Mit ausreichend Promille fallen Worte meistens leicht. Das Tresengeschwätz der Woche kam deshalb von Karl-Heinz Rumenigge, wohlverdient. Die Champions League gewinnt man schließlich nicht alle Tage: „Wir haben zwar in sechs Tagen wieder ein Finale, aber ich glaube, mit 1,8 Promille haben wir trotzdem noch eine Chance!“, erzählte er kurz nach dem Champions-League-Sieg und halt leider knapp vor dem Pokalfinale gegen den VfB Stuttgart in Berlin.
Auf Schützenhilfe vom Libero in der Olgastraße wird der FC Bayern München Vorstandsvorsitzende – besonders im Promillebereich – nicht zählen können, obwohl da oft beängstigend viele Bayern-Fans unbehelligt ihrem Irrtum nachgehen dürfen. Das Libero ist nämlich auf der Zielgeraden: Am Mittwoch ist noch Dosenbierparty, Schnaps gibt’s auch, aber dann ist wirklich Schluß. Das Haus wird saniert, die Kneipe muss raus. Bummsausjugendhaus. Das schöne alte Lied, das man auch ohne Zähne pfeifen kann.
Ich weigere mich jetzt allerdings standhaft, so zu tun, als würde ich da jemandem beim Sterben zusehen. Denn das ist wirklich kein sinnvoller Zeitvertreib und auch ziemlich unangebracht. Selbst wenn vieles manchmal tatsächlich interessanter erscheint, wenn man weiß, dass die Uhr tickt. Oder eben der alte Friedhofs-Klassiker: „Mist, hätte ich bloß öfter vorbeigeschaut“. Ich möchte mich jetzt auch nicht dabei ertappen, weder „die Subkultur“, noch das Libero für „tot“ zu erklären.
Erstens steht da noch eine Unterschrift in einer neuen Räumlichkeit in der Altstadt aus und zweitens ist diese „Tot-Sache“ den Toten wirklich nicht würdig. Sterben ist schließlich eine der einfachsten Übungen des Lebens. Jeder Depp kann das, es bedarf weder Schulabschluss, besonderer (Weiter)-Bildung, noch sonstiger Befähigung oder Vorbereitung. TschüssleTschau. Glglglgrmmpf. Ganz einfach.
Die Annahme, dass die Haupterrungenschaft von Toten nun aber ausgerechnet die sein soll, dass sie eben gestorben sind, halte ich für unwürdig. Ich finde es beispielsweise schade, aber dennoch ist es mir relativ bums, dass Jimi Hendrix, Johnny Cash, Cliff Burton, Joe Strummer und so viele andere tot sind.
Das Tragische und Schöne zugleich: ich mag, was die als Lebende getan haben. Und das stirbt im Normalfall ja nicht mit, es gibt halt nur keine Zugaben mehr. Kurz: Ich höre mir lieber Johnny Cash an und schrei ungefragt: „Was für ein geiler Hund, der Herr Cash!“, als dass ich „Tot! Tot! Tot!“ rufe.
Öhm, Libero jetzt. Genau. Im Prinzip, so wie man sich immer die geile Eckkneipe vorgestellt hat, nur eben einen Tacken besser – auch ohne diese bemühte „Eckkneipen“-Romantik. Ich war mal über ein Jahr nicht drin. Als, ich dann wieder reinkam war das wie immer – und ich meine das nicht, im Sinne von „hier bleibt die Zeit stehen“ oder alle singen immer noch „Mambo Nr.5“ und kloppen Pflaumenschnäpschen auf den Tresen. Hier wird man nicht vermisst, dafür aber jeder Zeit mit offenen Armen empfangen.
Der Rest ist dann ein Kinderspiel: „Hallöle!“ sagen, hinsetzen, dann steht ein Weißweinschorle auf dem Tresen und die aktuelle Lage der Hüften und die des VfB wird quer über den Steintresen erörtert, dann wird abgehakt, wer auf welchem Konzert war, auf welches demnächst gegangen wird und wo wir uns demnächst wieder sehen werden.
Irgendwann kommt Henni mit dem Sauren, zwischendrin lobpreise ich mehrmals, die Polsterkopfstütze über dem Pissoir und dann laufe ich heim und meine Jacke hat am nächsten Tag Kratzspuren am linken Ärmel, weil ich wieder auf der linken Straßenseite nach Hause getorkelt bin und an den Hauswänden entlang schrabbte. Denn scheinbar bin ich nie zu doof zum Trinken, zum Laufen schon.
