Die verschiedenen Nordic Walker Typen in Stuttgart

Als Läufer hat man öfters mit mehreren Hindernissen zu kämpfen. Omis und Opis auf dem Verdauungsgang zwischen Gemischter Braten (mit Kroketten) und Schwarzwälderkirsch, riesige Wandergruppen (nehmen gerade massiv zu), sonstige Spaziergänger (mit oder ohne Kinderwagen), Insekten (vergangenen Samstag ist  doch tatsächlich ein Kleinvieh zwischen meine beiden Sehhilfeschichten gelandet) und natürlich Hunde.

Weiterhin steht man speziell in Stuttgart früher oder später mehr oder weniger hohen Bergen gegenüber, die aber allesamt mit etwas Training überwindbar sind.

Des Läufers größter Feind war aber in den letzten Jahren der Nordic Walker, genauer gesagt, die Nordic Walkerin. Das war von Beginn an eine Frauen-Geschichte. Stand wahrscheinlich jeden März in der Brigitte („Frühjahr! Weg mit den Pfunden, rein in die Stöcke!“). Wenn Cardio was für Pussys ist, wie Muskelmänner zu sagen pflegen, dann ist Nordic Walking Mädchenflohmarkt.

Dabei gibt es vier Typen von Nordic WalkerInnen.

Typ 1, der Ambitionierte: Ich gehe spazieren und schleife dabei zwei Aluminiumstangen hinter mir her. Zwischendurch esse ich ein Stück Kuchen.

Typ 2, der Gewissenberuhiger: Ich gehe spazieren und trage zwei Aluminiumstangen in den Händen. Zwischendurch esse ich ein Stück Kuchen und ein Eis.

Typ 3, der filigrane Techniker: Ich gehe spazieren, halte dabei zwei Aluminiumstangen weit von mir und spiesse meine (laufende) Umwelt auf. Zum Abendbrot gibt es Schlachtplatte.

Typ 4, der Verbissene: Ich stampfe angestrengt durch Wald und Wiesen und ramme dabei mit voller Wucht und hoher Frequenz zwei Aluminiumstangen in das Erdreich. Essen gibt es erst nächsten Winter wieder.

Fazit: Bis auf vielleicht Typ 4 war das für mich schon immer Alibi-Sport, was die Damen und Herren da veranstalten und maximal eine Ankurbelung der Wirtschaft (Stöcke und Kuchen) als körperliche Ertüchtigung.

Der Nordic Walker vermehrte sich im vergangenen Jahrzehnt rasanter als ein durchschnittlicher US-Rapper. Peaktime waren meiner Meinung nach die Jahre 2005 bis 2008, da konnte man fast schon von einer Seuche reden.

Typ 1 und 2 verstopften massiv die Laufwege, gegen Typ 3 wehrte man sich lauthals („Pass auf mit deine blöde Stöck´!“) und Typ 4, also den sportlich Aktivsten, begegnete man äußerst selten. Und im Herbst/Winter traf man sämtliche Gattungen so gut wie gar nicht.

Frühjahr 2010. Wir befinden uns mitten in der Laufsaison. Am Bärensee wird hart um den Titel King Of The Lake gefightet. Alle Welt presst sich in Laufhosen bzw. Jeans (heißer Trend 2010, in Jeans joggen). Manche rennen sogar im Werberoutfit anno 2000, rosa Hose, weißes Hemd, oben aufgeknöpft, ehrlich jetzt. Aber samal, wo ist denn eigentlich…?

Ja wo isser denn, der Nordic Walker, hab ich mich gestern Abend gefragt, nachdem ich die letzten Wochen wirklich keinen einzigen Stöckles-Ritter mehr gesehen habe? Er/Sie ist (fast) verschwunden. Zack weg. Eliminiert. Aus und vorbei. Übrig geblieben ist eine klitzekleine Randgruppe.

Und warum? Vielleicht die kollektive Einsicht, dass es einfach doch nix bringt. Oder die Brigitte schreibt nix mehr darüber. Die Lobby ist dahin, die Aluminiumindustrie wird einbrechen. Die Kuchenindustrie nicht.

Gestern Abend habe ich dann doch noch zwei Nordic Walkerinnen getroffen. Eine hat ihre Stöcke getragen (vielleicht Momentaufnahme), die andere war sogar recht stramm unterwegs. Letztere hat mich sogar angelächelt. Vielleicht sind Nordic Walkerinnen ja doch die freundlicheren Läuferinnen?

Ich werde beim nächsten Mal noch herzlicher zurück grüßen.

