52 Albums/50: Kraftwerk „Radio-Aktivität“

So, gegen Ende dieser Serie noch mal zu den wirklich bedeutenden Alben in der Musikgeschichte. Auf Kraftwerk bin ich gestoßen, als ich in meiner noch frischen DJ-Tätigkeit nach und nach die Wurzeln der Musik gesucht und entdeckt habe, die ich aufgelegt habe. Bei House Disco, bei HipHop Soul und bei Techno Kraftwerk. Vereinfacht gesagt.

„Radio-Aktivität“ war glaube ich die erste LP, die ich von Kraftwerk gekauft habe, ich glaub sogar noch im „alten“ Vinyl-West weiter oben in der Rotebühlstraße. Und so weit ich weiß ist es auch eine originale deutsche Pressung mit dem leuchtgelben Radioaktivität-Sticker (oben nicht zu sehen).

Ohne eine genauere musikgeschichtliche Einordnung machen zu können war ich einfach nur geflasht. Denn auf dem Cover stand die Jahreszahl „1976“ (mein Geburtsjahr), und auf der Platte war richtige elektronische Musik, die sich in der Experimentierfreude und im Minimalismus ohne Probleme mit der aktuellen Musik, die ich damals cool fand, messen konnte.

Ich hatte mich so ein wenig um- und reingehört und auch Can und Tangerine Dream (nennt man glaube ich Krautrock) oder gar Jean-Michel Jarre ausprobiert, aber Kraftwerk war anders. „Radio-Aktivität“ war für Kraftwerk sicher eine der am wenigsten poppigen Platten, und Stücke von „Tour de France“ oder „Autobahn“ konnte man sicher besser auflegen. Aber mich hat dieses Album am meisten überzeugt.

Es gab einfach auch immer, und damals natürlich besonders in der Detroittechno-Liebhaberszene, diesen Kraftwerk-Mythos, die Urväter, die alles erfunden haben, und ich hatte auch große Ehrfurcht. Und dann habe ich irgendwann Boris und Maurizio von Klangstabil kennengelernt, und die waren damals (und wahrscheinlich bis heute) mehr oder weniger besessen von Kraftwerk.

Sie haben alle (wirklich alle) Platten von Kraftwerk, haben ihre verrückt-geniale Musik ausschließlich mit analogen Synthesizern produziert und sind so weit gegangen, dass sie bei Ralf Hütter angerufen und entsetzt aufgelegt haben, als er abgenommen hat, und nach Düsseldorf gefahren sind um ihm eine ihrer Platten in den Briefkasten zu werfen.

Als ich mich jetzt wieder ein wenig ins Thema eingelesen habe, habe ich erfahren, dass das Album „Radio-Aktivität“ tatsächlich ein Besonderes in der Kraftwerk-Discographie ist: Es ist nämlich das erste, das mit rein elektronischen Mitteln bzw. Instrumenten eingespielt wurde.

Und wenn es auch nicht ganz so erfolgreich wurde wie der Vorgänger Autobahn, hat es trotzdem ganz gut in den Deutschen Albumcharts gepunktet – sogar besser als der berühmte Nachfolger „Trans-Europe-Express“.

Wie gesagt ist das alles Ende der 70er passiert, und die Musik der Jungs hat, und das ist jetzt keine Übertreibung, sowohl die Entstehung von HipHop (remember Afrikaa Bambaataa), von Techno (Detroit at its best) und natürlich von Synthpop (Depeche Mode and beyond) maßgeblich beeinflusst. Und der Einfluss hält bis heute an – siehe Samples bei Jay-Z („Sunshine“) oder gar Coldplay („Talk“).

Man könnte natürlich noch sehr viel mehr erzählen, dazu reicht der Platz hier aber nicht aus – der Artikel auf Wikipedia gibt aber schon mal einen sehr guten Überblick. Der neue Output und die Live-Aktivitäten von Kraftwerk in den letzten Jahren haben mich dann nicht mehr so wirklich interessiert – keine Ahnung wieso. Vielleicht will ich mir einfach die Ehrfurcht bewahren.

Join the Conversation

20 Comments

  1. says: mr. asdf

    yeeha, danke für diesen artikel. bin selbst erst 18 aber halte des album für eines der besten überhaupt.
    die live-auftritte von kraftwerk sind echt nicht mehr so, wie man sie von alten aufnahmen (mancher vllt sogar von real-life-erlebnissen) kennt.
    die stehen da mit laptops auf der bühne und sehen so aus als würden sie gerade alle simultan ihre emails checken. find ich nich so interessant ehrlich gesagt. 😀

  2. says: cHiller

    cosign all the way.
    muss mir dieses album zwar noch als ganzes anhören, kenne nur diverse best-of geschichten und meinen liebling „trans europe express“, aber ich weiß trotzdem schon um den enormen einfluß und die extrem frühe pionier-arbeit den diese gruppe geliefert hat.

  3. says: Volker

    Danke!
    Kraftwerk ist auch eine meiner Lieblingsbands.
    Viele andere „Krautrocker“ kann man heute nur noch schwer anhören. Aber was ich auf jeden Fall noch empfehlen kann:
    – Neu!
    – Nektar
    – Harmonia
    – Kraan
    Auch wenn die stärker „rockig“ und weniger „elektro“ sind.

  4. says: martin

    keine ahnung warum, aber mich hat kraftwerk auf lange sicht nie so richtig interessiert. mein prägendes erlebnis war aber das album „electric cafe“, dass ich als sehr junger bursche in der bibliothek (auf kassette) ausgeliehen habe und total „gefläsht“ war. und nicht zu vergessen die breakdance einlagen auf „tour de france“ in breakin 1 oder 2

  5. says: LKTROSNDY

    Ich hab die Trans-Europe Express zuhause. Die fehlt mir tatsächlich noch.

    @mr. asdf: Aber das ist ja deren Konzept, der Mensch-Maschine. Es gibt auch Auftritte von denen, da stehen die garnicht mehr selber auf der Bühne sondern tatsächlich nur noch Roboter.

  6. says: VanDamme

    Habe Kraftwerk im Januar 2013 in der Düsseldorfer Kunstsammlung im Rahmen ihrer Katalog-Tour zum ersten mal live und mit 3D-Brille gesehen…unfassbar beeindruckend!

  7. says: Ken™

    und dann dazu noch im zkm! war damals zur eröffnung vom zkm auf dem kraftwerkkonzert. war ganz toll, dass die bühne gefühlt ungefähr 10 cm hoch war und man so ab reihe 5 absolut gar nichts mehr gesehen hat! 🙁

  8. says: VanDamme

    Thorsten, es lohnt dich gewaltig: jedes Stück wird mit in 3D konvertierten Original-Schnipseln aus den damaligen Kling-Klang-Archiven verfeinert –> mehr audio-visuell geht nicht – mehr Retro aber auch nicht 🙂

  9. says: Gregor

    …hab sie auf der SMS gesehen, kann man sich heute eigentlich kaum mehr vorstellen so zwischen Lexy und Sven Väth, war dann aber sehr beeindruckend.

Leave a comment
Leave a comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert