Don´t mess with Skateboarder: Über Shitstorms und Hass

Der Scheißsturm fegt(e) über das Dach des Frauenmagazins Brigitte hinweg. In einer Kolumne erklärt eine Redakteurin – Quintessenz des Textes – dass sie bei Männern „jenseits der 25“ (wie sieht man das wiederum?) auf einem Skateboard einen Hals bekommt.

Das wäre was für kleine Jungs und nichts mehr für Männer. Die könnten doch gerne schnelle Autos fahren, Fußball spielen oder auf Bäume klettern. Alles super Aussagen. Sie laufe ja auch nicht im rosa Tutu über die Straße, schreibt sie. Eine Argumentation wie in einen Stein gemeißelt. Sitzt. Mach doch!

Leicht angepisst, nee nicht angepisst, eher angewidert von dem reaktionären Schrieb, habe ich meine Suppe weitergelöffelt und mir gedacht, oh Mädchen, du hast nichts kapiert, wie sich die Welt in den letzten Jahrzehnten stark gedreht hat, und dass es sich bei Dingen wie skaten nicht um Phasen, sondern – für einige Menschen – um einen Lifestyle handelt, mit dem man locker und full of l.o.v.e. alt wird. Und das ist gut so. Schont auch die Umwelt und nicht jeder (Mann) kann sich für schnelle Autos begeistern. Klingt komisch, ist aber so. Kenne ich z.B. von mir.

Die Kernaussage des Artikels weiter gespinnt dachte ich mir, was ich mir öfters mal denke: Wenn wir alle ab 25 nur noch die Dinge machen müssten, die man scheinbar als Erwachsener tun sollte, wäre die Welt ziemlich traurig. Zumindest mein Leben wäre traurig. God bless the Lego Adventskalender und lang lebe Rap und Techno.

Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, ab 40 oder 50, 60 oder auch 70 ein Musikantenstadl ft. Florian Silbereisen reinzuziehen, weil das vermeintliche Alter suggeriert, man wäre aus Rap und Techno rausgewachsen. Jay-Z, du bist raus. Mach was anderes. Country zum Beispiel. Wir sind mit anderen (Jugend)Kulturen groß geworden, als die Generationen vor uns, und von jenen stark geprägt. Und wenn die Knochen mitmachen, fahren wir halt auch noch Skateboard. Oder gehen in die Schräglage.

Die Dame hat nun eine ordentliche Schelle bekommen. Stellenweise fast schon zu ordentlich. 4000 FB-Shares, über 500 Kommentare allein auf den Artikel, wie ich zuletzt gesehen habe, und noch einiges mehr auf der Brigitte Facebook-Page. Dem überfliegen nach zu urteilen nicht nur von Skatern, sondern auch von jede Menge Nicht-Brettlern – Empörung, die ich ohne weiteres nachvollziehen kann. Ich war bzw. bin es auch. Siehe oben.

Empörung wiederum kann man so oder so formulieren, war wohl nicht der Fall, sonst wäre der Artikel noch online. Deutlich und richtig formuliert gegensteuern war in diesem Fall freilich schwer okay, würde die Frau jetzt aber trotzdem nicht als blöde Kuh bezeichnen oder ihr Schläge mit meinem alten Deck androhen. „Fuck You“ muss auch nicht sein. Wie das manchmal – schon längerem – im Internet abgeht, ist für mich genauso bizarr wie die Position der Autorin zum Thema Männer auf Skateboards.

Frag mich seit einiger Zeit und das ist auch die große Diskussion im Netz, mitunter losgetreten vom Blog Netzpolitik: Wo führt das alles hin? Kann man noch Meinungen haben und verbreiten? Position vertreten, zu denen man voller Überzeugung steht, ohne Angst zu haben, geköpft zu werden? Und: Kommt noch überhaupt eine vernünftige Diskussion zu Stande? Scheint täglich schwieriger zu werden.

Es ist ein Zwiespalt, wohin die Reise geht. Bei Döring-Aussagen a la „Tyrannei der Masse“ bekomme ich genauso kräftig-roten Ausschlag wie bei manchen S21-Diskussion auf der StZ, Tratschrunden bei SPON-Artikeln oder Youtube-Comments.

Manchmal befürchte ich, dass das alles dazu führt, dass eines Tages alle ihre Kommentarfunktion abschalten. Und das wäre schlimm. Denn von einer gescheiten Diskussion, egal wo und egal zu welchem Thema, kann jeder profitieren, etwas lernen und mitnehmen. Sowohl der Verfasser als auch die Kommentierer.

Ich verbleibe zwiespältig mit freundlichen Grüßen und sag noch, was ich vor einiger Zeit irgendwo im Netz ungefähr so gelesen habe: Das schönste Geräusch auf der Welt ist das „Klickklack“ eines Skateboards.

Stellungnahmen und Text Brigitte

Screenshot von dem Text

Senf vom Setzer:
Die Alte kann mir mal das Brett wachsen, oder wie Thomas Geyer („Stuttgart Kaputtskaten“) treffend sagte:

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34 Comments

  1. Zitat aus den Kommentaren:

    Pessimist, 22:49 Uhr
    Shredd your life

    Wenn 30 jährige Männer mit Rollbrettchen auf Hindernisse hüpfen und sich dabei filmen und nebenher Bier und Kippen konsumieren ist irgend etwas in Ihrer Entwicklung ganz furchtbar schief gelaufen. Welcher arme Wicht will denn mal sowas auf Youtube sehen? Außerdem geht der „Stunt“ dabei noch in 80% der Fälle in die Hose und sie erwischen das Rollbrettchen nicht wieder. Man könnte Literatur lesen, Sport treiben, ein Instrument lernen oder zuhause Frau und Kind haben, aber nein!

  2. says: Martin Sp.

    Hey, der Text suggeriert daß Männer zwischen 40 und 50 Florian Silbereisen gucken! Wo bleibt der Scheißesturm? Das ist… ich könnte… also neeee!!!!!11!

  3. says: Herr Cut

    „Frag mich seit einiger Zeit und das ist auch die große Diskussion im Netz, mitunter losgetreten vom Blog Netzpolitik: Wo führt das alles hin? Kann man noch Meinungen haben und verbreiten? Position vertreten, zu denen man voller Überzeugung steht, ohne Angst zu haben, geköpft zu werden? Und: Kommt noch überhaupt eine vernünftige Diskussion zu Stande? Scheint täglich schwieriger zu werden.“

    Natürlich kann man eine Meinung haben. Jedoch ist dies doch keine Meinung. Es ist eine Behauptung, die an den Haaren her gezogen ist. Ungefähr wie: „Frauen die Artikel über Männer schreiben, die im Alter von 25+ noch skaten , tecken tief in ihrer Midlife crisis und haben keinen Sex mehr“.
    Da will doch jemand nur das Interesse auf sich ziehen. Was ihr ja auch gelungen ist.
    Zudem werden Dj`s über 30 mittlerweile nur noch mit „SIE“ angeredet. Finde ich nicht ok!

  4. says: martin

    hm naja. das ist jetzt auch auslegungssache was meinung und was behauptung ist. für mich ist das meinung. der block war auch darüberhinaus gedacht und nicht auf den text gemünzt, was man so eben in letzer zeit im netz beobachtet.

    aber gutes beispiel für eine behauptung 🙂

  5. says: Herr Cut

    Ja schwierig. Das Netzt verfolge ich nicht so das ich da mitreden könnte. Allerdings kenne ich mehrere Skater die Familie, Job und skaten unter einen Hut bringen. Und sogar sehr erfolgreich im Job sind.

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