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20 Comments

  1. says: DaSven

    Nordic Walking war ein absoluer Coup der Skistockindustrie um eben auch im Sommer die Stecken zu verkaufen. Dafür meinen Respekt. Noch seltener übrigens dieser Tage: Inline-Skater. Bis vor wenigen Jahren hat das zugehörige Equipment komplette Stockwerke in Sportgeschäften gefüllt.

  2. says: Basti

    ja, auch für uns radfahrer sind sei ein graus. ich hätt mal fast so ein stock in die kauleiste bekommen weil die tratschtanten mehr in ihr gespräch vertieft waren als mal auf die entgegenkommenden zu achten. und just in dem moment als ich vorbei gefahren bin muss sie ihr trainingsgerät als zeigestock verwenden.. zum glück bin ich pazifist 😉

  3. says: Peter

    Ich hab dieses Jahr schon einige gesehen. Zwei sind sogar mal beim Wandern auf der Alb so langsam vor uns hergelaufen dass sie irgendwann Platz gemacht haben, obwohl wir nur Normaltempo gewandert sind.
    Jedenfalls war ich da grad in Gedanken und hab vergessen mich zu bedanken – dann hinter mir: „s’nägschte mol lassemer niemand mehr vorbei, die könnet sich net mol bedanke!“ 🙂
    Zum Glück hab ich da kein Alu-Stöckle ins Kreuz bekommen…

  4. says: Thorsten W.

    DaSven hat recht – wenn es keine Urban Legend ist, hat tatsächlich ein (ich glaube schwedischer) Skistock-Hersteller überlegt, wie er auch im Sommer Umsatz machen kann und dann Nordic Walking erfunden. Ich glaube bis heute gibt es auch keine fundierte wissenschaftliche Studie, die irgendeinen Vorteil des Laufens mit Stöcken gegenüber dem Laufen ohne Stöcke sieht…

    Bei Wikipedia wird sowas auch in der üblich neutralen Art angedeutet: http://de.wikipedia.org/wiki/Nordic_Walking

  5. says: Cassius

    Bei uns in der Uni (Hohenheim) kommen immer wieder neue Seniorengruppen an, die sich das Schloss angucken und dann auch noch in die Bibliothek müssen (da hängen Kronleuchter und so). Letzten Sommer war tatsächlich eine dabei, die ihre Kulturreise mit zartrosanem Trainingsanzug, transparentem Visor-Cap und natürlich Nordic-Walking-Stöcken angetreten ist…

    Naja, wichtig ist halt, dass die Dinger möglichst leicht sind – dann ist der Trainingseffekt größer.

  6. says: ebi

    eyey, die raverschnullies hier rechts—>…
    gibts des noch? ich war da noch zu jung zum raven (6 oder so) aber ganz dunkel kann ich mich dran erinnern das ich au sowas hatte. modekruscht. ich will des wieder.

  7. says: Maith

    Bin sehr froh darüber, als Jogger ging das noch mit dem Manövrieren… Als Fahrradfahrer musste ich immer besonders vorsichtig sein… besonders wenn es 2 geschafft haben eine Straße zu blockieren, auf der normalerweise 2 Autos nebeneinander Platz hätten…

    Dazu fällt mir noch folgendes ein: http://german-bash.org/89374

  8. says: Jana

    Die Nordic Walking Damen sind eine sehr begehrte Zielgruppe, da hat die Sportartikelindustrie beschlossen „Hey, kein Streit, die reichen für alle“
    1995-2000 lassen wir sie Inliner kaufen
    Dann kommen die fünf fetten Jahre Nordic Walkingstöcke
    und als nächstes dürfen die Powerplates ran.

  9. says: Martin Sp.

    Ich geb’s zu! Vorgestern im Schloßgarten. Ich auf dem Heimweg vom Geschäft, fahre auf den Radweg der zur Brücke führt, sehe die drei Nordic Walkerinnen vor mir, und klingel dreimal mit meiner Billy. Beim letzten Mal dreht sich die linke mal um (das erste Zeichen einer Reaktion), und sagt irgendwie was von wegen genug Platz. Ich grunze nur „Radweg“ und fahre vorbei. Hey, die soll froh sein daß ich mit dem Birdy unterwegs war. Am Lieger hängt die AirZound, da wär sie wohl gesprungen!

  10. says: martin

    granny, ich weiß auch nicht wie die sprungfedern heißen, aber das stimmt, die könnten echt die walker ablösen, zumindest mal im schlossgarten. die besagte kolonne ist mir letzten sommer auch mal entgegen gekommen. sieht auch, ähm, etwas affig aus. kein plan ob das was bringt.

  11. says: maga

    also ausgestorben sind die stöckis net. sind eher mittags unterwegs wie ich heut festgestellt habe…. man walkt sich wohl bewußt aus dem weg 😉

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