The Wire

Also nur mal so, weil hier erst letzte Woche wieder über Serien getratscht wurde: Ich guck gerade The Wire. Das ist – für mich – eine kleine Sensation, weil ich guck sonst nie Serien (mehr), kauf mir keine auf DVD oder lass sie mir auch nicht vom Internet schenken.

Auf der anderen Seite hab ich überhaupt kein Problem mit der Glotze an sich. Sie ist halt meistens nur aus. Ich würde mein TV-Gerät aber trotzdem nie hergeben. Hat nur keine oberste Priorität für mich. Die liegt, wenn ich abends daheim bin, auf Schallplatten anhören. TV kurz vorm Einschlafen oder wenn mal halt auf sonst nix Bock hat. Ich bin aber noch nie heim gekommen und hab als erstes die Glotze angemacht. Und übrigens gibt es auch im TV noch Zeug, das man angucken kann, falls man sich für Dokumentationen oder ähnliches interessiert. Und Tatort, ge.

Zum Thema: Zwischen The Wire und mir gab es einige Missverständnisse.

Erstens dachte ich, die Serie wäre „neueren“ Datums, so ab 2008 oder so am Start. Da hab ich zum ersten Mal etwas darüber gelesen. In der Spex und später glaub auch in der De-Bug. Ist aber nicht so, The Wire wurde zwischen 2002 und 2008 in fünf Staffeln abgedreht und in den USA auf HBO gesendet.

Zweitens dachte ich, The Wire wurde nicht synchronisiert. Falsch, sagt der Saturn. Da steht mittlerweile im Neuheiten-Regal die dritte Staffel und ich hab vor lauter Freude das Twin Peaks Theme gesungen. Wo es eine dritte Staffel gibt, muss es auch eine erste und zweite auf Deutsch geben. Und siehe da, zwei Meter weiter zu je 11,99 Euro. Das greift man gerne zu. Und nein, ich gucke keine Serien im Original, mein Englisch ist so mittelmässig und überhaupt meinte mal jemand, glaub ich zumindest, The Wire würde man im Original kaum vorstehen.

Drittens dachte ich, dass The Wire hat total viele Preise gewonnen und wäre der Quotenbringer in Amerika überhaupt. Falsch und falsch, hat zwar ein paar Preise gewonnen, aber nie den unendlich wichtigen Emmy und die Quote war auch nicht Sopranos-verdächtig.

Wiki sagt dazu: „Allerdings erschweren die komplexen Charaktere und Handlungsstränge den Zugang zur Serie. Dies führte zwar zu einigen äußerst positiven Kritiken, aber auch zu relativ schlechten Einschaltquoten, da viele Zuschauer der vielschichtigen Handlung nicht folgen konnten.“

Wiederum gibt es ein paar Fachleute, die behaupten, The Wire wäre die beste Serie aller Zeiten. Gibt bestimmt aber auch Fachleute, die das über die Sesamstraße oder die Lindenstraße sagen.

Frage: Warum guckst du keine Serien dann aber The Wire? Weil ich, wie schon oben gesagt viel darüber gelesen habe, und mich das angemacht hat und weil ich einfach auf Cop-Serien stehe (war früher großer Fan von NYPD Blue und später von Law & Order).

Hab jetzt die erste Staffel durch, freu mich schon auf die Zweite und schlaf seit ein paar Tagen eher unruhig, weil mir noch Szenen, Dialoge und einzelne Charakter im Kopf herum schwirren. Einige Typen aus der Serie lassen dich nicht los, egal ob der junge Wallace oder Bubbles, der alte Junkie, die er immer wieder versucht clean zu werden.

Kurz gesagt geht es in der ersten Staffel darum, dass eine Sonderkommission den Drogenkönig Avon Barksdale, lange Zeit eine Art Phantom (für die Cops aber nicht für den Zuschauer) und verantwortlich für etliche Morde, hochnehmen soll, jene Sonderkommission aber gegen extreme Widerstände innerhalb des Polizeiapparats zu kämpfen hat. Vielleicht weil da mehr dran (oder drin) hängt, wie Ende der Staffel angedeutet wird, oder weil es einfach zu viel neue Arbeit gibt und keine Zeit für die alten, unerledigten Akten ist.

Im weitesten Sinne zeigt die The Wire den Verfall von Baltimore. Baltimore leidet unter massiven Bevölkerungsschwund und gilt als eine der zehn gefährlichsten Städte der USA. Die 250 bis 300 Morde pro Jahr, die öfters in der Serie erwähnt werden, sind ebenfalls nicht erfunden wie die Drogendealerei der Jugendlichen bzw. Kinder. The Wire basiert auf einer Idee des Polizeireporters David Simon.

Will jetzt hier gar nicht länger die Staffel oder Figuren groß ausbreiten, das tut Wiki schon bestens, sondern kann sie nur uneingeschränkt empfehlen. Zumindest all denjenigen, die auf realitätsnahe, schnörkellose, blutige, langatmige und vielleicht doch eher komplexe Serien stehen.

Komplex eben aufgrund unzähliger Charaktere (viele Namen und so, wer war das jetzt nochmals?), die sich im Laufe der Serie entwickeln und mitunter in ungeahnte Richtungen entfalten Ehrlicherweise muss man dazu sagen, dass sich die Spannung erst in den letzten Folgen so richtig aufbaut, zumindest in der ersten Staffel.

