Gibt es Stuttgarter Sagengestalten? Eine Spurensuche

Gestern bin ich vom hochgeschätzten Göppinger Kollegen Dejan gefragt worden, ob es Stuttgarter „Sagengestalten“ gibt. Stand kurz auf dem Schlauch, wusste zunächst nicht genau was er meint, war mir aber schon ziemlich sicher, dass es nicht um Leute wie Naked Tom, Winnie Klenk oder Uwe Reiser geht. Nein, eher um Mythen, Legendenfiguren und Geschichten, die man sich seit Jahrhunderten weitererzählt.

In Göppingen, meinte Dejan, gibt es die Sage von einem Riesen, der einst vom Hohenstaufen Steine warf und somit die Oberhofenkirche schuf. Oder in Esslingen tobte ein Teufel, der von einer Marktfrau vertrieben wurde, als diese ihm eine Zwiebel anstelle eines Apfels verkaufte.

Uffz. Also zum Beispiel so etwas wie ein monströser Adler, der anno irgendwann auf Futtersuche mit seinen riesigen Flügeln Bad Cannstatt ausgehoben hat. Nee, nee, also spontan kenne ich keine Stuttgarter Sage bzw. eine Sagengestalt, antwortete ich. Meine Eltern haben mir auch nie etwas von Riesen, Gnomen, Teufeln, Feen oder Einhörnern auf den Weg gegeben.

Um Dejan etwas zu helfen, fragte ich nicht das Internet, sondern Maschine Krupa. Völlig unsinnig eigentlich, denn der ist ja nen Ossi. Weiß aber trotzdem alles, so mein Hintergedanke.

Hat sich schnell relativiert, denn ihm ist als erstes wiederum nur Big Tom eingefallen und dann: „Ha ja, der Bartl, der den Moscht holt!“ Genau Mann, wer ist eigentlich dieser verfluchte Bartl? Schreibt man wohl auch oder eher Barthel. Laut Wiki erklärt sich die Redewendung Sprichwort übrigens so.

Krupa hat dann doch das Internet gefragt und kam zum einen auf die „Kuckuckssage“. Da gehts um ein Kuckucksnest in Botnang, das unbedingt der Herzog von Württemberg haben wollte, die Botnanger meinten, das Nest wäre doch der gesamte Wald und er könne es gerne haben, aber müsse es selbst holen.

Der Herzog freute sich und entgegnete, das Nest bleibt wo es ist und so wurden die Bottnanger ihren Wald los. Rein markungstechnisch, steht auf Stuttgart.de, gehört heute kein einziger Baum zu Botnang, obwohl der Stadtteil von Wald umgeben ist. Aight, eine Sage, für, äh, Botnanger, und die bislang sicherlich nicht all zu viele ihren Kindern bislang weitererzählt haben. Ich will meinen Adler.

Weiterhin ist Krupa auf die Seite Sagen rund um Stuttgart gestossen, lauter Geschichten, u.a. aufgezeichnet von Hegel, die ich noch nie gehört habe. Von mutigen Heeren und weißen Frauen ist da die Rede. Will immer noch meinen Adler.

Alles in allem scheint Stuttgart relativ sagenfrei zu sein, zumindest haben sich keine Legenden massenhaft verbreitet, die jeder im Schlaf aufsagen kann. Sind halt wohl schon immer ein sachliches Volk gewesen. Außer ihr wisst es besser. Und vielleicht ist Naked Tom dann doch in 200 Jahren eine Sagengestalt.

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21 Comments

  1. says: dongowski

    Ich war auch schon mal auf der Suche nach Stuttgarter Sagen und Mythen. Viel gibt es da nicht. Die Standardwerke scheinen zu sein: Friedrich Nick, Stuttgarter Chronik und Sagenbuch, 1875, und Hedwig Lohß, Alt-Stuttgarter Geschichten und Sagen, Erstauflage 1936. Alles, was nachher kommt, schlachtet die beiden aus. Die bekannteste Stuttgarter Sagengestalt ist wohl das Stuttgarter Hutzelmännchen. Erfunden von Eduard Mörike 1853 – und damit im strengen ethnologisch-literaturwissenschaftlichen Sinne keine Sage oder Legende. Aber das Beste, was wir in der Beziehung aufzubieten haben.

  2. says: martinez

    Historischer Stuttgarter Stadtspaziergang

    http://tickets.stuttgart-tourist.de/smgevent/deutsch/ticket_info_page.htm?IDTicketOffer=9622&IDService=11377&IDVenue=1358&IDSupplier=1358&IDServiceCategory=1039

    durfte letztes Jahr daran teilnehmen… hatte zuerst überhaupt keine Lust aber im nachhinein betrachtet war es doch sehr interessant und informativ.
    An was man alles im Alltag vorbeiläuft ohne die geschichtlichen Hintergründe zu kennen.
    Ich war auf jeden Fall sehr beeindruckt von dem Wissen und den Geschichten der Stadtführerin und die ein oder andere Sage war auch mit dabei… kriege es momentan aber nicht mehr genau zusammen 😉

  3. says: afro-dieter

    Also ehrlich gesagt interessieren mich die Sagen der jüngeren Geschichte (1950+) deutlich mehr – wollte Ihr nicht mal Big Tom als Gastschreiber anheuern?
    Zwieblinger-Dieter

  4. says: JensOmatic

    Es gibt da was mit nem versteckten Schatz am Neckarufer, irgendwo Höhe Wilhelma glaube ich, krieg das aber nicht mehr zusammen…muss mal meinen persönlichen Sagen-und Legendenbeauftragten anrufen.

  5. says: franzi

    die sage mit dem riesen und den steinen kenn ich auch aus meinem kleinen heimatort bad liebenzell…so soll da die liebenzeller burg entstanden sein…war wohl sehr umtriebig, der riese

  6. says: MCBuhl

    Mhm, da ist was dran… die meisten Sagen kommen aus den Neckarvororten (wie z.B. die des Verstorbenen, der seiner Witwe erscheint und ihr den Rat gibt, Schiefertafeln unter die Weinstöcke zu legen, dass die länger der Wärme ausgesetzt sind)…
    Und dann wäre da noch die Geschichte mit dem Blutgericht zu Cannstatt 🙂

  7. says: Def Kev

    Also ich möchte an der Stelle eine Mär aus meiner Heimat kund tun. Und zwar war da mal ein Riese der wohl aus dem Bayrischen gekommen an der Iller halt machte da er scheissen mußte. Dabei hat er dan wohl folgenden Satz gemurmelt, “ des wird a Berg “ und so soll Würtemberg entstanden sein was ja auch irgenwie was mit Stuttgart zu tun hat.
    Gruß aus Hamburg

  8. says: Dejan

    Dein Link von gestern hat mir auf jeden Fall geholfen, besten Dank nochmal. Wobei der kopflose Reiter, der mit einem flammenden Schwert zwischen Plochingen und Altbach reitet, eindeutig unser Style-Sieger ist.

  9. says: Daniela

    Konkrete Sagengestalten sind mir auch nicht mehr bekannt, aber die besten Geschichten gibts bei Führungen durchs Bohnenviertel, angeboten von den beiden kleinen Buchhandlungen/Antiquariaten.
    Das ist keine heimliche Werbung, ich bin nur zu doof, mir die Geschichten genau zu merken.

  10. says: Skrinne

    Ja und was ist mit dem Stuttgarter Hutzelmännlein? Das ist ne Sagengestalt von Möhrike. Der ist voll Killer! Also das Hutzelmännle…

    edit: Ja, wurde schon besprochen :/

  11. says: Reinhard Gunst

    Die Hauptsage Stuttgarts ist ja die vom Stutengarten. Folgt man aber der Schreibweise des Namensgebers Hugo von Stuokarten, so verweis karten eben nicht auf den Garten sondern auf die Kardendistel. Die war in jener zeit ein Sinnbild des Leidens. Stuo bedeutete zwar Gestüt, aber auch Platz. In dem Sinn war Stuokarten eben der Platz des Leidens und das passte ganz in die mittelalterlich Geisteswelt. Nur wer ordentlich leiden konnte, der kam auch ins Himmelreich. Hin und wider spürt man diesen Gedanke ja auch heute noch.

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