52 Albums/17: Robert Hood „Minimal Nation“

Ich war nicht allzu oft in meinem bisherigen Leben in Berlin. 2007 und 2008 bin ich beim Marathon gestartet. 12 bzw. 13 Jahre zuvor stand 1995 Techno-Urlaub in der Hauptstadt auf dem Reiseplan. Ich war 18 und es waren meine letzten großen Sommerferien.

Techno-Urlaub geht so: Man geht weg, damals in den Tresor, sonntags z.B. mit Tanith und Ellen Allien, und noch in so einen anderen Club, dessen Name mir seit heute früh ums Verrecken nicht mehr einfällt. Sehr groß, hohe Decken, Empore, Woody hat an dem Abend aufgelegt, erinnere mich noch ganz genau als er „Just let the groove go“ von besagter Allien gedroppt hat. Mensch, wie hieß der verdammte Laden nochmals?

Zu einem grundsoliden Techno-Urlaub gehört auch Platten kaufen des Grauens. Gut, es muss nicht zwingend Techno-Urlaub sein. Allgemein fand ich in anderen Städten Platten kaufen lange Jahre sehr toll.

Heutzutage scanne ich nur kurz die Auslage und blättere vielleicht ein, zwei Fächchen durch. Gibt eh überall den gleichen Scheiß. Geht man z.B. in New York in einen Plattenladen, der sich auf elektronische Musik spezialisiert hat, sind 70 Prozent aus Deutschland bzw. aus Europa.

1995 gabs eben noch nicht überall den gleichen Scheiß und gerade in Stuttgart gutes Material zu bekommen war nicht immer ganz einfach. Kann aber auch nur Einbildung gewesen sein. Also war das Hardwax, damals noch im alten Laden in Kreuzberg, nicht nur ein mythischer Ort, von dem man zuvor schon oft gehört hat, sondern auch finanzieller Ruin zu gleich.

Man muss fairerweise dazu sagen, schaut man heute ab und zu in den Hardwax Online-Shop, hebt sich die Berliner Institutionen immer noch vielen anderen Läden ab. Keine schlechte Leistung im Jahr 2009.

1994/1995 stand ich musikalisch, also Techno-mässig, am Scheideweg. Dem OZ-Hardtrance-165-BPM-Sound der Marke Noom und Konsorten war ich längst überdrüssig. Immer mehr stieß ich in spannende Tiefen des Genres vor und landete bei Labels wie Disko B aus München, Cheap aus Wien, Basic Channel aus Berlin oder fand heraus wer überhaupt dieser Herr Detroit ist.

Dabei standen stets drei, vier Namen im Raum. Jeff Mills, Robert Hood, Axis, Underground Resistance. Mills und Hood haben zunächst gemeinsame Sache gemacht, UR (mit Mike Banks) gegründet, irgendwann ohne Banks Axis. Später kam es zum Bruch, Robert Hood launchte sein eigenes Label M-Plant. Gewieftere Leser sollen mich bitte korrigieren.

Unter der Katalog-Nummer AX-007 erschien 1994 Robert Hoods „Minimal Nation“, 1995 hab ich das Doppel-Vinyl (das schöne Dicke aus Detroit) in eben jenem Techno-Urlaub im Hardwax erstanden. Eingeschweißt. Wie eigentlich alle Platten im Hardwax.

Der Kenner weiß, dass diese Scheibe als Blueprint, als die Essenz von minimalistischer Techno-Musik gilt. Robert Hood hat hierauf das „5-Spur-Genre“ perfektioniert wie kein anderer davor oder auch danach. Ähnlich spannend war vielleicht nur noch die Kölner Studio 1-Serie.

Im Gegensatz zum heutigem Minimal schaffte es Robert Hood mit spartanisches Rhythmuskonstruktionen und dem geschickten Wechselspiel modulierender Bleeps und Chords ein ganz besonders Klanggebäude zu errichten, in dem sich immer neue Türen öffneten.

Mit anderen Worten: Legt man „Minimal Nation“ auf dem Plattenteller hört man jedes mal neue Elemente, obwohl eigentlich keine dazu gekommen sind.

In dem Berlin Urlaub legte ich den Grundstein für eine geschmackvolle Techno-Sammlung und reiste mit rund 30 Platten wieder in den Kessel zurück. Robert Hood sollte mich noch lange Jahre begleiten. Bereits im Herbst 1995 erschien das nicht minder schlechtere, hochemotionale „Nighttime World“ auf Cheap, ein Soundtrack für die Jazzkneipe von Morgen.

Man könnte jetzt noch etwas weiter den Minimal-Zeigefinger in die Höhe recken, aber ich möchte den heutigen Minimal-Kids mit Ricardo-Richie-Haarschnitt und Schal nur empfehlen, sich vielleicht mal dieses Werk anzuhören, um ein wenig ihren Background zu erweitern.

Man muss dafür auch gar nicht nach Berlin ins Hardwax fahren. Robert Hood hat die Tage sein Masterpiece nach 15 Jahren auf dem eigenen Label M-Plant wiederveröffentlicht. Unter anderem auch auf iTunes.

Join the Conversation

14 Comments

  1. says: Ralle

    A propos m-plant: die Katalognummer 03 – the memory foundation kommt mir da wieder ins Gedächtnis. All drei Tracks sind superb. Und die Remixe von Robert Hood zu Ian Pooleys – My Anthem waren auch klasse.

    Gibt es den Pooley eigentlich noch?

  2. says: NICE

    klar gibts den herrn pooley noch. hat letztes jahr erst wieder ein ganz akzeptables album abgeliefert und stellt halbwegs regelmäßig feine sets auf seiner seite online.

  3. says: Ralle

    Nach „The Times“, seinem ersten Album auf Force Inc. bin ich bei Pooley ausgestiegen, zumal das ganze dann auf V2 in so ne balearische Richtung ging und die Sachen an sich keine Ecken und Kanten mehr hatten.

  4. says: RocZt4r

    ich bin in meinem Leben in vielen Clubs gewesen — Ibiza, London, Paris, Frankfurt, etc… — aber an die atmosphäre wie im e-werk mitte der 90er kommt lange nichts heran.
    bin 94 + 95 oft dort gewesen. u.a. war ich beim event zu den MTV awards. dort hat prodigy ein unangekündigtes konzert in einer der hallen des e-werks gegeben – hammer!!!!

Leave a comment
Leave a comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert