Ein bisschen traurig ist es ja: Meine fortgeschrittene Reife im Nachtleben erkenne ich seit einiger Zeit beispielsweise auch daran, öfter lieber nicht ins Oblomow zu gehen. Und das liegt keinesfalls daran, dass es ein Drecksladen, langweilig oder gar doof wäre. Im Gegenteil: Jeder Besuch dort dauerte wesentlich länger als ursprünglich geplant, ganz zu schweigen von der anschließenden Regenerationsphase.
Auch ein Zeichen von Reife oder zumindest des Alters: das Oblomow feiert diesen Samstag den 20-jährigen Geburtstag. Hier – der Kessel.tv-Premium-Abo-Leserservice: mit den eigenen Fingern nachgerechnet – das bedeutet: 1996.
Der Weiße Rabe – Klammer auf Kultkneipe Klammer zu – hatte gerade geschlossen und niemand wäre deshalb frustriert nach Berlin ausgewandert. War ja schon damals klar: ein Laden verschwindet und ein anderer wird eröffnen. Das war dann das Oblomow, benannt nach so einem Literaturdingsbums von Iwan Gontscharow, das ich nie gelesen habe. Wann klar wurde, dass das Oblomow die letzte Autobahnausfahrt vor irgendeinem Bett, Kopfweh oder dem Sockenschuss wird – keine Ahnung.
Es ist mittlerweile eine Art Naturgesetz: Egal welcher Laden gerade zum Zapfenstreich bimmelt, irgendeiner sagt immer: „Jagut, dann halt Oblomow“.
Auch eine Art Automatismus: Angesprochene tun dann so, als wäre das ein riesen Aufwand, lassen sich aber trotzdem sofort und nahezu wortlos davon überzeugen, eben doch noch auf einen ins Oblomow zu gehen. „Nagut. Aber dahann ist aber wirklich Schluss.“
DJs, Barpersonal, Clubleute, Bands auf Gastspielreise – wer nach Geschäftsschluss noch laufen kann oder wenigstens den Pegel halten möchte, geht ins Oblomow, unterhält sich wahllos mit anderen und bestellt schon wieder das jetzt aber wirklich letzte Getränk.
Irgendwann pfeifen draußen die Vögel, andere aus dem letzten Loch und ein paar haben den Schuss immer noch nicht gehört. Manchmal schläft auch einer an der Bar, in den Doppelstockbetten oder an der Schulter eines anderen Gastes ein. Das Oblomow ist besonders zu diesen Stunden einer der ehrlichsten Läden der Stadt – denn ab 4 Uhr und zwei Promille haben sich auch die Instagram-Filter längst schon schlafen gelegt.
Das Oblomow ist das Sieb einer Nacht in Stuttgart, und das ist freundlicher gemeint als das jetzt klingt – wer da hängen bleibt, bleibt halt hängen. Manchmal gehe ich auch nur vorbei, um kurz die Jungs an der Tür touchzufisten … äh … Moment … DAS klingt jetzt definitiv anders als gemeint. Stabile Ghettofaust, schnacken und so meine ich. Was ich sagen will: Türjungs im Oblomow brauchen Nerven, einfach mal anlächeln schadet denen nicht.
Zum Jubiläum am Samstag spielt die Band Antiheld, es gibt’s BBQ, Tombola, allerlei DJs, die hier in den vergangenen Jahren aufgelegt haben und die Gewissheit, dass dieser Laden ein lebendiges Stück Stuttgart ist. Keines, das man missen möchte, selbst wenn man nicht mehr sooo oft hingeht.
Oh, fast vergessen: Ich möchte mich im Namen aller DJs mit großen Plattenkistenkoffertaschen dafür bedanken, dass wir unseren Krempel immer bei euch backstage abstellen dürfen.
Jetzt noch ein paar Pro-Tipps:
– Oblomow ist auch gegen 22 Uhr oder Mittwochs ganz okay
– Profis stürzen dort auch mal Dienstags mit Gitarristen von irgendwelchen Punkbands aus Schweden ab.
– Der Whiskey Sour geht immer.
Alles Gute, Ob.
vodka doppelherz alda!
Mist! Den habe ich völlig verdrängt/vergessen. Schmeckte ja angenehm nussig.
ich hab keine ahnung mehr, wie der schmeckt. hahaha
„sockenschoss“
!1″2!!!!!!1!!!!
Schöne Laudatio