Ein Gastbeitrag für den Dinkelacker Bierblog.
Hallo von Kessel.TV und einen schönen guten Tag oder besser gesagt, eine wundervolle Nacht. „Gehen“ ist schon das erste richtige Stichwort, denn eine Stuttgarter Clubtour lässt sich – auch in diversen Aggregatzuständen – zu Fuß absolvieren. Sorry, Wulle-Bus ;).
Und ja, wie der Ernst schon sagt, es geht sehr viel in Stuttgart. Das Nachtleben hat sich in den letzten 20 Jahren sehr verändert – zum Guten. Zwischen unverwüstlichen Klassikern, wie z.B. der Boa, dem Perkins Park oder dem Classic Rock (das leider aufgrund Abriss des Gebäudes im Jahr 2020 schließen muss), haben sich unzählige Clubs und Bars sowie Bar-Club-Hybride, in denen auch schwer gefeiert wird, auf der Nacht-Landkarte ausgebreitet und etabliert – und in vielen Läden ist der Eintritt frei.
Musikalisch dominieren in der Stuttgarter Innenstadt zwei Strömungen: Zum einen ein breites Spektrum an HipHop (US, Deutsch, Trap, Boombap, Classics etc.) und zum anderen elektronische Tanzmusik wie NuDisco, Deep-House, Tech-House oder härterer Techno. Indie-Rock-Alternative-Partys z.B. finden eher am Rande statt und muss man gezielt suchen.
Ein guter Startpunkt ist die Hans im Glück-Area, die trotz großem Hype in den letzten Jahre stabil ihren Charme bewahren konnte. Das gilt im Speziellen für das Kottan, das dieses Jahr 11jähriges feierte. Die kleine Bar im classy beige-braun-Tönen zwischen Café Weiss und Platzhirsch ist ein beliebter Treffpunkt, so blöd es kling mag, für Jung und Alt. Betreiberin Andreja Maros und ihr Team haben es immer wieder geschafft, frisches Publikum zu generieren und dabei alte Stammgäste nicht zu vergraulen. Unter anderem wärmt sich im Kottan gerne die komplette Stuttgarter Skaterfraktion auf und trifft auf Doc-Martins-Girls oder tätowierte Feierabend-Banker. Es ist der vielbeschworene Ort „für alle“.
Freitags und samstags zwängen sich mit leidenschaftlichen Einsatz meist bekannte Stuttgarter Locals hinter das enge Pult, der Schwerpunkt liegt auf elektronischer Musik. Irgendwann ist es sehr voll, sehr eng und man kommt man schnell ins Gespräch mit neuen Leuten. Übrigens: Ein guter Ort für frisch Zugezogene. Ich kenne Leute, die behaupten, dass sie erst dank dem Kottan Anschluss in Stuttgart gefunden haben.
Der Anschluss nach dem Kottan ist schnell gefunden: Man kann z.B. rüber hüpfen ins Mrs. Jones (70-80er-90er- Mixed Music-lastig) und unter dem riesigen Kronleuchter dancen, sich ins Transit/Bergamo zwängen und zu HipHop durchdrehen oder in die brandneue Detroit Bar (discoid-elektronisch) über dem Bergamo oder ein paar Schritte weiter ins People, wo sich neuer RnB a la Tyga und Chris Brown mit alten Hits abwechselt. Für alle gilt: Eintritt frei.
Wir gleiten weiter in Richtung Schräglage in der Hirschstraße (kurzer Zwischenstopp vielleicht noch im schicken Tatti) und passieren die Türsteher-Crew. Geheimtipp: Wenn man in der Schlange anstehen sollte, auf gar keinen Fall (zu laut) über den SV Werder Bremen lästern, denn Speaker Jerome ist Die-Hard Bremen-Fan.
Schon die Treppen hinunter empfängt dich die dumpfe Basswucht von brandneuen Deutsch- und US-HipHop-Tunes. In der Schräglage geht’s nur um das eine: Krass ballern. Vollgas ist das einzige Level, die top Barmannschaft schiebt flott die Biers und Longs über den Tresen, damit das überwiegend junge Publikum (um die 20) ready ist für den nächsten Moshpit. Spätestens wenn der DJ (Locals und nationale und internationale Bookings) einen Track vom Bietigheimer RIN droppt, bildet sich der Kreis und es wird gemoshed. Wenn irgendjemand behaupten sollte, die Stuttgarter können nicht feiern, der war wohl noch nie in der Schräglage. Der Club öffnet um 23 Uhr und man kann hier z.B. auch locker am Tischkicker warmuppen, bevor es eskaliert.
