Konzert-Kleinod und Partyeskalation: Der Club Schocken wird zehn

Herrschaftszeitenschockschwerenot. Das Schocken macht die Zehn voll. Vielen Dank bis hierhin, alles Gute und bitte nicht kleckern.

Das ist ein geradezu guter Anlass, auch mal eine fetzige Anekdote zu droppen: Manchmal sind Gäste nämlich schon vor dem drölften Schnaps ziemlich doof. Kommt auch im Schocken vor. Seit Ewigkeiten warnt dort ein poetischer Zettel vor arschlochigen Taschendieben: „Gedränge nur dem Dieb gefällt, drum Augen auf und Hand aufs Geld.“

Ein begnadeter Raketenphysiker gab da einst lautstark und durchaus hämisch zu Protokoll, die Schocken-Belegschaft sei wohl augenscheinlich zu blöd, das Wort „Getränke“ richtig zu schreiben. Es ist einer der Momente, in denen man einfach lieber gar nichts mehr sagt oder gleich zum Bischoff umschult.

Ich gehe gerne ins Schocken. Dort gibt’s Cider und oft auch ziemlich saugute Konzerte. Ich habe da schon beide Sänger von The Blood Brothers gleichzeitig kopfüber vom Balkon hängen sehen, hab mit meinen Death Metal-Kumpels verliebt Black Breath angehimmelt, die eigentlich aus Seattle kommen, aber trotzdem wie waschechte Schweden klingen.

Ich habe mich gefragt, ob Aidan Moffat von Arab Strap betrunken oder doch nur ein wahnsinnig freundlicher aber schottischer Mundartkünstler ist und bei seinen Landsmännern von The Twilight Sad hab‘ ich meiner Freundin Helmut volle Kanne auf den Arm geboxt und „Hach! Wie schön!“ gesagt. Als Baroness im Schocken spielten, habe ich mich gefragt, wie sich die Typen um Himmelswillen all die Teile in ihren Liedern merken können. Bei The Heavy habe ich auch zum ersten Mal erlebt, wie sich Mädchen mit dem Rücken zur Bühne mit ihrem Mobiltelefon fotografierten – Konzert war aber super. Wolves In The Throne Room auch. Besonders weil da ziemlich viele Blackmetal-Kerle herumstanden, die normalerweise eher selten in Etablissements wie dem Schocken Halt machen.

Am Wochenende gehe ich eher seltener ins Schocken. Zu viel Halligalli und manchmal auch Leute, die sich wie welche benehmen, die nicht zweimal in den gleichen Club gehen. Ich habe aber auch etwas Muffe, dass ich die Frau wieder treffe, die mich damals beim Auflegen anherrschte: „Sag mal!?! Habe ich mir nicht vor zehn Minuten ‚Deichkind‘ gewünscht?!?!“. Sie war resolut, ihre Statur auch nicht ohne und sie klang autoritär wie die gemeinste aller Aufpasserinnen damals bei uns im Kindertagheim. Ich befürchte noch heute, sie könnte mich nur zum Bossen mit Putz und Stiel essen, bevor sie sich dann einen Döner am Hirschbuckeldingens holt und dann ziemlich laut rülpst und wahllos Passanten verprügelt.

Manchmal geh ich auch nur ins Schocken, um Marek zu besuchen. Der ist voll nett, obwohl er immer komische Metropolen-Tanzmusik auflegt. Dafür treffe ich ihn oft auf Konzerten, bei denen ungefähr dreiundvierzig Jungs und keine einzige Frau sind. Ist immer ein gutes Zeichen. Ebenfalls ein gutes Zeichen: Im Schocken werden auch Konzerte veranstaltet, die von vornherein keinerlei Gewinn abwerfen, aber eben saumäßig unterhaltsam sind, wenn man sich etwas für Musik interessiert.

Sicher, andere Clubs machen das auch – die kassieren aber gleichzeitig Fördergelder von der Stadt. Da ist es dann auch mal etwas bums, wenn ein Konzert floppt. Im Schocken wird an solchen Tagen dagegen höchstens kaum Ruhm und wenig Ehre abkassiert. Auch weil Bands wie The National, Biffy Clyro, Deichkind, Gossip, Shout Out Louds oder Chuck Ragan mittlerweile längst größere Hallen bespielen. Ich habe größten Respekt vor solchen Veranstaltern.

Machen wir es kurz: Alles Gute und Dankeschön. Das Programm der Festwoche startet ab Mittwoch und mehr Infos gibt’s hier.

Join the Conversation

4 Comments

  1. says: SvK

    the national im schocken? da musste ich grad mal recherchieren. tatsächlich. 2003! muss ja dann eines der ersten konzerte dort gewesen sein? würd mich mal interessieren, wieviele leute da waren. das war ja sogar noch vor alligator…

Leave a comment
Leave a comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert