Schon immer ist klar: WAS HESLACH KANN, KANN NUR HESLACH! Das weiß auch unser Oper- & Fischmarkt-Ambassador merzy, Ritterstüble-Quizmaster, Bihlplatz-Entschleuniger und hat deswegen zu einem deep red dive durchs Rote Heslach angesetzt. Nächster Food-Hype in Stuttgart: Texasstangen und Marmorhörnle im Schwabenback!!! Jetzt schon anstellen!

Neulich sprang mir ein unheilvoller Olaf Scholz ins Auge, nur Sekunden später Micky Maus und Asterix, bis ich bemerkte, ich bin gar nicht in einem HGichT-Video gefangen oder habe einen Fiebertraum, ich bin ja nur in Heslach. Das schau ich mir nochmal genauer an, dachte ich, oft ergibt sich dann noch einiges mehr, einfach so. So wurde ein spontaner Spaziergang fast zu einer Liebeserklärung an Heslach.

Vorher kurz mal geschaut, vier Jahre sind seit dem letzten dokumentierten Instawalk auf KesselTV vergangen und Heslach war auch schon mal dabei. Heslach geht halt immer. Auch heslachspezifischer Special Interest Content (Kaugummiautomaten) wurde abgedeckt und direkt eine schnittige Definition was Instawalk überhaupt meint geliefert: „Instawalk geht übrigens so, dass man was fotografiert und dann vergisst, warum man es fotografiert hat, es aber noch gut findet und dann halt einen Schmarrn dazu schreibt. Zumindest mal in der kessel.tv Definition von Instawalk: gut knipsen, dumm rausschwätzen.“
Oder einfacher gesagt: durch die Stadt joebauern.

Jedes Mal wenn ich mit der Stadtbahn in den Süden fahre, fühlt sich Stuttgart mit einer Sekunde plötzlich anders an, als würde am Erwin-Schoettle-Platz eine magische Grenze verlaufen. Heslach ist echt irgendwie anders.
Wenn sich die U1 oder U14 durch die enge Böblinger Straße presst, verschiebt sich etwas im Raum-Zeit-Kontinuum. Solang sie es tut, bald müssen die Heslacher mehrere Monate auf den Wasenblitz verzichten, solang quält sie sich zum Stadtrand, vorbei am Hofbräu-Imperium, zahllose Kisten hinter Gitterstäben, weiter ins provincial paradise holy Bihlplatz bis hin zum Südheimer.

Eine Fahrt durch den Süden ist nüchtern betrachtet auch einfach nur Platz – Platz – Platz – Platz: Marien, Erwin, Bihl, Südheimer. Stadtbahnfahren ist unkommentiertes Alltagsgeschehen.
Erst kürzlich gelernt, warum der Bihlplatz eigentlich Bihlplatz heißt. Was ist ein Bihl? Es war ein Architekt, Georg Friedrich Bihl, wir haben ihm u.a. das Lindenmuseum zu verdanken. Früher hieß der Platz übrigens Ochsenplatz. Im Zuge dieser Recherche auf einen total geilen Artikel über den Bihlplatz gestoßen, der 2015 (!) in der Stuttgarter Zeitung veröffentlicht wurde, mit teils herrlichen Zitaten. „Am Bihlplatz warten alle auf eines: dass der Ochsen endlich wieder aufmacht.“, dieser erste Satz knallt allein hoch tausend.

Weiter im Text: „Wegen mir alleine kommt keine Sau her, außer meinen Stammgästen halt (…), seitdem der Ochsen und der Italiener Paolo weg sind, gibt es kaum mehr Attraktionen am Bihlplatz“, „Es ist kein wirklich besonderer Platz, unser Bihlplatz.“, oder auch: „Ich wüsste nicht, was man ändern sollte, es ist eigentlich total gemütlich hier.“ „Ha, mir g’fällt vor allem mei Weinstub. Die wertet den Platz immens auf.“
Mein Interesse ist damit jedenfalls vollständig geweckt, allein wegen dieser Stimmen muss man den Bihlplatz lieben, gerade WEIL er so herrlich langweilig ist und es offenbar trotzdem so viel zu erzählen gibt. Bihlplatz musst du halt wollen, ich lieb den wie die Texasstangen und Marmorhörnle im Schwabenback nebenan. Happy Baker und Schurr kann jeder, Schwabenback und Bihlplatz muss man wollen.

