In the City 2009: Dein perfektes Wochenende in Stuttgart

Ich hatte es mir so schön vorgestellt. Ostern, vier Tage frei, schönes Wetter. Ein paar Powerpoint-Folien fürs Geschäft schrubben, ansonsten viel draußen mit Familie und Hund und so. Perfekt. Und dann kommt der Anruf vom Chef.

„Ey, der Raaaaaaaam hier Alda. Thorsten, wir müssen was machen. Wir sind zu weit weg von unseren Lesern. Wir schreiben hier über die Stadt und die Straße und den Untergrund, während wir in unserer Büroetage im 13. Stock des Bülow-Towers sitzen und mit Ed Hardy-Knöpfen Golf spielen. So geht das nicht weiter. Thorsten, Du musst da hin, wo es weh tut. Du musst in die Stadt!“

Okay, ich mein, was soll ich machen, der Porsche und der Ibiza-Urlaub wollen schließlich bezahlt sein. Also bin ich Freitag Abend losgestiefelt, in die Stadt. Und wie ich es manchmal mache, bin ich einfach mal kurz die Theo hoch und runter.

Von der Suite (wo Rick aufgelegt hat – irgendwie legt immer Rick auf, wenn ich da vorbeilaufe) am L’Oasis vorbei, Muttermlich, M1 Cafete (ziemlich dunkel da gerade), am Rotebühlplatz über die Straße, 7°, Barcode, Rohbau, BarBee, t-o12 und noch vor dem Tearoom (oder wie heißt der Laden jetzt?) wieder ins Auto.

Dauert insgesamt ungefähr 9 Minuten, wenn man sich beeilt. Das reicht aber, um einen Überblick zu bekommen. Zum einen hat inzwischen jeder Laden (außer Rohbau und wahrscheinlich Tearoom, aber da war ich ja nicht), Türsteher von der Sorte „Ich hab zwar ne Scheiß Frisur, aber Dir mit einem Schlag das Genick brechen schaff ich allemal“. Komischer Trend, das.

Ich glaube auch, dass diese Türsteher nach Ed Hardy und nicht Ed Hardy selektieren. Ist auch einfach. Anders kann ich mir nicht erklären, dass das Ed Hardy-Zeug jetzt irgendwie zur Theo-Universal-Uniform geworden ist.

Nach der Theo bin ich dann zum Lehmann gefahren, weil „Das Lehmann rockt“, hat Ram gesagt. Erst war ich etwas unsicher, weil ich sofort nen Parkplatz gefunden hab. Aber das liegt wohl daran, dass man da mit der Bahn hin fährt. Denn das Lehmann war bumsvoll.

Ich hab mich bissle geschämt bei 3 Euro Eintritt auf die Gästeliste zu pochen, aber von nix kommt nix. Es war Rock-/Indie-Abend, das wusste ich vorher, aber ich war nicht so ganz vorbereitet. Ich bin ja schon in dem Alter, wo man in manchen Dissen leicht für nen Zivibullen gehalten wird. Und da war das Durchschnittsalter halt auch 18,01.

Zur Metamorphose vom M1 zum Lehman so viel: Chris und Alex haben sich wirklich viel Mühe gemacht, es nach möglichst viel Prag und nach möglichst wenig M1 aussehen zu lassen. Sie haben sogar wieder so ein Bar-Häusle mit Fenstern reingebaut, was ich bissle albern finde. Aber sonst wirklich nett, genau die richtige Mischung aus sauber renoviert aber noch Fabrik-Charme.

Nur die Musik hat mich anfangs etwas irritiert. Von Hives über Elvis bis Blink 182 und zurück. Doch dann hab ich irgendwann kapiert, dass es eben doch nicht nur anspruchsvolle Gitarren-Indie-Underground-Freaks gibt. Sondern dass es solche Leute, die im L’Oasis Black-Charts hören wollen, auch bei Gitarren-Musik gibt – die da eben auch nur Hits hören wollen. Und was ich auch erstaunlich fand: Weder das Band-T-Shirt (Die Toten Hosen Tour 1999) noch lange Haare sind tot.

Den große Bereich mit dem Loch im Boden gibt es übrigens nicht mehr (ist als Lager vermietet, wie mir Alex erzählt hat), die ehemalige M1-Bar ist der zweite Floor. Und da lief an dem Abend, äh, keine Ahnung wie das heißt. So Double-Bass-Metal mit Grunzgesang. Aber interessant irgendwie, genau so wie der etwas eklige dicke Gast mit weißem Hemd, weißer Hose, schwarzem Leder-Mundschutz und Japan-Girlie im Schlepptau.

