Gamechanger: Nokia Communicator aka der Knochen

(Für alle jüngeren Leser: Das ist kein Satellitentelefon, sondern ein prähistorisches Smartphone. Es konnte sogar Internet. Glaub. Und Email.) 

Vor ein paar Monaten haben der Geiger und ich Telefonnummern ausgetauscht. Waren zum Schnitzelessen in der Stube verabredet. Könnte ja etwas dazwischen kommen. Also schickt er mir seine, 0172…. Meinte ich daraufhin, lass mich raten: Das ist immer noch deine erste Nummer und die haste seit 15 Jahren. Ja, antwortete er. Sag ich: Ich hab meine seit 1999. Er: Darüber müssen wir mal etwas bringen. Thorsten und Krupa haben ebenfalls seit ich sie kenne dieselbe Nummer. Darüber muss an also wirklich mal etwas bringen. Gerade wenn das Handy kürzlich 25-jähriges Jubiläum gefeiert hat.

Man kriegt dauernd SMS, huhu, hier meine neue Nummer, bitte abspeichern und die Alte löschen. Ah ha, iPhönele geholt. Nur: Ich speicher die neue Nummer zwar ab, aber lösch nie die andere. Problem: Will man (vielleicht nach Jahren mal wieder) jene Person anrufen, muss man alle Nummern durchprobieren und landet evenutell bei etwas muffeligen Menschen in Visselhövede, die irritiert-asselig den Hörer abnehmen, weil man ja die Nummer nicht kennt. Versteh ich, ich nehm auch immer assi ab, wenn ich eine Nummer nicht kenne.

„Ja!?“ „Äh, Micha, bisch dus?“ „Nee!“ „Oh witzig, dann wurde die Nummer neu vergeben, hihi.“ „Ja voll witzig, ciao.“ Arschloch.

Alternativ schreibt man an alle hinterlegten Nummern des Zielobjekts eine SMS und landet vielleicht sogar auf einem Fax. Das ist wiederum fast das Werner-Wölfle-Prinzip. Oder man bekommt eben eine dumme Antwort. „Hier ist nicht die geile Irene, du Drecksack.“

Mein erstes Handy war von Siemens. 1999 Verträgle gemacht mit Viag Interkom, heute O2. Der dazugehörige Gag hieß – logisch – Viagra Interkom. Die Endneunziger. Herrliche Zeit. Man sagte so Dinge wie: „Gehmer Prag?“ „Ich hab jetzt auch ein Handy!“ Oder: „Bin ich schon drin, oder was?“

Richtig aufgeregt hat sich zwar damals keiner mehr über Handy-Besitzer – war ein riesiges 90er Thema, soweit ich noch weiß Dauerbrenner bei Harald Schmidt – aber es hatten noch längst nicht alle ein Mobile und die Geräte wurden mitunter doch noch argwöhnisch betrachtet. Zumindest in meinem Freundeskreis. Aber natürlich war man kein Pionier mehr 1999. Wäre man eher 1994 gewesen. So wie der Geiger.

Heute hat O2 eine Arena in Berlin, in Hamburg und glaub in London. Mittlerweile kann man mit O2 sogar unten in der Stadtmitte telefonieren. Ungefähr seit zwei, drei Jahren. Siemens wiederum hat die Tage zu einem Flashmob in Peking eingeladen. Sonst von Siemens länger nichts gehört, denn ich bin dann bald auf Nokia umgestiegen. Auf den Prügel aller Prügel. Auf ein Statussymbol. Ein Must Have. Das Millenium iPhone. Der Communicator. 9210. Oder 9210(i). Allgemein bekannt als Communicator 2 oder auch: Der Knochen. Für den ersten hat es nicht gereicht.

Den Münztrick hab ich mir vom Tatort am vergangenen Sonntag abgeschaut. Große Spusi-Lage. Passt, denn man nannte den Communicator ebenfalls: Der Totschläger.

Das Ding hatten damals alle und vor allem der Eyerer, der Ussi, der Vlado, der Brunni, der Strachi und bestimmt der Schowi. Vielleicht der Reiser? Der Hauber garantiert. Wahrscheinlich auch der Thorsten. Würde sagen, mein erstes und einziges Handy, dass ich aus Gruppenzwang gekauft habe. Außerdem hatte es eine schicke Antenne.

Ansonsten konnte das Ding damals schon recht viel, aber letztendlich habe ich damit doch nur telefoniert, SMS verschickt und den Kalender gepflegt. Der war wirklich super. Kamera war keine eingebaut, aber eine Extra-Cam im Lieferumfang enthalten. Die war beschissen. Wer nimmt Fotos auf und überträgt die dann auf sein Handy?

Ansonsten sehr klare Menüführung. Mit den oberen schwarzen Tasten ist man durch die Hauptfunktionen gesprungen. Im Internet war ich damit nie. Hätte wahrscheinlich eine O2 Arena pro Monat gekostet. Vlado war immer ganz cool und ist mit dem aufgeklappten Totschläger telefonierend durch die Gegend gelaufen (siehe Lautsprecher rechts).

Großes Problem war der Transport. Sah ungefähr so aus:

(Dank an Hosentaschenmodel Chris)  

Mit Leggins oder Röhre also unmöglich. Anzughose auch. Hatte weder Leggins, Röhre noch Anzughose, sondern minimale Baggys. Dann war es okay. Manche Communicator-Fans hatten wiederum zwei SIM-Karten und noch ein Party-Handy.

Gerade wegen dem Kalender hab ich mir später die Nachfolgemodelle geholt. Eines wurde mir dann aus unserem Büro über dem Tonstudio geklaut. Vermute ich. Radelte eines Nachmittags vom Soundshop zurück, mein Kabuff war am Eingang, legte das Gerät meines Erachtens ab, ging kurz nach hinten zum Corbin und als ich zurückkam war der Prügel weg. Wäre der Backstein während des Radelns aus der Tasche gefallen, was sowieso nahezu unmöglich war, hätte man das definitiv gehört.

Meinen ersten Communicator wiederum hätte ich eigentlich damals verkaufen sollen, aber irgendwie häng ich an dem Kolben. Ästhetisch für meinen Geschmack ein echter Hingucker. Ein Klassiker des modernen Designs sozusagen. Überleg mir ab und zu, ob ich für einen Tag meine SIM-Karte einlegen soll. Einfach so. Bisschen auf und zu klappen und paar alte Freunde anrufen. Versuchen Whatsapp zu installieren und twittern. Und schließlich in der U-Bahn zücken, wenn vor dir 8-jährige mit ihrem iPhone rumspielen. Schon vorgekommen. Vielleicht wollen sie mir es dann abkaufen und in Reli rumzeigen. Das wird teuer.

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33 Comments

  1. says: Sepp

    Neulich war mein HTC schrott, also hab ich mein Altes Siemens S10 Active rausgeholt. Und ich muss echt sagen mein Umfeld war sowas von verwirrt. Aber coll wars schon… Was mir aufgefallen ist die Alten Knochen hatten viel mehr Sendeleistung. Da hatte mann auch noch im Climax Empfang!

  2. says: Thorsten W.

    Mein erstes Handy hatte ich 1996, von Motorola, Riesenknochen mit Klappe über der Tastatur und Antenne zum Ausziehen.

    Aber den Communicator hatte ich später auch! Bester Knochen ever, da hatten wir’s doch mit den Tunies bei der Hochzeit in Ludwigsburg von, Martin, alle ihre Geräte rausgeholt und Insidertipps ausgetauscht.

    Ich hab das Ding geliebt, vor allem tatsächlich wegen der sinnvollen Navigation und dem Kalender. Im Internet war ich damit auch mal, aber war kein Spaß und sackteuer.

    Jonger, so lange ist das noch gar nicht her.

  3. says: franzi

    viag interkom 1999! aber auch da musste ich noch diverse diskussionen führen, wozu man denn überhaupt ein handy braucht… und immer nokia, bis dann der herr jobs ein interessanteres gerät erfunden hat…
    meine 0179 nummer hab ich noch, glaub da kannst mich aus dem tiefschlaf wecken und ich sag dir die nummer…an die neue von meinem Iphone vesuch ich mich seit ca 7 monaten zu gewöhnen und kann sie bis heute nicht…

  4. says: Marco

    „Nokia Communicator, sowas hat noch nicht jeder“, wussten die Massiven doch noch 2002. Da kannste mal sehen, sowas würde heutzutage keiner übers iPhone rappen 😉

  5. says: Ken™

    meins war das ericsson 688 mit ultrastabilem gehäuse und knubbelantenne, die man andauernd verbogen hat aber ganz einfach per plug & play auswechseln konnte…

  6. says: jaytext

    Neues Spiel: Nenne in chronologischer Reihenfolge deine bisherigen Geraete …
    Muss zu Hause mal nachschauen welche von den geschaetzt 12 Teilen noch da sind. Erstes: Siemens S6, heute drei gleichzeitig (don’t ask, and don’t call me a nerd. I just love to play)

  7. says: atom3000

    Das S10 hatte ich auch. Mit Ladestation (gibts das heute noch?) — danach: Motorola Time Port. Mit TRIBAND. Ich weiß zwar bis heute nicht, was man mit den beiden anderen Bändern (?) machen kann, aber das war damals schon Pflicht.

  8. says: Phil

    Der burner war auch ein Kumpel von mir, der in das Nokia 6150 (DOT-Matrix mit grüner Beleuchtung) blaue LEDs eingelötet hat !!!!!111!!! Das war damals der absolute hingucker. Junge, das hat blau geleuchtet! Sowas hat man vorher nieeeeee gesehen!

  9. says: Whiskydrinker

    @atom3000: Zwei von den drei Frequenzen (900 und 1800 MHz) des Triband sind für Europa. Die dritte Frequenz (1900 MHz) ist für die USA. Später hat sich dann GSM auch in der Karibik, Mittel- und Südamerika ausgebreitet und es kamen noch 850 Mhz für die Amerikas dazu. Darum sind eigentlich alle besseren Telefone heute Quadband.

    War damals echt lustig, auf dem ersten Ausflug in die USA. „Was geht heute am Abend so?“ – „Abend? Hier in Vegas ist es gerade mittags und ich checke jetzt mal die Lage am Pool.“ Dazu noch das Geklimper der Slotmachines im Hintergrund sorgte für komplette Fassungslosigkeit am anderen Ende der Leitung.

    Commi hatte ich damals auch einen. Ich hatte aber schon das Vorgängermodell 9110. Und ich trauer dem Teil heute noch nach, wenn ich an den ganzen Dumbphone-Schrott von heute so denke.

    Am Strand vom Urlaub in Frankreich vor 11 Jahren Bilder in VGA-Auslösung per Email zu verschicken, das war Avantgarde. Da kann man über den Twitter-Pöbel von heute nur lachen.

    Faxen war auch klasse. „Zeichne das doch einfach kurz auf und fax mir das an 0171….“

    Die Krönung war aber immer noch das Schachspiel über SMS. So ging auch die langweiligste Vorlesung vorbei.

  10. says: Tobi Tobsen

    1999, d2, nokia 3210. meine alte nummer hab ich aber schon lange nicht mehr. wechsel die alle paar jahre, damit die ganzen deppen, die sie zufällig mal irgendwo aufgeschnappt haben, mich nicht mehr erreichen 😉

    hatte auch mal das 8210, war damals auch der burner und sack teuer…

    weiss aber auch noch die zeit, als das c-netz der überhit war. durfte ab und an mit dem geschäfts“handy“ von meinem dad ->http://p4.focus.de/img/gen/b/l/HBblCApJ_Pxgen_r_311xA.jpg eine einflussrunde drehen. da war ich echt sau jung, konnte das ding kaum heben, kam mir damit aber vor wie der größte 🙂

  11. says: jaytext

    @tobsen: 8210 war echt teuer, aber ein schoener kompakter handschmeichler
    auch teuer war das philips genie mit pop-out micro (coole rufannahme) hielt aber nur ein jahr 🙁

  12. says: Deutsch ist keine Schande

    >>Gerade wegen dem Kalender hab ich . . . .<<
    Bitte nicht so mit der deutschen Sprache schludern.

    Gerade wegen des Kalenders wurde doch das Genitiv "S" ersonnen ?

  13. says: vanDamme

    Noch vor dem Handy habe ich um `97 rum einen Ausflug in die Pager-Welt gemacht. Kennt jemand noch die Geräte namens „Skyper“ oder „Scall“? Trug man lässig am Gürtel und wurde man angepiept, durfte man sich auf die Suche nach ner Telefonzelle machen, was teils echt lästig war.

    Kurioserweise hat sich dann aber hier das Handy durchgesetzt, während in Amerika der Pager unglaublich erfolgreich war. Lag aber meines Wissens daran, dass bis Ende der 90er der Angerufene in den USA das eingehende Handygespräch zahlen musste (dort war das Handy echter Luxus!), während in Deutschland der Anrufer die damals 1,49 (!!!) DM pro Minute berappen durfte!

  14. says: Schoengeist

    Der Gegenentwurf zum Nokia Communicator war das klitzekleine Motorola StarTAC, das ich mit einem D2 Mannesmann-Vertrag hatte. Höchste Telefonrechnung war definitiv irgendwas über 500 DM, glaube nach dem Surfurlaub (eher Ferien) in Biarritz.

  15. says: Mel

    Da werden echt erinnerungen wach. Ich denk, mein erstes Handy war um ~1999. Siemens C25. War eigentlich schon ein relativ kompaktes Handy und die Tasten waren dicke Gummiknubbel, die man richtig tief eindrücken musste. Auf die Nokia Besitzer war ich trotzdem immer bisl neidisch, weil die „Snake“ auf ihrem Handy hatten und in der Pause um den neuen Punkte Rekord wetteifferten. Da konnt ich dann nicht mitreden.

  16. says: kutmaster

    Seit 1996 dieselbe Nummer. Damals wurde man allerdings sehr oft schräg angeschaut, wenn man es wagte in der Öffentlichkeit mit seinem „Poserhandy“ zu telefonieren. Monatsrechnungen bei D2 lagen damals auch noch so um die 350 Mark.

    Einmal wurde ich in der U-Bahn von einer alten Frau, die daraufhin fluchtartig das Abteil verlassen hat, wüst beschimpft, weil mein Teufelsgerät das ja bewiesenermassen Herzschrittmacher störe, in meiner Tasche geklingelt hat.

    Glaub gegen 1999 wurde das ganze dann so zum Mainstream, dass egal wo man hinkam, irgendein Horst immer gerade alle Klingeltöne an seinem neuen Telefon ausprobieren musste.

  17. says: Schoengeist

    Da fällt mir gerade ein, ich hatte auch mal eines von SONY, da ließ sich die Hörmuschel nach oben hin wegdrücken um Gespräche anzunehmen incl. ausfahrbarer Antenne. Bitte bitte, wie hieß das Teil …

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