Wem der Bihlplatz jetzt nicht so heilig ist, hat bei so einem Instawalk direkt ein anderes Thema vor der Nase: Was geht z.B. eigentlich mit dem ehemaligen Stala? Da hält ein ganzer Bezirk grad den Atem an. Die Zäune schon länger geschmückt mit Pamphleten und Positionen. Wohnraum plärren alle, es ist in der Tat einer der angesagtesten Bezirke. Jeder will hier hinziehen, alle wollen Käsedöner, zwei Rewe und Galao. Jedes Jahr Marienplatzfest und mit der Zacke hoch zur Wielandshöhe Vincent zuwinken und Oeuf en Meurette auf die Hand.

Die Bahn schlängelt sich aber unbeirrt weiter an jedem Politikum vorbei. Heslach auch by far der politischste Stadtteil, zumindest spürbar. Links, rot, dirty, ein schwäbisches St. Pauli. „Rotes Heslach“ liest sich auf den Backsteinwänden wie ein Ortsschild. Vielleicht ist das die auch besagte magische Grenze, eine anderer Vibe, die Spannung, die in der Luft vibriert.
Dabei sind wir nur ein paar hundert Meter weg vom Marienplatz. Am Ende ist es alles derselbe Süden, crazy. Marienplatz Boheme vs Heslacher Arbeiterklasse. Über Marienplatz und Bihlplatz leuchten am Ende auch dieselben Sterne.

Nach Sperrmüll und süßer Tristesse ist das Café Schurr weiterhin die feste Bastion neben dem Ritterstüble. Die wundersamen Langos Pop-Up-Fensterverkäufe bleiben mir unvergessen. Das waren zwei meiner schönsten Sommer.
Du kriegst den Süden halt nicht aus dem Süden raus. In Heslach ist immer Sommer. It never rains in southern Heslach. Für mich immer Augen zu und „Dreaming of the South“ im Ohr von Future Islands, wenn Samuel T. Herring beinah sehnsuchtsvoll wehmütig, so gut wie nur er es kann, über North Carolina singt, denke ich halt an Heslach.

Langos und Aperol am Erwin-Schoettle-Platz, den zu viele immer noch mit ö schreiben (wenn du nen Ö-Platz willst verschwinde nach Mitte) und die bocciaspielenden Rentner beobachten. Mit der Kirche im Rücken und bewacht vom Heslacher Hocker (der schöne Brunnen an der Seite), charakterisieren sie wie niemand sonst den Stuttgarter Süden. Diese Typen allein sind für mich mehr Stuttgart als der Wasen und das Weindorf zusammen.

Kürzlich bemerkt dass es neben dem Ritterstüble direkt am Schoettle noch eine Ritterschänke gibt. Sind aber wohl weder verwandt noch verschwägert (Barbara Salesch-Voice). Mystisches Heslach.
Dann letztens Milberg in der Matthäuskirche, was war das eigentlich. Wenn wir es schon grad von ihm haben, einem der vielleicht bedeutsamsten Indie-Produzenten in den letzten 15 Jahren, sein Studio ist einfach in der fucking Möhringer Straße. Living Heslach Legend einfach. Es kann kein Zufall sein, dass das alles in Heslach passiert.
Vor ungefähr zwei Jahren bin ich besagte Parallelstraße im Schnee und Eis hoch und runter gedappt nur um ein Tapir-Tag zu finden, kein Scheiß. Nur um am Ende, nach all den Strapazen festzustellen, dass es auf der Böblinger war.
Im Feuerwehrhaus sah ich mal Heinz Strunk, als Zugabe spielte er „Griechischer Wein“ auf der Querflöte. Weiter den Berg rauf gehts ins Eiernest und andere Richtung bisch in zwei Minuten durch den Schwabtunnel im holy Westen angekommen. Wie geil ist eigentlich der Süden, jetzt echt mal. Jede Richtung hegt eine sonderbare Fügung.
Von der Heslacher Wand und den Wasserfällen brauch ich gar nicht anfangen. Geheimtipp eines geschätzten Freunds übrigens der Bahnhof Heslach. Dieser Stadtteil (kein Bezirk, kein Viertel, bitte aufgleisen) steckt einfach voller Überraschungen, ich sags immer wieder. Und das alles nur, weil ich 15 Minuten durch die Böblinger Straße gelatscht bin. Instawalk sei Dank.