Beeindruckt haben mich vor allem die Dialoge, die, das klingt jetzt hier vielleicht nicht ganz so geil, zum einen aus überwiegend Kraftausdrücken wie Wichser, Arschloch, Shit, Fuck, Fucker oder Schwanzlutscher bestehen und zum anderen z.B. starke Momente haben, wenn der Neffe von Barksdale seinen Gehilfen das Schachspiel an Hand vom Drogenverchecken erklärt. Oder wenn ein junges Mädchen die Matheaufgabe mit Milchtüten nicht kapiert dafür aber mit sogenannten (Heroin)Testern. Ah hier (gutes Beispiel auch für die typische Wire Kameraführung, immer gern erst einmal im Kreis rum.)

[youtube]https://www.youtube.com/watch?v=S1HUlTKvDUI[/youtube]

Die erste Staffel spielte überwiegend in Westbaltimore und in Polizeipräsidien, die zweite soll ihren Hauptschauplatz am Hafen haben. Freu mich drauf. Die erste kam zwar übrigens natürlich zu einem Abschluss aber alles andere als zu einem Happy End.

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29 Comments

  1. says: LuisL

    Achso noch ein Kommentar, die zweite Staffel ist in allem gesehen die schwächere Staffel, aber dranbleiben und nicht aufgeben nachdem die Zweite durch ist.

  2. says: Marcus

    Party-, Turnschuh-, Politik-, Gastro-, Film-, Kunst- und jetzt auch noch Serienblog! Ich werde von tag zu tag zum größeren Kessel.tv Fanboy ^^

    The Wire ist super! Ich hab mir am Anfang ein wenig mit der 90er Optik schwer getan. Passt aber mit der Zeit total 😉

  3. says: vanDamme

    Vor allem auf English eine Wucht, es wird permanent so herrlich rücksichtslos geflucht, dass es eine Freude ist (musste aber auch immer wieder die Subs aktivieren, weil das Genuschele teilweise einfach nicht zu verstehen ist!)! God bless HBO!

  4. says: Martin Sp.

    Naja, ich hab’s ja nicht so mit Krimiserien. Also früher, Miami Vice (die Serie, nicht der Film) vor dem in-die-Disse-gehen, und jetzt so ab und an mal ne Folge CSI Miami. Aber sonst? War meins eher Pacific Blue anstatt NYPD Blue 😉

  5. says: Horscht

    Sopranos ist besser in meinen Augen, aber The Wire ist nicht weit weg. Schaue eigentlich nie was auf Original-englisch, aber bei The Wire muss man das machen. Auch wenn man die Hälfte nicht gleich versteht…
    Senator Davis ist der Beschde!

  6. says: maggo

    Ah, noch so einer. Gerade auch fertig geworden… Grandiose Serie! Mit der OV isses wie bei den Sopranos, englische Untertitel an und es geht. Man gewöhnt sich dran, bzw. muss bald gegen den Drang ankämpfen „Motherfucker“ zu oft zu verwenden…

  7. says: Phil Grooves

    Wer The Wire mag, kann auch mal einen Blick auf The Shield werfen. Die Serie ist ähnlich angelegt und hat einen ähnlichen Stil, allerdings liegt der Fokus auf den Cops. Sie ist nicht so komplex wie The Wire (vor allem in der ersten Staffel noch nicht) und bietet etwas mehr Action. Gibt insgesamt 7 Staffeln.

    Zweite Empfehlung aus dem Genre ist The Shadow Line, eine BBC-Serie (7 Episoden). Ähnlich wie in The Wire werden hier sowohl Cops als auch Gangster parallel gezeigt, es geht auch um Drogen, der Stil ist aber ganz anders aber ebenfalls düster.

  8. says: smile sb

    Idris Elba ist der shit. The Wire und jede andere US Serie sollte man schon auf englisch schauen. Man gewöhnt sich schnell dran und wird nach paar Folgen ein Meister in Small Talk.

  9. says: Rick

    @Phil… hatte The Wire und The Shield direkt nach einander gesehen, grandios! War lange auf der Suche nach einem würdigen Nachfolger. Danke für den Tip mit The Shadow Line, werde ich diese Woche noch testen.

    Für alle Serien Junkies kann ich noch Bordwalk Empire, Breaking Bad, Sherlock und LUTHER empfehlen.

  10. says: Tino

    Das problem mit The Wire in englisch ist, die benützen den Baltimore slang.. Nicht mal amis verstehen alles was die sagen.. Lohnt sich aber auf jeden fall es zu versuchen.

    Für mich eine der besten serien ever. Stellenweise ein bisschen langsam um die ganzen neuen persönlichkeiten vorzustellen.. Aber hammer!

  11. says: cHiller

    @Martin:
    Haben deine Kauf-DVDs sowohl englische als auch deutsche Sprache als Option?
    Mein Bruder meinte, er hätte bisher nur entweder/oder gefunden, nie beides…

  12. says: martin

    ui, da muss ich nochmals nachschauen, aber dachte eigentlich schon. hab gestern abend übrigens in einer marathon sitzung die dritte staffel beendet. still top

  13. says: Gregor

    …die deutsche DVD hat natürlich auch den englischen Ton. Hab leider erst 2 STaffel gesehen, gerade aber auch genug andere Sachen im Tv, am We neue Staffel Breaking Bad auf Arte und Walking Dead bei RTL2.

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