke (um genau zu sein grade mal zwei SĂ€tze).
Ich habe mir den „Hassprediger“ im letzten Jahr schon im Renitenztheater angesehen, schade an dieser Stelle dass Serdar das Programm auf 2010 verlĂ€ngert hat und kein neues aufgelegt hat. Ende 2008 hieĂ es ja auch noch, der Hassprediger werde 2009 die letzte Tour, danach sei schluss. Naja, wenn die Kohle stimmt kann man ja mal ne Ausnahme machen. đ
also ich bin mir nicht hundert pro sicher aber ich glaub er hat da schon einiges geĂ€ndert am programm…bzw. weiterentwickelt
prinzipiell ein guter mann der weiĂ was er macht – trotzdem zuviel brachial-fĂ€kal-comedy fĂŒr meinen geschmack, es gibt subtilere konzepte die gleiche wirkung zu erzielen.
@DJN: Das Programm ist nie exakt das gleiche in jeder Vorstellung, Serdar produziert eigentlich immer einen Mix aus Teilen von frĂŒheren Programmen und aktuellen Ereignissen. Der „Hassprediger“ ist sowas wie ein Best Of.