Zum Ausgleich bin ich danach noch ins Corso, wo Frico und Milla aufgelegt haben. Ich dachte 1 Uhr ist fürs Corso noch relativ früh, aber da war die ganze VIP-Posse inklusive Michi Beck, Blutsgeschwister-Tina und dem Rest der Feier-Gang schon am Start. Die Musik war wie immer dufte, aber irgendwie war ich nicht in Stimmung, und deshalb hab ich mich schon nach ner Stunde ohne mich zu verabschieden (wär mir sonst peinlich gewesen so früh) wieder verdrückt.

edhardy

Der Vorteil: Ich konnte Samstag wach sein und bin dann tagsüber noch mal ins Städtle. Nicht dass der Ram enttäuscht ist nachher. Und was soll ich sagen: Die Ed Hardy-Seuche ist schlimmer als ich gedacht habe. Das Bild oben ist das Modehaus Fischer – ein Laden, in dem ich vor 2 Jahren von 5 Verkäufern ignoriert wurde, nur weil ich bei 35° kurze Hosen an hatte.

Auch tagsüber steigt der Ed Hardy-Anteil potentiell mit dem Waiblingen-Anteil in der Stadt. Mützen, T-Shirts, Jacken, man kann keinen verdammten Schritt gehen, ohne von einem hässlichen Hardy-Tattoo angegrinst zu werden. Das Highlight (und das ist jetzt kein Witz) war eine 65-jährige Frau vom Typ „T-Shirt in Übergröße mit einer aparten Strass-Herz-Applikation – rufen Sie jetzt an, schon 548 Stück sind verkauft“ – mit einem Ed Hardy-Shirt. Mann, die Verkäufer in Antalya müssen das Zeug wirklich LKW-weise auf den Markt karren.

Aber mal ohne Witz – ich bewundere Christian Audigier. Wirklich. Der hat’s drauf. Erst verkauft er sackteure Klamotten, die nichts können außer dass „Von Dutch“ drauf steht, und wird damit stinkreich. Und dann schnappt er sich nen coolen Tatoo-Künstler, macht die hässlichsten Klamotten der Welt und wird noch stinkreicher damit.

Hat eigentlich jemand neulich diese komische TV-Show gesehen, wo sich drei deutsche Pseudo-Michael-Ammer-Vorzimmerschlampen für einen unbezahlten Praktikumsplatz bei Audigier beworben haben und dafür Kleiderständer durch den Matsch schleppen mussten?

Ach so, es gibt noch einen Trend in der Stadt – Digeridoos. Auch so ne Seuche. Das zweitschlimmste, gleich nach den Austauschstudenten im Schuh-des-Manitu-Outfit mit Steppen-Atmosphäre aus dem Ghettoblaster und Plattenvertrag. Ich hab auf einem Weg Königstraße vier Digeridoo-Bläser gesehen. Vier! Einer in Kombination mit Bongo, einer mit Geige, einer mit Gitarre und einer allein mit seinem Elend.

didgeridoo

Oh Mann. Das Wochenende ist rum, Auftrag erfüllt, ich bin raus, zurück an Ram.

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49 Comments

  1. says: knoxville

    höhö, sehr unterhaltsamer report – hat echt spaß gemacht zu lesen! 🙂

    …aber eins ist mir unklar – was sind denn „Austauschstudenten im Schuh-des-Manitu-Outfit mit Steppen-Atmosphäre aus dem Ghettoblaster und Plattenvertrag“?

  2. says: Basey

    Ich denke hier wird auf die „Indianer“ abgespielt die mit nem Ghettoblaster ihr Pan-flöten gedudel aufputschen.

    Aber mal im ernst, das Digeridoo-getröte geht mir auch unglaublich auf den Sack. Die sitzen in jeder Ecke und tröten dir hinterher, richtig penetrant!
    Das nächte mal werf ich den Typen ein Tennisball in den Sound-ausgang…oder ein irgendein kleines Tier…ein Hund zum Beispiel.

  3. says: JoeJoe

    Na gar keine schlechte Idee mal unters gemeine Volk zu gehen so als Nachtleben-Insider-Blogger 🙂
    Netter Artikel…schön zu lesen.
    Bei den Türsteher-Ausnahmen hätte ich noch das Barcode dazugenommen, auch wenn sie manchmal anders aussehen…
    Interessante Feststellung mit den anspruchsvolle Gitarren-Indie-Underground-Freaks. Ich frage mich auch, wo der in einschlägigen Stadtmagazinen alle halbes Jahr auf Neue propagierte Trend zu Indie eigentlich genau stattfindet ???
    Den großen Bereich mit dem Loch gab es noch zu M1-Zeiten schon ewig nimmer, wohl nichtmal ganze 2 Jahre lang…
    Lehman soll gut aber verdammt jung sein hiess es aus mehreren Quellen, freut mich sehr für Alex & Chris.
    Tearoom hiess Schaufenster Mitte, klang angeblich zu sehr nach Berlin und heisst jetzt Erdgeschoss oder so…
    Kommentar zur VIP-Posse gibt’s heute keinen 🙂
    Corso ist immer dufte, muß man aber in der Stimmung für sein.
    Hatte mal ein geniales Date samstag Abends im Sydneys. Bis der Didgeridoo-Spieler kam…wurde dann auch schnell leer.

