Landpartie nach Lemberg: Auf geheimer EM-Mission

Von Stuttgart in die Ukraine und wieder zurück in den Kessel

Roadtrip ins Ungewisse, Ausflug in die Ukraine, Spazierfahrt zur EM 2012: Um Schweinis Wade vor Ort mental zu massieren, um Jogis Frisur persönlich zu richten und um einmal in der Ukraine gewesen zu sein, starte ich am Dienstag Richtung Lemberg/Lwiw/Lviv, westliche Ukraine. Mit im Gepäck: Zwei Karten für das Spiel Deutschland gegen Portugal, ca. zehn Reiseführer, ein Laptop-Schloss, das ich mir samt Laptop um den Hals ketten werde und ein knallroter Corsa, den ich bei Stadtmobil stibitzt habe. Mal sehen, wann die das merken.

Verschenkt man der Herzensdame zum Geburtstag eine Reise in die Ukraine inklusive zweier EM-Karten, muss man sich ein bisschen was einfallen lassen, um zu tarnen, dass es eigentlich ein Geschenk für sich selbst ist. Also flugs ein Kulturprogramm drumrum gebastelt, das wenigstens mittel nach romantischem Roadtrip klingt.

Gestartet wird in Frankfurt, wo wir in den Genuss eines mehr oder weniger privaten Ständchens zweier Herren namens Shawn Corey Carter und  Kanye Omari West kommen. Weiter geht’s nach Dresden, Semperdingsbums, Frauenkirche und Zwinger checken, dann volle Fahrt voraus nach Krakau („Da hat es ganz viele tolle Jazz-Clubs, echt jetzt, und Die Dame mit dem Hermelin von Leonardo da Vinci von 1490 im Wawelschloss ist wirklich sehenswert!“), bis wir dann Ende der Woche nach 1.400 Kilometern hoffentlich halbwegs heil in Lemberg ankommen.

Dort ist Fußball natürlich nur Nebensache, eigentlich fahren wir da nur hin wegen der Altstadt, die Unesco-Weltkulturerbe ist, weil das Städtchen als Florenz des Ostens gilt (Notiz: Recherchieren, wie viele Florenz des Ostens, Nordens, Westens es eigentlich gibt. Gibt es auch ein Stuttgart des Ostens?) und wegen der reichhaltigen Kaffeehaus-Kultur, die noch aus der K.u.k-Monarchie stammt. Bildungsbürgertum, wir kommen!

Von Stuttgart in die Ukraine und wieder zurück in den Kessel

Ingmargram-Foto: Den Anspruch an die Bildungsreise durch möglichst viele Reiseführer untermauern

Der Plan wäre allerdings fast in die Hose gegangen, weil scheinbar kein normaler Mensch mit dem Auto in die Ukraine reist. Avis schreibt freundlich: „Lieber Herr Volkmann, vielen Dank für Ihre Anfrage – leider darf man mit Avis Mietwagen aus Deutschland nicht in die Ukraine fahren – so gesehen können wir Sie leider nicht unterstützen.“

Andere Mietwagenfirmen sagen ebenfalls freundlich ab: „Sie müssen wissen, dass, wie es auch bei den lokalen Geschäftsbedingungen auf unserer Webseite geschrieben ist, die Mietwagenfirmen bisher keine Übergrenzung nach der Ukraine erlauben.“

Übergrenzung ist auf jeden Fall ein gutes Wort, das ich seitdem täglich benutze. Beim Schräglage-Jubiläum vor einer Woche habe ich meine eigenen Grenzen in Sachen Schnaps ausgetestet, am Folgetag war ich dann etwas übergrenzt.

Für die Reiseplanung zur EM hat mich das nicht so richtig weitergebracht, also hab ich schließlich bei meinem Stuttgarter Car-Dealer Stadtmobil angefragt, ob ich einen roten Flitzer mit in den Urlaub nehmen darf. Die so: „Klaro.“ – Ich so: „Prima!“ – Die dann: „Wo soll’s denn hingehen?“ – Ich wieder, kleinlaut nuschelnd: „Na, ja, so Richtung Osten, ich pass aber echt auf.“

Mal sehen, wann die Kollegen Carsharer merken, dass der Begriff Osten recht weit gedehnt sein kann. Eigentlich ist es ja aber nur konsequent, den Ritt mittels Carsharing anzutreten. Das System ist nämlich der einzige noch lebende Beweis, dass Kommunismus doch funktionieren kann, wenn auch nur im Bereich KFZ: Unser Auto gehört allen!

Ich betreibe also real existierenden Sozialismus auf vier Rädern, um damit die sowjetische Besatzungszone und andere kommunistische Länder zu bereisen. Wenn das keine funky Völkerverständigung ist.

Von Stuttgart in die Ukraine und wieder zurück in den Kessel

Ingmargram-Foto: Schon jetzt mein Lieblingsreiseführer mit Herz – einfach köstlich!

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16 Comments

  1. says: afro-dieter

    Meine Neugier reibt sich mental die Hände!
    Halte uns bitte zeitnah informiert, vielleicht auch bissle mit Koordinaten – Versicherungen sind da recht pingelig.

    By the way, gilt deine Haftpflicht & Krankenversicherung auch für den Osten oder soll ich meinen Flattr Account schon mal vorladen?

  2. Dieter, fang sofort an zu flattern, ich hab so Schiss, da macht man keine Witze. Das Auto, das ich eigentlich bei Stadtmobil gebucht hatte, hatte am WE einen Unfall, wenn das kein schlechtes Omen ist! Jetzt muss ich ein anderes checken, das bisher in Kaltental stand. In Kaltental! Das klingt fast so weit wie die Ukraine. Koordinaten sind aber kein Problem, ich werde Facebook-mäßig in alles einchecken, was nicht bei drei auf dem Baum ist.

  3. @JMO2: Ich bekomme morgen noch eine Apostille für den Grenzüberschritt. Bis eben wusste ich nicht mal, was das ist. Ansonsten hab ich voll viel Papiergeld einstecken und Kessel.tv-Aufkleber, darüber freuen sich freundliche Grenzbeamte bestimmt auch.

  4. says: afro-dieter

    Würze den Stream bitte mit Tanzeinlagen vor willkürlichen Sehenswüdigkeiten. HP Vorschlag: whereisinge.com

  5. says: Frau Doktor

    Das Mietwagen-Problem ist aich bei Car-Sharing-Autos gegeben. Da glaubt anscheinend jeder, du bist ein Autodieb, Schmuggler oder schlimmeres, wenn’sde kein eigenes Auto fährst – so war’s jedenfalls noch vor ein paar Jahren. Falls du dich da noch nicht schlau gemacht hast, solltest du das evtl. noch. Aber du bist ja top-informiert und wahrscheinlich Costumer of the Month beim Wittwer geworden, oder?

  6. Frau Doktor, ich bin mittlerweile nicht bei Wittwer, sondern bei Stadtmobil Customer of the Month. Hab mir gerade beim Notar noch beglaubigen lassen, dass ich das Auto nicht geklaut habe und bekomme morgen sogar noch eine Apostille, das ich nicht schwindle. Bis eben wusste ich nicht mal, was eine Apostille ist. Hoffe, die Freunde lassen uns nun mit den gesammelten Dokumenten einreisen.

  7. says: Frau Doktor

    Und beim Notar langsam auch, oder? Ich wünsch‘ euch ganz viel Spaß unterwegs und alles wird gut gehen! Die polnischen und ukrainischen Menschen, die ich bisher kennen gelernt habe, sind super nett und hilfsbereit – sogar uniformierte. das wird toll!

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