
Komm, sagen wir wie es ist: Nach über 40 Jahren verabschieden sich Brigitte und Karl-Heinz Ratzer von ihrem Plattenladen. Bis Mitte August geht der Betreib noch weiter, dann wird umgebaut und das Traditionsgeschäft (Ja!) wird ab September von Freunden des Hauses weitergeführt. Arnulf und Stéphane, und ich glaube, ein Dritter ist auch noch im Bunde. Hab vergessen anzurufen. Hole ich aber nach. Schwöre.
Ich habe keine Ahnung, wann ich das erste Mal bei Karl-Heinz Ratzer eingekauft habe. Das liegt daran, dass ich wahnsinnig alt bin und vieles eben sehr lange her ist. Damals gab’s den Plattenladen Govi am kleinen Schloßplatz, ein paar Meter weiter den Plattenladen Gemini (nein, nicht die mittlerweile geschlossene Goth-Tankstelle, Ecke Berliner Platz).
Wir waren damals Kindermetaller vom Dorf und haben alle paar Wochen unser Taschengeld in folgenden Investitionen angelegt: Zugticket nach Stuttgart und wieder zurück nach Lauffen/N, einen hellblauen Zitronen-T, eine Butterbrezel und jeder eine Schallplatte – wenn richtig Konjunktur war, auch mal zwei Stück. Ich glaube, die erste Platte, die ich bei Karl-Heinz gekauft habe, war von Venom „Official Bootleg“. Fürchterliche Platte rückblickend. Damals aber top, weil es die im (auch gut sortierten) Fachhandel in Heilbronn nicht gab.
Manchmal habe ich bei Karl-Heinz im Laden auch noch irgendwelche Fanzines wie Rock Hard (war damals noch ein Fanzine, ja) oder Zap gekauft. Teufelskreis natürlich. Denn da standen noch mehr Platten drin, die wir unbedingt hören wollten. Und ich sage jetzt nicht so was Blödes wie „Damals gab’s ja noch kein Internet“ oder so. Stimmt aber. Wir haben also immer Unmengen an Zeit in Plattenläden verschwendet, um Platten durchzuhören und dann die vielversprechendsten davon zu kaufen. Äh, und Leercassetten, um sie uns gegenseitig aufzunehmen. War illegal, hui. Und Karl-Heinz war immer geduldig mit uns – als Kinder, als Teenager, als Erwachsene.
Irgendwann musste ich nicht mehr mit dem Zug nach Stuttgart fahren. Bin her gezogen. Da hatte Ratzer dann schon seinen, nach ihm benannten ersten Laden in Paulinenstraße. Da habe ich dann immer die ganzen Platten von den Melvins, Black Flag oder Dinosaur Jr angeguckt und mir überlegt, welche ich als nächste kaufen werde. Habe ihn damals auch mal gefragt, ob ich eventuell in seinem Laden als Aushilfe arbeiten könnte. Karl-Heinz: „Mach lieber was G’scheits. Hier hänge scho g’nug Leit rum“. Viele von denen wurden zu Freunden. Und spätestens in den 90ern war das dann sogar so eine Art “Szene” im Umfeld des Ladens. Grüße an Loud Minority, Mink Stole, Boiler und so, ne.
Na ja, Danke Brigitte und Danke Karl-Heinz. Für alles. Am Samstag 5. Juli wird das ab 11 Uhr bei Ratzer Records (Hauptstätter Straße 154, Marienplatz) gefeiert. Open end.
Ah, fast vergessen: Irgendwann muss ich Karl-Heinz noch gestehen, dass ich Led Zepplin gar nicht so doof finde, wie ich immer behauptet hatte. Aber Psst.
Der dritte im Bund heißt Roberto.