Von der Schräglage über die Neue Brücke sind wir direkt in der Lange Straße und schnell am immer noch neuen Billie Jean, das 20 Jahre lang das Romy S. war. Betreiber Yusuf Oksaz (Nighlife-Ikone, der mit langen Zöpfen, Lieblingswort „Jonger“), hat sich für einen kompletten Neustart entschieden. Sprich alles rausreißen und neu designen – aber wie! Das Billie Jean setzt auf eine blau-gelbe IKEA-Farbgebung sowie vielen Eyecatchern, wie z.B. der Telefonzelle oder dem Ufo-artigen DJ-Pult. Hätte total schief gehen können, ist aber brutal gut geworden und ist aktuell wohl der instagramableste Club in Stuttgart, guck mal Ortsmarkierung Billie Jean, alleine die Damentoilette ist der Hit. Das Musikprogramm öffnet sich gerade ein wenig in Richtung Retro-Disco, ansonsten läuft hier viel HipHop.
Hood-Wechsel: Am Rathaus vorbei überqueren wir die große Schneise namens Hauptstätterstraße und strollen durch die Altstadt. Die ist schwer im Wandel und will weg vom Red Light in Richtung heller Nachtkultur. Neuester Beweis: Ende Oktober eröffnete Rocco am Leonhardsplatz von denselben Machern der Bar Puf, direkt gegenüber. Das Puf ist sehr klein, das schlauchförmige Rocco, außen wie in innen im knalligen Apricot-Ton gehalten, dagegen ist das perfekte Beispiel für die oben genannten Bar-Club-Hybride. Erst Drinks genießen auf den blausamtigen Sofas und dann feiern zu Soul-Disco-House-Sounds.
Sodele, jetzt steht eine Grundsatz-Entscheidung an, die Regel „alles zu Fuß“ etwas relativiert. Denn es gibt zwei absolute Must-Läden, um die kommt man aktuell nicht vorbei im Stuttgarter Nachtleben, stehen aber etwas solitär am HBF: Das Kowalski und die Schankstelle. Von unserem aktuellen Standpunkt Altstadt und davon ausgehend, dass es bislang schon mehr als zwei Bier waren, bedeutet das also: Entweder man nimmt ein Taxi, checkt den günstigen Flex-Bus von der SSB (jetzt noch ein Nightlife-Insidertipp), der Wulle-Ernst soll den Wulle-Bus rufen oder, frische Luft tut gut, man läuft halt doch. Ist in circa 15 Minuten machbar. Zwischenstopp vielleicht am Waranga?
Die Schankstelle feiert in diesen Tagen achtjähriges Jubiläum und hat sich in der Zeit zu einem riesigen, modularen Nachtleben-Areal entwickelt, das erst kürzlich um eine zweite Außenbar und überdachten Außenbereich erweitert wurde. Hier geht alles und immer auf höchstem Gastro-Level: Gemütlich was trinken, gechillt mit Freunden abhängen oder eben auf der kleinen, beleuchteten Tanzfläche zum modernen Urban-Mix ausrasten. Die Publikumsrange ist riesig, junge partyhungrige Menschen treffen auf Afterworker im Anzug – die Schanke-Mischung ist faszinierend. Bonus: Es gibt bis tief in die Nacht sauleckere Burger (auch vegetarisch).
Das Kowalski hingegen hat sich zu einem der angesagtesten Clubs für elektronische Musik entwickelt – mit nationaler Reputation und darüber hinaus. Auf zwei Floors (organischer Holz-Look) kreieren die internationalen Gast-DJs und Locals zwischen den Polen Deep-Techno-Afro-House und Melodic Techno. Technisch auf höchstem Niveau ausgestattet (u.a. mit Funktion-One Anlage und Co2-Kanonen), entwickelt sich im Laufe der Nacht eine fesselnde, geradezu magische Stimmung unter dem sehr heterogenen Publikum. Hier verbindet der alte Grundsatz „House Music is universal language“ verschiedenste Menschen für eine gemeinsame Nacht – vor dem Beat sind wir alle gleich. Achtung, das Kowalski öffnet immer erst um Mitternacht und geht aber auch bis 6, 7 Uhr morgens.
That’s it, das jetzt aber auch eine lange Nacht. Noch ein Essenstipp? Ganz klassisch, Dillan in der Eberhardtstraße. Beliebter Treffpunkt von nimmermüden Nachteulen, Gastronomen und DJs, viel nach-müd-kommt-blöd-Gelaber an den Tischen, herrlich. Ach ja, und wer noch kann: Das Oblomow gibt es natürlich auch noch. Wenn man da landet, ist eh alles zu spät, Glückwunsch, alles richtig gemacht. Kommt gut nach Hause!
++++Advertorial++++