  4. says: se

    was gibts schöneres um in ne neue woche zu starten als ein nachtleben-nachbericht, weil wir wissen ja, nach dem spiel ist vor dem spiel, übermorgen gehts also schon wieder los… herrlich!!!

  5. says: Leo

    Respekt! Sehr geiler und amüsanter Bericht 🙂 Die beste Passage war: „… Ich hab mich bissle geschämt bei 3 Euro Eintritt auf die Gästeliste zu pochen, aber von nix kommt nix…“ 😀

  6. says: martin

    ja fett. der digi-trend ging bislang gott sei dank an mir vorbei und bei den meisten ed hardy trägern denk ich mir sowieso nur noch, ob da für das shirt der halbe monatslohn draufgegangen ist. ansonsten: wild love.

  7. says: Ken

    war am sonntag au uff´m wackl… das einizige, was mir zur sonst leider üblichen show aufgefallen war ist, dass manchmal ein doch recht verheerender duft in der luft lag. jetzt ist´s mal ein bisschen wärmer und schon stinkts überall von der kanalisation hoch!

  8. says: Ken

    ät martin:

    war in keinem club. bin zuerst vor dem kap tormentoso gesessen und habe die leute betrachtet die zum 30 stunden rave ins toy gepilgert sind (war ziemlich lustig). allerdings hat man dann immer so ne fäkalienwolke aus der kanalisation (oder war´s vielleicht doch aus dem toy?) abbekommen. sind dann ins oblomow (da war aber auch nicht richtig viel los) und haben dann doch noch glatt 2 sekunden überlegt ob man nicht zu miss kittin abhotten gehen soll. allerdings ist das neue album der caroline so superscheissehochzehnschlecht von ihr, dass ich als alternative lieber den nachtbus gewählt habe!

  9. says: Sebastian

    Sehr lustiger und zutreffender Bericht! Hat meinen Start in die neue Woche erheblich lustiger gestaltet… 😀

    Ja, ja, die Indianer! Die Flöteschlümpfe nerven mich auch immer, genau wie die Typen mit dem Didgeridoo oder der Kristallmagier. Eigentlich wäre so eine offizielle „Nervtöter“-Kategorie auch nicht verkehrt! Erinnert mich ein wenig an den Southpark-Clip: http://www.myvideo.de/watch/1164562/Southpark_Nigger

    Ich laufe auch öfters durch die Stadt, bzw. laufe nach Feierabend vom Hbf. heim in den Westen. Ist schon immer wieder lustig, was man da für Gestalten zu sehen bekommt! Gestern hab ich Herrn Ypsilon im Café Heller gesehen. Mit seinem Vollbart (wie auf den Heimspiel-Plakaten) sieht er irgendwie ziemlich alt aus!?

  10. says: julia

    also mich nervt ja extrem dieser typ mit dem saxophon (oder auf was spielt der?) und dem papagei auf der schulter… der steht immer auf der kö rum.

    panflöten-fuzzis mit playback gehen auch gar nicht, ziehen aber immer leute an das es kracht (und im geldbeutel ordentlich klimpert).

    dann noch am samstag so einen älteren typ ganz in weiß mit geige (auch in weiß) gesehen und geige geht für mich auch gar nicht. ist immer so ein gequitsche…

  11. says: joeda

    kennt jemand nico schwanz? (Dschungelcamp etc.) lol hab den ein paar mal bei vox gesehen.Homestory etc. 😉 ich glaub der typ hat alles von edhardy, von der bettwäsche, hose jacke etc. tapete

    und das alles doppelt und dreifach

  12. says: JoeJoe

    @julia: Der Typ mit dem Papagei wohnt bei mir in der Nähe. Kam mal nach einer heftig durchzechten Nacht heim und sah ihn mir entgegenkommen…. Da denkste aber auch, was de wohl alles so gesoffen hast 🙂

  13. says: knoxville

    aber hallo! straßenmukker machen teilweise fett asche…hab mal so nen tv-bericht gesehen, da haben die das getestet – auf ner gut belebten fußgängerzone machen da manche so 200-300 öcken am tag! krass!!!

