Kürzlich ist das Buch „Der Stuttgart Komplex“ von Florian Werner im Klett-Cotta Verlag erschienen: „Man könnte meinen, der berühmte Stuttgarter Talkessel sei in Wirklichkeit eine riesige Petrischale: Was hier keimt, wird demnächst auch im Rest der Republik virulent werden. In DER STUTTGART KOMPLEX stürzt sich Florian Werner in diesen Kessel und geht ihm in fünf Streifzügen auf den Grund.“
Ich habe das Buch gelesen, eine kurze Review:
Was man Werner zunächst zugute halten muss: sein Blick ist erkennbar einer von außen, und dennoch fundiert – er lebt in Berlin, ist aber in Stuttgart aufgewachsen. Und er hat offensichtlich sehr gut recherchiert.
Das Buch erhebt ja den Anspruch, die Entwicklung Deutschlands anhand von Stuttgart zu erklären. Das tut es meiner Meinung nach nicht wirklich. Vielmehr gibt sich Werner viel Mühe, alle bekannten Stuttgart- und Schwabenklischees und Vorurteile nochmal ausführlich zu erklären, um sie dann genauso ausführlich zu widerlegen.
Das wirkt gut gemeint, ist aber teilweise echt weit hergeholt. Den kompletten Text des „Hafer & Bananen Blues“ auseinandernehmen als Beispiel für das Verhältnis von Schwaben zu Ausländern bzw. zu Neuem? Come on!
Und manche Passagen sind einfach sehr langatmig, mit dem Thema Anthroposophie beschäftigt er sich z.B. sehr lange – und das dann leider weitestgehend ohne die wirklich kritischen Aspekte zu Steiner anzusprechen.
Schlecht finde ich das Buch aber nicht – die Sprache ist sehr schön, vor allem die Beschreibung eines Fluges in einem Motorsegler über die Stadt hat mir sehr gefallen.
Und ich glaube, das Buch tut am Ende für beide Seiten etwas. Für nicht-Stuttgarter werden ohne Romantisierung positive Seiten der Stadt hervorgehoben (z.B. das überwiegend problemlose Zusammenleben von Menschen mit verschiedensten kulturellen Hintergründen). Und für Stuttgarter werden unbekannte oder wenig bekannte Fakten wieder hervorgeholt, z.B. an wie vielen Punkten Anthroposophie dann doch eine Rolle spielt (oder wer wusste, dass der Autozulieferer Mahle von einer anthroposophischen Stiftung verwaltet wird?).
Nur eine Episode ist wirklich überflüssig und peinlich: Eine der wenigen mit Namen vorkommenden Protagonistinnen lernt der Autor am Palast (klar) kennen – sie hat „einen osmanischen Prinzessinnennamen“, „ist auch sonst der Inbegriff morgenländischer Sprezzatura“ und „spricht fließend Deutsch, aber nicht ganz akzentfrei: Sie hat eine deutliche schwäbische Färbung“. Alter, da musste ich echt fast spucken.
Das Buch gibt es im gut sortierten FACHHANDEL, in einer Rezension in der ZEIT kommt es ziemlich gut weg.