Das alles hat viel weniger mit Magie zu tun als man annehmen mag, eher damit, dass sich im Libero größtenteils Leute grüßen, die das auch so meinen. Für die Magie ist allenfalls Henni zuständig: Selbst wenn man nicht wüsste, dass die eben Henni heißt, würde man das hier schnell in Erfahrung bringen können: Andauernd hebt jemand sein leeres Glas an und sagt dann: „Henni?! Machsch mir noch a…..“. Dann kommt der Stunt, denn Henni ist wiederum so eine Art Hellseherin. Sie weiß oft schon vorher, was Leute dann zu ihr sagen wollen und antwortet „Wieder einen Kurzen dazu? Heut‘ fährsch aber nimmer.“
Ich habe mich noch nie getraut „Henriette“ zu ihr zu sagen. Aber wahrscheinlich weiß sie das auch schon längst. Ist ja immer irgendwie mies mit diesen Hellsehern.
Neulich war ich übrigens in einer Kneipe, in der ich aus ähnlichen Gründen wusste, dass die Frau an der Bar „Sandra“ heißt. Da war’s aber so übel, dass das auch nix brachte. Ich wollte mich später nicht mehr an den Namen der Kneipe erinnern. So ein Laden, in dem Jacky-Cola unter „Cocktail“ läuft. Man hätte da aber nicht mal jemanden mit Eiswürfeln aus dem Cocktail bewerfen können, weil keine drin waren. Mieser Schuppen. Obwohl es im Prinzip, bis auf drei kleine Ausnahmen, wie im Libero war. Die Ausnahmen: es war scheiße, voll mit Idioten und die Musik war wirklich unanständig mies. Das sind die Momente, in denen eine Kneipe dann eben doch mehr zählt als die andere.
Der heimliche Headliner der HipHopOpen war auch immer, Henni und Co. im VIP-Bereich zu treffen. Dann versicherten wir uns gegenseitig, dass wir uns sehr wohl etwas zu alt vorkommen, aber natüüüürlich niiiechht so aussehen würden.
Aber – Hand aufs Herz – wir sind alt: Denn ich glaube am Eröffnungswochenende im Libero vor gut 20 Jahren hatten damals „die Sindelfinger Punkrocker WIZO“ gespielt. Das wiederum ist ein feststehender Begriff wie „Rekordmeister Bayern München“. Ich habe damals auch oft das Wort „Szenekneipe“ gehört, obwohl ich bis heute noch nicht weiß, was das jetzt letztendlich bedeuten soll.
Jede Kneipe, die etwas auf sich hält, hat eine „Szene“. Meistens Stammgäste oder auch solche, die einen doof angucken, wenn man zum ersten Mal reinkommt und so tun, als wolle man sie vom Barhocker schubsen. Das ist beim Stadtbad-Schorsch nicht anders als im Café Weiß oder im Feuchten Eck am Gaskessel.
Ich bedaure übrigens bis heute, dass ich nie im Feuchten Eck war. X-Mal vorbeigefahren, nie reingegangen, so ähnlich wie Klaus Lage damals. Tauuseehhnnd Maahl berüüüührt… Heute ist da – glaube ich – ein Puff drin. Zumindest sieht das so aus. Irgendwie will ich jetzt nicht mehr, äh, rein. Obwohl ich finde, dass sie den Namen in dem Fall ruhig hätten beibehalten können. Feuchtes Eck. hihi.
Meine Dorfkumpels nannten das Libero damals übrigens verächtlich „Vorstopper“. Sie fanden Fußball zum Kotzen und auch die Tatsache, dass ich nicht mehr in ihrer Nachbarschaft wohnen wollte. Sie kannten damals aber noch nicht die Romantik, wenn zum Beispiel Henni mit dem Spültuch wedelt und den Sauren rausholt. Oder wenn Ebbi einen beim Abkassieren anraunzt: „Vier Schorle? Echt? Waren das nicht mehr?“ und dann nicht mal grinst, sondern ein bisschen wie Inspektor Columbo guckt, wenn der etwas ganz Großem auf der Spur ist.
Danke für fast zwanzig Jahre Libero. Hoffentlich klappt das mit dem neuem Laden in der Altstadt.
schee hasch gmacht
Dange
Wie jetzt, was jetzt? Warum fehlt da noch eine Unterschrift, wenn schon überall steht, dass der Laden in die Altstadt zieht. Sogar Joe Bauer schreibt das schon….
PS: Super Artikel
„altstadt“… wo soll das sein? :S
Micha, für mich war das Libero komischerweise immer das „Libido“, lag wohl daran, dass ich immer mit Maggo, Olli, Jens und dem Rest der Gang dort war. Unvergessen beibt auf jeden Fall das Kellerkonzert von Gascoine, mit lauwarmem Augustiner Vollbier ! Nomen est Omen, besser Namen gab Coma..;-)
Klasse Artikel, aber Lääbe gehe weiter… Aus Libero wurde ja die Viererkette.
Neuer Name in der „Altstadt“?
Sehr guter Artikel, Micha… Danke!
Winke Winke and so long…
Heute abend wird mir der schöne abend nach dem Kino fehlen. Nix mehr mit 2 Helle beim Tschelle…