Der rote Wal: Rapper Maeckes hat eine Oper geschrieben

Alle Fotos: Matthias Baus

Oper hinter den Kulissen, Oper auf dem Pulli, Oper in jeder Form im Blog: Dieses Mal war es die von mir aufgeregt erwartete Premiere von “Der rote Wal” von Vivan und Ketan Bhatti und Markus Winter. Den Letzteren kennen die meisten als Rapper Maeckes, die beiden anderen sind Komponisten und Theatermusiker.

Am Premierenabend ist das Opernhaus voll, im Foyer gibt’s noch ein kurzes High Five mit Bartek und Kaas, die beim großen Abend ihre “Die Orsons”-Bandkollegen offensichtlich auch dabei sein wollen. Tua, der vierte Orson im Bunde spielt ein paar Tage später sein eigenes Konzert in der Staatsoper – it’s a match!

Dann schließen sich die Türen zum Zuschauerraum für 105 Minuten ohne Pause. Das Publikum ist sogenannt bunt gemischt, ebenso die Outfits: Ja, man darf in kurzen Hosen kommen! Keine Sorge!

Türen zu, Türen auf: Die ersten Szenen erleben wir via Live-Übertragung aus dem jetzt leeren Theaterfoyer. Gladis – gespielt von Madina Frey – ist wütend auf die Welt. Sie will etwas tun gegen die Ungerechtigkeit, gegen “die da oben”. Und wo gibt es mehr “da oben” als unter Wasser, im Ozean?

Langsam dringt Gladis im Traum (oder im Rausch?) in die Tiefe vor, trifft dort auf Multimilliardär Lone im teuren Tiefsee-U-Boot – wie bei so vielem heute Abend sind die Bezüge in die echte Welt ganz klar erwünscht. Die junge (Orca-)Frau schließt einen verhängnisvollen Pakt mit dem glatzköpfigen Bösewicht. Ob das alles gut ausgehen kann?

Zwischen die märchenhaften Passagen mit unter Wasser schwebenden Fischen mischen sich nach und nach Aufnahmen aus der jüngeren Stuttgarter-Historie. “Ein deutsches Herbstmärchen” lautet der Untertitel des roten Wals. Bild- und Tonaufnahmen aus der RAF-Zeit (Stuttgarterisch übrigens “Rafff” ausgesprochen”) und aus dem Gerichtssaal im Gefängnis in Stammheim werden eingespielt.

Das vermeintliche Terroristentraumpaar aus Obermacker Andreas Baader und schwäbischen Pfarrerstocher Gudrun Ensslin (gespielt von Josefin Feiler, neuerdings auch Sängerin der Formation FUTSCH) verschlingen und verstricken sich und Gladis auf der Bühne immer weiter in der Realität und/oder der Vergangenheit.

Das Orchester unter der Leitung von Dirigentin Marit Strindlund leistet derweil Übermenschliches. Aus dem Orchestergraben krachen und klingen die wildesten Beats zu dem von Maeckes geschriebenen Rap-Libretto (also dem Text der Oper). Der riesige Opern-Chor taucht ebenso wie der glatzköpfige Maeckes-Lone im Zuschauerraum auf und durch den riesigen Spiegel, der immer wieder auf der Bühne hoch und runterfährt, bekommen auch wir Zuschauer reichlich Gelegenheit uns selbst zu reflektieren.

Wie die Geschichte ausgeht? No Spoiler! Jedenfalls: Der größte Teil des Publikums jubelt am Ende euphorisch, meiner weißhaarigen Nebensitzerin kann aber lediglich die weibliche Hauptrolle ein paar gut gemeinte Klatscher entlocken.

Geteilte Meinungen also, aber das kann passieren, wenn man über den ganzen Abend das Gefühl hat, in der Oper wird grade mal nass durchgewischt. Der rote Wal macht gründlichst große Kehrwoche vom Operndach bis zum (Tiefsee-)Keller, mit Wasser aus dem Eckensee!

Der Rote Wal – Ein deutsches Herbstmärchen
Nächste Vorstellungen am 17., 20. und 22. Juli 2025, sowie im Dezember 2025 und Januar 2026

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