Es ist in diesen Tagen gar nicht so leicht, den richtigen Mittelweg zwischen „Better done than perfect“ und „gut gemeint ist das Gegenteil von gut“ zu finden. Oder anders gesagt: Man kann ganz schön viel falsch machen.
Als am Dienstag mit der #blackouttuesday-Aktion vor allem bei Instagram immer mehr schwarze Kacheln auftauchten, gab es schon zunächst Fragezeichen, ob der nächste Social-Media-Trend etwas gegen Rassismus ausrichten kann.
Als aber gegen Nachmittag der Stream bei den meisten dann wirklich sehr schwarz wurde und „normale“ Posts von Marken aber auch Privatleuten plötzlich sehr akward wirkten, da merkten schon viele Leute, dass so eine Aktion ein Thema vielleicht doch noch ein Stück sichtbarer machen kann, als es sowieso in den letzten Tagen und Wochen schon ist und war.
Wesentlich mehr Engagement verlangt es dann natürlich, zu einer Demo zu gehen. Und in Corona-Zeiten zusätzlich keine leichte Entscheidung.
Meine Freundin und ich haben uns relativ schnell entschlossen, beim Silent Protest vergangenen Samstag am Eckensee teilzunehmen. Wie viele wahrscheinlich mit dem Vorbehalt, erst mal zu schauen wie eng die Leute stehen, ob man Abstand halten kann, ob Masken getragen werden.
Als wir uns dann um 14 Uhr dem Oberen Schlossgarten nähern, ist schon schnell klar, dass das was Großes wird: In sprichwörtlichen Strömen laufen die Leute in Richtung Versammlungsstätte.
Die Veranstalter hatten die Demo für lediglich 700 Leute angemeldet – und es kamen mehrere Tausende. Dafür war der Spot etwas suboptimal. Selbst relativ weit vorne konnte man die Bühne nur erahnen und nur teilweise etwas hören.
War aber nicht schlimm, denn die Stimmung übertrug sich trotzdem. Und damit meine ich nicht die – wie von manchen angeblich beobachtete – Demotouristenpartystimmung. Sondern immer wieder Wellen von Jubeln, „Black Live Matters“-, „I can’t breathe“- und „No Justice No Peace“-Sprechchören.
Ich war in meinem Leben bisher auf ziemlich wenigen Demos, im Gegensatz zu unzähligen Events. Was ich merke: Wenn viele, sehr viele Leute gemeinsam für eine absolut und unbestreitbar gute Sache laut sind, dann ist das Gefühl Gänsehaut, und nicht Unbehagen.
Und was ich ebenfalls feststelle: Die Leute auf der Demo sind – bei dem was ich beobachten kann – überwiegend jung. Oder anders gesagt: Die Leute, die für die gute Sache auf die Straße gehen, sind meist nicht älter als 30.
Zur absolut berechtigten Frage nach Corona: Tatsächlich hatten fast alle Masken auf. Ja, ganz vorne war es sicher nicht möglich, genügend Abstand zu halten, weiter hinten aber auf jeden Fall. Dass es den Leuten egal war – den Eindruck hatte ich zumindest nicht.
Auf dem Rückweg nach einer Stunde treffen wir noch Krupa, 5ter Ton, Adi und Posse, also alles Leute, sorry, in unserem Alter, und ich stelle mir doch die Frage: Was hat viele andere Leute, die am Dienstag eine schwarze Kachel gepostet haben, davon abgehalten, auch hier zu sein?
Aber ich will mir weder was einbilden noch urteilen, ein Tweet fasst es sehr gut zusammen: „Ich verstehe jeden, der hingeht, und ich verstehe jeden, der nicht hingeht.“
Was aber meiner Meinung nach die Antwort auf die Frage ist, die ebenfalls auf Twitter gestellt wurde: Was bringt so eine Demo?
Dass Schwarze in den USA, auf der ganzen Welt und eben in Deutschland, die genauso unter Rassismus leiden, was erst letzte Woche Shary Reeves im von Carolin Kebekus initiierten Brennpunkt nochmals sehr deutlich aufzeigte, sehen, wie viele Menschen es gibt, die auf ihrer Seite stehen.
Und ja, natürlich, diese Demo war ein starkes Signal – für dauerhafte Veränderungen müssen aber Verhaltensweisen grundlegend geändert werden. 20 Empfehlungen dafür hat die ZEIT zusammengestellt, die letzte Woche ebenfalls sehr oft geshared wurden.