  14. says: julia

    diese drückerkolonnen sind oft auch auf bettler spezialisiert. so schlimm es ist, die holen sich behinderte oder verstümmelte in bestimmten ländern und setzen die hier auf die straße zum betteln. am abend wird abkassiert…

  15. says: Mate Koss

    Hier werden ernst zunehmende Musiker diskriminiert und lächerlich gemacht ^^ Unterlassen sie das unverzüglich !!!!!

    Schämt euch lieber, Gesindel und Gesox !!!!!!

    Ich spiele seit 20 Jahren Triangel, und mein Kollege Geige. Wir machen ernst zunehmende Straßen Musik.

    Pfui Deifel, ihr neidischen zur Sekte mutierten Kessel Tratsch Weiber.

  16. says: peder

    ich wüsste nicht was es gegen straßenmusik auszusetzen gäbe – außer wenn sie schlecht ist. gut die indianer, der papageimann oder andere können ein schon nerven. aber ich hab nichts dagegen wenn einer ausm balkan mit seiner ziehharmonika ein bisschen was verdient (seine familie ernährt). oder wenn zwei kinder an weihnachten mit geige und flöte 100€ einsacken.

    mate koss: wir sind ein wohlstandsland, uns gehts einfach zu gut! wir MÜSSEN tratschen lästern aufregen abkotzen usw

  17. says: derPaddi

    Wurde ja auch mal Zeit Marc – kriegst auf deinem Dorf ja auch nix mit 😉 hihi.

    @ Martin – das mit den „Bettlerkartellen“ habe ich auch schon öfters gelesen. Kommen oft aus Rumänien etc. – läuft dann hier ähnlich
    wie mit der Zwangsprostitution.

    Die Bettler-Damen sind übrigens auch oft in der S-Bahn anzutreffen.
    Was ich da schon eher nett finde sind die Zieharmonika Spieler in der S-Bahn, teilweise gar nicht schlecht 🙂

  18. says: julia

    aber alles in allem geht das hier echt human zu. war mal ein halbes jahr in rom und das ist echt schlimm…
    das kannste nie in ruhe bahn fahren oder an einer ampel anhalten, ständig steht jemand da mit ziehharmonika oder scheibenwischer oder feuerzeugen oder sonst was. jeden tag an derselben stelle dieselben leute. nach dem 10x was geben, haste kein bock mehr. auch nicht, wenn babys oder kinder dabei sind, das ist sowieso oft nur die mitleidstour.

    ohne wertung sage ich mal, halb rumänien sitzt in italien auf der straße rum und bettelt, kein witz. fragt mal nen römer, der wird euch was dazu erzählen…

  19. says: Annette

    Das schöne am Papageien-Saxophonisten: So weit ich das im Vorbeigehen beurteilen kann, trifft er tatsächlich die Töne. Nur so was wie Rhythmus, Takt, Timing, lange und kurze, betonte und unbetonte Noten kratzen ihn nicht im geringsten.

    1-2 Mal hab ich tatsächlich ein Lied bei ihm erkannt. Aber auch nur, weil es eine extrem bekannte Tonfolge hatte. Der Rest war reine Raterei.

    Das Phänomen hab ich teilweise auch schon bei DSDS gesehen. Fasziniert mich jedesmal wieder aufs Neue.

  20. says: Glory

    ja ja bei uns gibts echt so einige interessante Gestalten – gestern beispielsweise wurden mir vor der Finca kurzerhand 5 € für ein Haargummi geboten. Ominös aber echt wahr – Ich habs nach anfänglicher Irritation und kurzem zögern echt verkauft und den neuen Reichtum anschließend beim Bingo verzockt, was natürlich auch wieder total überflüssig war.

  21. says: martin

    hat ed hardy eigentlich die preise reduziert oder sind so viele fälschungen im umlauf? war gerade nur kurz ne halbe stunde zwischen eberhardt, marien und königstraße unterwegs, das trägt ja schon wirklich jeder picklige teenie…

  22. says: sheherada

    Fälschung!!!!
    Mein Favorit auf der Köngisstraße, nebenbei, war mal so ne Gruppe weißgekleideter Ghostbuster, ohne Slimer, die auf Wunsch Passanten einfach mal herzlich geknuddelt haben.
    Nur so.
    Glaub ich, denn ich bin leicht verstört weiter gelaufen.

  23. says: Richard

    Als ich das erste Mal von Ed Hardy hörte war das noch was Besonderes, heute wo wirklich jeder Spaßt ne Cap oder gar ein T-Shrt vom Label aus LA hat, überlegt man sich das wirklich noch ob man sich davon was kauft.

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