Auf den Zahn gefühlt: Bei der IDS – der internationalen Dental-Schau in Köln

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Bereits Anfang des Jahres war ich in Köln auf einer Messe, der „Living Kitchen“, bei der es – man wird es vermuten – um alles rund um die Küche geht. Ich war geschäftlich dort, nicht, weil ich Küchen verkaufe, sondern weil ein Kunde ausgestellt hat. Und eine Küchenmesse ist für jemanden, der leidlich kocht, gern backt und auch sonst kein Problem mit Hausarbeit hat, einigermaßen interessant.

Vergangenen Monat war ich mit Kollegen aus dem selben Grund wieder in Köln, und zwar bei der IDS – der Internationalen Dental-Schau, der „Weltleitmesse der Dentalbranche“. Ein genauso spannendes wie hoch emotionales Thema. Das uns alle angeht. Irgendwie.

Und doch sind meine Kollegen und ich zunächst eher zurückhaltend durch die weitläufigen Messehallen gestromert. Und hatten ziemlich schnell ein ziemlich großes „WTF?!“ jeder über seinem Kopf. Denn bei jedem zweiten Messestand sagten wir uns, dass das auf keinen Fall ernst gemeint sein kann.

Im Gegensatz zu anderen Messen waren hier allerdings nicht die Besucher die Sensation – darunter einige natürlich (mitunter offensichtlich gutsituierte) Zahnärzte, viele Vertreter von Pharmafirmen mit schlecht sitzenden Anzügen und wenige aufgekratzte Zahnarzthelferinnen – sondern vielmehr waren es Dekoration und Ausstattung der Stände, die uns den Kopf schütteln ließen.

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Aus Sicht eines Branchenfremden zelebriert die Dentalszene ihre Messe ziemlich, äh, grobbohrig. Wahrscheinlich für die Docs ein echtes Freudenfest – während wir uns weniger freudig gruselten.

Besonders beliebt sind dabei Bilder von geöffneten, blutigen Mündern. In Großaufnahme. Viele davon. Oder gern auch als Film. In manchen dunklen Hallen fand der verzweifelte Blick keine Ecke, in der nicht in sämtlichen grausigen Details gezeigt wurde, wie gerade ein Loch gebohrt, ein Zahn gezogen oder ein Kiefer verbogen wird. An einem Stand gab es sogar eine Dental-OP als 3D-Film. Mit 3D-Brillen. Mit Kinosesseln.

An anderen Ständen wiederum gab es Live-Vorführungen – dabei durfte sich eine Hostess live einer Zahnreinigung in einem stilechten Zahnarzt-Behandlungssessel verpassen lassen, dort zeigte ein versierter Operateur am Beispiel eines Schweineknochens, wie man ein Zahnimplantat setzt, und kommentierte das im besten Stoiber-Bahnhof-Flughafen-Duktus.

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Dazu wurde eine unglaubliche Vielzahl an unglaublichen Produkten angeboten, von den erschreckend lebensecht wirkenden Gummiköpfen mit Kieferausstattung bis zum Ganzkörperschutzanzug für besonders blutige Operationen.

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Unsere Stimmung drehte sich erst, als wir von einem Stand laute Musik vernahmen. Wir näherten uns vorsichtig und waren umgehend entzückt. Auf einer kleinen Showbühne sorgte eine vergnügliche Showtruppe für Unterhaltung. Passend zum Corporate Design des Ausstellers in blaue Gewänder und weiße Perücken gehüllt tanzten und sangen ein paar junge Leute, dass es nur so eine Freude war. Im Swing-Stil. Um einen Zahnarztstuhl herum. Mit einem auf den Aussteller umgetexteten Song. „We got music, we got rhythm, we got innovations for sure“.

Am Schluss der Performance hielten sie ein übergroßes Modell des Produkts des Ausstellers (was auch immer es war) so perfekt im 50er-Jahre-Variete-Stil in die nicht vorhandene Kamera, dass man es für eine wunderbare Parodie in der Bully Parade hätte halten können. Wenn es nicht ernst gemeint gewesen wäre.

Leider musste die Lead Sängerin auch als Moderatorin herhalten und suchte sich als Opfer für eine spontane Befragung im Publikum ausgerechnet einen Besucher aus Chile aus. Sie sprach zwar passabel englisch, er leider gar nicht, was zu folgendem Dialog führte: „Do you speak english?“ – „No.“ – „How are you?“ – „Yes.“ – „How do you like the IDS?“ – „No.“

Jetzt hatte uns IDS gepackt, wir waren nun mit voller Leidenschaft dabei und suchten die nächste Sensation. Und wurden nicht enttäuscht. Schon bei der Abfahrt per Rolltreppe in die nächste Halle hörten wir von weitem Jubel und laute Musik. Auf einem ziemlich großen Stand lief tatsächlich „Gangnam Style“ aus großen Boxen. Aber nicht nur das. Alle Hostessen, darunter drei, die sich in enge gelbe Catsuits quetschen mussten, auch wenn sie das lieber nicht hätten tun sollen, und dazu alle Angestellten der ausstellenden Firma – vom Vertreter über den Buchhalter bis zum Chef – tanzten den Gangnam Style. Auf dem Messestand. Gefilmt von 300 Handykameras.

Doch es wurde noch besser, denn die Hostessen forderten das Publikum auf, mitzutanzen. Was in einer zweiten Runde Gangnam Style nicht wenige machten. Zahnärzte, Vertreter von Pharmafirmen mit schlecht sitzenden Anzügen und aufgekratzte Zahnarzthelferinnen. Es gab sogar einen Contest, wer am besten den Gangnam Style tanzt. Gewonnen hat schließlich der Gast aus Chile, der offensichtlich besser tanzen als Englisch reden konnte.

An einem anderen Stand, zufälligerweise direkter Mitbewerber unseres Kunden,  raunten uns die Hostessen fast schon verschwörerisch zu, dass wir an einem Gewinnspiel teilnehmen sollten – es gäbe ein iPad zu gewinnen und die Gewinnchancen wären „sehr hoch“. Wir ließen uns nicht zweimal bitten, füllten die Teilnehmerkarten mit den von den Hostessen zugeflüsterten Lösungswörtern aus und fanden uns rechtzeitig zur Live-Verlosung am Stand wieder ein.

Gut, wir waren nicht ganz allein – neben knapp einem Dutzend Interessierten, die sich wirklich den unglaublich langweiligen Powerpoint-Vortrag vor der Verlosung anhörten, waren weitere 70 fröhliche Leute versammelt, die offensichtlich wie wir auschließlich auf das iPad aus waren.

Zunächst wurden Kosmetik-Sets, diverse Samsonite-Koffer und eine Espressomaschine verlost, bevor es an den Hauptgewinn ging. Bei der Verlesung der Gewinnziffer stieg mein Puls, die ersten beiden Zahlen waren meine, doch dann – kam die meines Kollegen!

Unsere Freude hätte nicht größer sein können, wir jubelten und lagen uns in den Armen – nur das Siegerfoto stand kurz auf der Kippe, weil es ein Mitarbeiter der ausstellenden Firma nicht sehr lustig fand, dass wir alle mit Pins, Stickern und Taschen ihres direkten Mitbewerbers ausgestattet waren.

Zum Abschluss unseres erfolgreichen Messetages machten wir noch eine kleine Giveaway-Runde und packten Gratis-Mundwasser und -Zahnpasta ein. Und am den Philips-Stand, so das Gerücht auf der Messe, sollte jeder eine elektrische Zahnbürste bekommen, der seine Adresse abgibt. Die Schlange ging zwei mal um den Stand herum. Wir mussten leider zum Zug.

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Dieser Text wurde bereits im neuen re.flect veröffentlicht.

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5 Comments

  1. says: philthy

    oh gott, die ids. haben da vor jahren auch mal für einen kunden nen stand geplant. auf der messe dann genau das bild, das du zeichnest. überall bilder und exponate, die man einfach nicht sehen will…

  2. says: franzi

    OMG ich beschwer mich nie wieder über meinen arbeitgeber, so lange er mich nicht zwingt den gangnam style zu tanzen 😀
    die fachdental südwest im herbst immer in stuttgart, da war ich schon 2x wegen eines kunden… da bekommt man tolle kleine backenzahn-schlüsselanhänger und man kann wunderbare sozialstudien zum thema zahnarzthelferinnen machen!

  3. says: Martin Sp.

    Äh.. Also… *Hust*… Borg meets Der kleine Horrorladen meets Lexx?

    Und ich als kleiner Bruder zweier Zahnarzthelferinnen dachte schon ich hätte von allem zumindest mal gehört. Beim Mittagessen damals natürlich.

  4. says: Frau Doktor

    Mein schönstes IDS-Erlebnis: Weil Köln tief verschneit war, waren da eine Menge Menshcen, die noch nie so viel Schnee auf einmal gesehen hatten. Und ich hab‘ sie alle fotogtafiert (also gefühlt alle), mit ihren IpAds, iPhones und sonstigen Fotomach dingensen. Hey, Sula aus Südafrika, wenn du das liest, liegt endlich kein Schnee mehr bei uns!

  5. says: denti

    es gab bei Philipps eine airfloss, zum Reinigen der Zahnzwischenräume für jeden umsonst. 🙂 habt ihr allerdings nich viel verpasst dabei

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