Es war einmal… Der weiße Brasilianer und das blaue Drama

Am Samstag, 23. März treffen die Stuttgarter Kickers auf Eintracht Frankfurt II, mit der Betonung auf die II. Auf die superkultige Kulttracht Kultfurt I, Fußball-Twitter-Insider, trafen die Kickers ligamäßig schon über zwei Jahrzehnte nicht mehr.

Journalist und Kickers-Fan Philipp Engelhardt erinnert sich an das bislang allerletzte Ligaspiel im Profifußball zwischen den Kickers und den Adlern im Februar 1998, eine spektakuläre Regen-Schlacht im ungeliebten Neckarstadion.

Das Kickers-Stadion auf der Waldau, alle Fotos: Stuttgarter Kickers

Gegen Eintracht Frankfurt zu spielen ist natürlich cool. Der sechstgrößte deutsche Verein, mit Pokalen und Schüsseln in der Vitrine aus Deutschland und Europa. Ein klangvoller Name. Wären da nicht diese zwei großen Striche, diese „II“ hinter „Frankfurt“.

Das stört: Der aktuelle Gegner ist „nur“ die Zweitvertretung des großen Bundesligisten. Denn nachdem es für die Kickers das letzte Mal in einem Ligaspiel gegen die „I“ ging, hat die Tragik der Geschichte zugeschlagen: Ein fußballerisches Drama hier, eine Tragödie dort und noch ein Desaster dazu… „schwupps“ landeten die Kickers, wo sie heute sind: Im Amateurfußball der Regionalliga. 

Das Hinspiel Eintracht Frankfurt II gegen Stuttgarter Kickers endete 1:0 und war im September 2023 die letzte Niederlage der Kickers 

Aber als Kickers-Fan weiß man: Es geht auch schlimmer. Zuletzt ging es sogar steil bergauf, und die Mannschaft um Käpt‘n Dicklhuber begeistert gerade alle. Und Eintracht Frankfurt – ob mit oder ohne „II“ klingt doch besser als zum Beispiel Oberachern in der Oberliga, oder etwa nicht?

Vielleicht gehen die Meinungen hier auseinander, gesichert ist aber, dass es wahrlich cool war in einer Liga mit der großen Frankfurter Eintracht zu spielen – damals, 1992 zum Beispiel, beim letzten Treffen in der Bundesliga. Gegen Anthony Yeboah, Andy Möller und Co. gab es leider eine 0:2-Niederlage und am Saisonende stiegen die Kickers ab – tragisch selbstverständlich, denn nur ein Punkt fehlte zum Klassenerhalt. Kickers-Style eben.

Blicken wir aber auf das bislang allerletzte Ligaspiel im Profifußball zwischen den Kickers und den Adlern. Denn das war das Spektakulärste: Februar 1998, die Kickers ächzen im Abstiegskampf der Zweiten Liga.

Zu Gast: Der drittplatzierte Aufstiegsaspirant – die Eintracht (ohne „II“). Dummerweise spielten die Blauen wegen Umbaumaßnahmen auf dem Kickers-Platz im ungeliebten Gottlieb-Daimler-Stadion. Das war natürlich wenig reizvoll und schlecht besucht. Nur 6.000 Zuschauer waren im viel zu weiten Rund verteilt, dazu gab’s ordentlich schauerliches Regenwetter. Konnte das gutgehen?

Der Reihe nach: Es war das erste Spiel des neuen Trainers Paul Linz, der gerade Kickers-Legende Wolfgang Wolf abgelöst hatte, um das sportliche Ruder noch einmal herum zu reißen. Im Sturm spielten Tomislav Maric und Markus Beierle, im Mittelfeld schaltete Adnan Kevric, einer aus der Riege der Fußballgötter. Dazu andere Größen, wie Alexander Malchow und Zoltan Sebescen.

Der Ball aber gehorchte erstmal den Frankfurtern. In der 18ten Spielminute beispielsweise: Ein Schuss, ein Tor – es stand 0:1 durch Brinkmann. Genau: Ansgar Brinkmann, den sie später, aufgrund seiner Art den Ball zu drehen, den „weißen Brasilianer“ nennen sollten. Klar, es musste ausgerechnet dieses Spiel gegen die Kickers sein, in dem sein Stern zu leuchten begann.

Und wären die letzten sechs Minuten des Spiels nicht gewesen, dann wäre mit Brinkmann die Geschichte schon zu Ende erzählt. Aber die Schlussphase hatte es in sich, auf eine typisch dramatisch-tragische Kickers-Art: Obwohl die Eintracht das Spiel beherrschte und alles unter Kontrolle zu haben schien, kämpften die Degerlocher tapfer weiter. …und wurden tatsächlich belohnt: Malchow fasste sich in Minute 84 ein Herz und zog einfach mal aus der zweiten Reihe ab. 1:1 – wer hätte das gedacht!? 

Und wer hätte gedacht, dass sich die Frankfurter nur 120 Sekunden später auch noch auskontern lassen würden: Kevric passte auf Mourad Bounoua, der allen davonspurtete. Der eingewechselte Eberhard „Ebse“ Carl bekam den Ball und machte aus der Drehung die 2:1-Führung für Blau.

Da waren sie plötzlich ganz nah, die ach so wichtigen drei Punkte gegen den Abstieg, die Überraschung war so gut wie geritzt. Welch ein Einstieg für Coach Paul Linz dachten jetzt alle drei Minuten vor Spielende. Nur noch ein bisschen Abwehrschlacht auf tiefem, matschigem Boden… Aber können die Kickers das? 

Manchmal schon, doch an diesem Tag dummerweise nicht. Stürmer Beierle foulte im Abwehrwahn Kutschera im eigenen Strafraum und es folgte der nächste Auftritt des weißen Brasilianers: Brinkmann ballerte den nassen Ball per Elfmeter in der 89. Spielminute sachlich unter die Latte. 2:2 – und um das Dilemma perfekt zu machen, fingen sich die Kickers in der Nachspielzeit dann auch noch einen Konter ein. Mit der letzten Aktion des Spiels wurde aus dem Kickers-Traum von der Wende durch das Tor zum 2:3-Endstand von Frankfurts Christoph Westerthaler ein Last-Minute-Alptraum.

Das Spiel wurde gar nicht erst wieder angepfiffen und Paul Linz schlug die Hände vorm Gesicht zusammen: „Das war natürlich zum Schluss dann ganz schön tragisch – aber so ist Fußball“, sagte er und war somit angekommen bei seinem neuen Verein. Denn Drama und Tragödie – das beherrschen die Blauen schon immer. Wird zumindest nicht langweilig auf Degerlochs Höhen.

Gelernt hatten die Kickers aus diesem Spiel aber scheinbar doch eine ganze Menge: In den folgenden 14 Spielen bis Saisonende gab es nur noch drei Niederlagen. Der Klassenerhalt wurde souverän gemeistert.

Nun aber auf zu drei Punkten gegen Eintracht Frankfurt II – wird schon schiefgehen.

Join the Conversation

3 Comments

  1. says: SmartKa

    „Das Hinspiel Eintracht Frankfurt II gegen Stuttgarter Kickers endete 2:1 und war im September 2023 die letzte Niederlage der Kickers“
    Das Spiel endete 1:0

  2. says: Franz

    2 Traditions Vereine treffen aufeinander.!
    Kickers wollen 3 Punkte.
    Tribüne seit Wochen ausverkauft.
    Und das in der Regionalliga.!
    Kickers Fans sind unglaublich. Die besten Fans weit und breit.!

Leave a comment
Leave a comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert