Was lange geplant war wurde endlich fett: Bass & Bart in London, Territory Sound Ausflug, TKZ und ich auf kleiner Tour, drei Tage mit viel Bass und wenig Schlaf.
Anlass war zum einen der Notting Hill Carnival, ein jährliches Spektakel, das ich schon länger mal anschauen wollte, zum anderen stand ein Gig des legendären Jah Shaka an. Doch zu beidem später mehr.
Freitag erst mal Drum’n’Bass. DJ Hype, legendärer Jungle-DJ, hostet einen Abend im Fabric. „The location is amazing“ mailt eine ortsansässige Bekannte, und ja, kann schon was. Organisiert wie eine Großraumdisco, Flair wie ein Underground-Club, groß wie das zweite M1, Bass aus der Hölle.
Das Publikum ist ausgesprochen jung und eher das Gegenteil von dem, was man sich unter einem Drum’n’Bass-Publikum vorstellt. Eher so Mittelstands-Abiturienten.
Auf dem kleinen Floor spielen zunächst die Scratch Perverts, auch so Legenden, ein unglaublich nerdiges Set um die 80 bzw. 160 BPM, eigentlich guter Flow, aber durch vertrackte Beats quasi nicht tanzbar.
Später treten dort die Newham Generals live auf, zwei MCs, von denen wir noch nie gehört haben. Aber sie sind ziemlich dope, und ein Großteil des Publikums kann jeden Song mitrappen. Müssen sowas wie die Orsons von London sein.
Den großen Floor hat währenddessen DJ Hype übernommen, der so alt aussieht wie wir uns an dem Abend fühlen und den abwechslungsreichen und basslastigen D’n’B-Sound der anderen DJs weiterführt.
Samstag ist abends dann nach meiner üblichen Picadilly – Carnaby – Oxford Circus – Soho Runde und dem Pflichtbesuch in Camden Jah Shaka dran.
Erste Überraschung: Die Location. Das Forum ist ein riesiges altes Theater, wo sonst Bands wie Jurrasic 5 oder Greenday spielen.
Zweite Überraschung: Er zieht es durch. Jah Shaka ist eine ca. 65-jährige Dub-Legende. Er legt sage und Schreibe seit den 70er Jahren mit seinem eigenen Soundsystem auf, d.h. mit eigener Anlage, so auch an diesem Abend. Mit einem Turm voller Effekt- und Hallgeräte. Und mit EINEM Plattenspieler.
Jep. EIN Plattenspieler. Ist ein Lied zu Ende, legt er die nächste Platte auf. Dazwischen ist halt kurz Pause. Außer auf einer Platte gibt es eine Vocal- und eine Dubversion. Dann lässt er die Platte einfach weiterlaufen. Dazu singt oder preacht er – als waschechter Rastafari – noch ab und zu.
Mit der Musik sollte man natürlich an sich was anfangen können, statt der Melodie bestimmt der Bass den Sound, wenn man drauf steht – wie natürlich wir – stellt man sich einfach strategisch gut dort hin, wo der Bass am meisten drückt, und skankt vier Stunden vor sich hin.
Dritte Überraschung: Dass in einem Club inzwischen viele Leute sind, die rechnerisch meine Kinder sein könnten, bin ich inzwischen gewohnt. Leute, die meine Eltern sein könnten, eher nicht. Hier sind unglaublich viele Leute über 50 oder 60 Jahre, alte Rastafaris und afrikanische Mamas, alle tanzen und haben einen Heiden Spaß. Irgendwie stimmt das positiv was die eigene Zukunft angeht.
Dann am Sonntag das eigentliche Highlight: Der Notting Hill Carnival. Der ist so unfassbar, dass es ein wenig schwer in Worte zu fassen ist. Man muss sich das ungefähr so vorstellen, als ob man Bad Cannstatt zu macht, für Autos sperrt, an jeder zweiten Straßenecke stehen Soundsystems im Kaliber der Black Pearl und vor jeden Haus gibt es Jerk Chicken.
Der ganze Stadtteil Notting Hill, vom poshen Süden bis zum sozial eher schwierigen Norden, ist ein einziges, karibisch geprägtes Stadtfest, zu dem Samstag bis Montag bis zu 1,5 Millionen Leute pilgern. Mehr zur Geschichte hier.
Fast 40 Soundsystems von House über Calypso bis Dancehall, HipHop und Dub sind über die Area verteilt, überall gibt es Essensstände mit überwiegend karibischen „Spezialitäten“, es gibt einen Umzug außenrum mit Trucks, die in Sachen Lautstärke und Bass den festen Sounds in nichts nachstehen.
Sehr voll, sehr faszinierend, sehr verrückt, sehr bunt, sehr laut alles. Die Kehrseite: Die Müllberge stauen sich schon am Sonntagnachmittag meterhoch, die wenigen Hausbesitzer, die ihren Vorgarten oder die Fassade nicht vorsorglich mit Bauzaun oder Brettern verriegelt haben, bekommen zum Dank einen Urinbach vors Haus.
Ansonsten sehr friedlich, die übersichtliche Zahl Bobbys ist vor allem und vor allem überaus hilfsbereit damit beschäftigt, den Leuten den richtigen Weg zu zeigen.
Wer die Chance dazu hat: Unbedingt mal anschauen!
sweet memories! war 1995 beim carnival und von dem sound/bassgewitter/vibe absolut geflasht (sagt man das heute noch so?) liebe seither drum’n’bass, mit ragga/dub konnte ich mich aber nie anfreunden
selten war mehr bart an einem wochenende in london. stark.